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beim Fenster hinauswerfe, Emilie wiederum wirft der Ehefrau vor, kein Verständnis für die künstlerischen Freiheiten eines Musikers zu haben.

      Persönlich ist die eheliche Krise für die drei musikbesessenen Strauß-Buben ein Drama – künstlerisch jedoch ein Glücksfall. Denn während der Vater gegen Johanns Wunsch, Berufsmusiker zu werden, ankämpft und ihm sogar die Geige wegnimmt, die dieser sich durch Klaviernachhilfestunden selbst verdient hat, unterstützt Mutter Anna in einem regelrechten »Rosenkrieg« die Ambitionen ihres ältesten Sohnes. Da aber der Einfluss von Strauß Vater nach seinem Auszug mehr und mehr schwindet, geht Johann bald ungestört seiner Berufung nach. Entsprechend ist das Verhältnis Johanns zu seinen Eltern: Während er die Mutter liebt, bewundert er den Vater als Künstler, aber er fürchtet ihn auch.

      Im Alter von 45 Jahren erkrankt Strauß Vater an Scharlach – infiziert angeblich durch eines seiner unehelichen Kinder. Er stirbt in der Nacht vom 24. auf den 25. September 1849 – nur etwa ein Jahr nachdem er die Komposition seines Lebens, den Radetzkymarsch, geschaffen hat. Emilie Trampusch verlässt noch in der Nacht seines Todes mit ihren Kindern die gemeinsame Wohnung. Allerdings ohne – wie später fälschlich behauptet wurde – sein Geld und alle Wertgegenstände mitgenommen zu haben.

      Als die einst schmählich verlassene Anna Strauß die Nachricht vom Tod ihres Mannes erhält, schickt sie ihren mittleren Sohn Josef in die Kumpfgasse, wo er den Leichnam seines Vaters vorfindet und sich um dessen Abholung und die weiteren Formalitäten kümmert. Auf der Parte unterschreibt Anna Strauß als »Witwe«, als hätte es weder Trennung noch Geliebte mit acht Kindern gegeben, und nennt den Verstorbenen »meinen innigst geliebten Gatten«.

      Dabei hat dieser die »Erstfamilie« auch in seinem Testament vom 10. Oktober 1847 mehr als schofel behandelt: »Letzter Wille, kraft dessen ich, endesgefertigter Johann Strauß, zu Erben meines Nachlasses die Emilie Trampusch, k. u. k. Kameralarztenstochter, zum einen und deren Kinder Johann, Emilie, Clementine, Maria und Therese Trampusch zum anderen Theile einsetze. Meine Kinder aus meiner Ehe mit Anna Strauß geb. Streim sollen auf den Pflichtteil gesetzt werden.«

      Einmal kommt es sogar zu einer Begegnung zwischen den beiden Strauß-Linien. Johann Trampusch, der 1836 unehelich geborene Sohn von Johann Strauß Vater, wird immer wieder darauf hingewiesen, dass er seinem Halbbruder Josef Strauß zum Verwechseln ähnlich sehe. Er besucht deshalb eines Abends die Gastwirtschaft Zum Sperl in der Leopoldstadt, wo Johann und Josef aufspielen. Bei Champagner freundet er sich mit seinen beiden Halbbrüdern an, und diese laden ihn auch noch zu sich nach Hause ein.

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       Sie setzte gegen den Willen ihres Mannes durch, dass Sohn Johann Musiker wurde: Anna Strauß geborene Streim

      Als ihre Mutter Anna Strauß jedoch von diesen Plänen erfährt, verbietet sie ihren Söhnen energisch jeden Umgang mit Trampusch und hindert ihn, als er den vereinbarten Besuch abstatten will, am Betreten der Wohnung.

      Drei seiner Kinder mit Emilie Trampusch waren, als Johann Strauß Vater starb, bereits tot, auch die anderen sollten nicht alt werden. Emilie Trampusch stirbt um 1865 im Alter von knapp über fünfzig Jahren. Die ehelichen Söhne Josef und Eduard steigen erst nach dem Tod des Vaters in das Musikunternehmen Strauß ein.

      Was die polygame Vermehrung betrifft, nimmt es Strauß Vater mit seinem kongenialen Gegenspieler Joseph Lanner auf. Strauß hat vierzehn Kinder mit zwei Frauen, Lanner hinterlässt neun Kinder mit vier Frauen.

      »BITTE TRETEN SIE ZUR SEITE!«

       Egon Friedells Sprung aus dem Fenster, 16. März 1938

      Egon Friedell * 21. 1. 1878 Wien, † 16. 3. 1938 Wien (Selbstmord). Veröffentlicht u. a. Die Kulturgeschichte der Neuzeit, drei Bände (1927–1931).

      Das also war der Nachruf, den er quasi als Vorruf geschrieben hat. Im März 1938 ist der Gedanke an Selbstmord kein Spaß mehr. Der Junggeselle und bisher stets gut gelaunte Schauspieler, Kabarettist, Schriftsteller und Philosoph spricht in den Tagen, ehe er den Gedanken wahr macht, immer wieder über die Möglichkeit, seinem Leben angesichts der Bedrohung durch den Einmarsch der Nationalsozialisten selbst ein Ende zu setzen. Er versichert, dass die Möglichkeit der Emigration für ihn nicht infrage komme, da die geringste Veränderung der Umwelt – eine Reise etwa – für ihn ein schier unlösbares Problem darstelle. Die Schriftstellerin Dorothea Zeemann, die in den letzten Lebenstagen des jüdischen Universalgelehrten mehrmals in seiner Wohnung in der Währinger Gentzgasse Nr. 7 erscheint, versucht, wie sie in ihrer Autobiografie erklärt, Friedell von dem Gedanken abzubringen, indem sie den Historiker in ihm aufrüttelt: »Es sollte dich interessieren, neugierig solltest du sein, wie es weitergeht.«

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       Die letzten Tage und Nächte des Philosophen, Historikers, Schauspielers

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