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Alles nur Zufall?. Georg Markus
Читать онлайн.Название Alles nur Zufall?
Год выпуска 0
isbn 9783902862983
Автор произведения Georg Markus
Жанр Документальная литература
Издательство Bookwire
Strauß überweist seiner Ehefrau jeden Monatsersten fünfzig Gulden*. Nicht nur, dass sie damit ihre fünf Kinder kaum ernähren kann, ist die Auszahlung der Alimente immer mit Bedingungen verbunden. Vor allem lässt Strauß Vater seiner Frau durch Advokaten mitteilen, dass das Musikstudium seiner Buben gänzlich zu unterbleiben habe, die sollten gefälligst einen anderen Beruf ergreifen. Doch darauf geht Anna nicht ein, ganz im Gegenteil, für sie ist klar, dass zumindest Sohn Johann Musiker werden muss. Der besucht vorerst eine Handelsschule, weil sein Vater darauf besteht, dass sein Ältester einmal Sparkassenangestellter wird. Doch Johann fliegt von der Schule, weil er einmal während des Unterrichts gesungen hat. Dem späteren Walzerkönig ist das nur recht, weil er somit seine privaten Violin- und Kompositionsstunden ausweiten kann.
Persönlich ist die eheliche Krise für die drei musikbesessenen Strauß-Buben ein Drama – künstlerisch jedoch ein Glücksfall. Denn während der Vater gegen Johanns Wunsch, Berufsmusiker zu werden, ankämpft und ihm sogar die Geige wegnimmt, die dieser sich durch Klaviernachhilfestunden selbst verdient hat, unterstützt Mutter Anna in einem regelrechten »Rosenkrieg« die Ambitionen ihres ältesten Sohnes. Da aber der Einfluss von Strauß Vater nach seinem Auszug mehr und mehr schwindet, geht Johann bald ungestört seiner Berufung nach. Entsprechend ist das Verhältnis Johanns zu seinen Eltern: Während er die Mutter liebt, bewundert er den Vater als Künstler, aber er fürchtet ihn auch.
Im Alter von 45 Jahren erkrankt Strauß Vater an Scharlach – infiziert angeblich durch eines seiner unehelichen Kinder. Er stirbt in der Nacht vom 24. auf den 25. September 1849 – nur etwa ein Jahr nachdem er die Komposition seines Lebens, den Radetzkymarsch, geschaffen hat. Emilie Trampusch verlässt noch in der Nacht seines Todes mit ihren Kindern die gemeinsame Wohnung. Allerdings ohne – wie später fälschlich behauptet wurde – sein Geld und alle Wertgegenstände mitgenommen zu haben.
Als die einst schmählich verlassene Anna Strauß die Nachricht vom Tod ihres Mannes erhält, schickt sie ihren mittleren Sohn Josef in die Kumpfgasse, wo er den Leichnam seines Vaters vorfindet und sich um dessen Abholung und die weiteren Formalitäten kümmert. Auf der Parte unterschreibt Anna Strauß als »Witwe«, als hätte es weder Trennung noch Geliebte mit acht Kindern gegeben, und nennt den Verstorbenen »meinen innigst geliebten Gatten«.
Dabei hat dieser die »Erstfamilie« auch in seinem Testament vom 10. Oktober 1847 mehr als schofel behandelt: »Letzter Wille, kraft dessen ich, endesgefertigter Johann Strauß, zu Erben meines Nachlasses die Emilie Trampusch, k. u. k. Kameralarztenstochter, zum einen und deren Kinder Johann, Emilie, Clementine, Maria und Therese Trampusch zum anderen Theile einsetze. Meine Kinder aus meiner Ehe mit Anna Strauß geb. Streim sollen auf den Pflichtteil gesetzt werden.«
Das Gesamtvermögen des verstorbenen Komponisten wird auf 7235 Gulden* geschätzt, in der Familie Strauß wird allerdings kolportiert, der Komponist habe seiner Geliebten noch zu Lebzeiten 30 000 Gulden geschenkt. Das ist wohl auch einer der Gründe, warum es zu einem sich über Jahre hinziehenden Erbschaftsstreit vor Gericht kommt, von dem aber nur die Anwälte und der Verleger Carl Haslinger profitieren.
Einmal kommt es sogar zu einer Begegnung zwischen den beiden Strauß-Linien. Johann Trampusch, der 1836 unehelich geborene Sohn von Johann Strauß Vater, wird immer wieder darauf hingewiesen, dass er seinem Halbbruder Josef Strauß zum Verwechseln ähnlich sehe. Er besucht deshalb eines Abends die Gastwirtschaft Zum Sperl in der Leopoldstadt, wo Johann und Josef aufspielen. Bei Champagner freundet er sich mit seinen beiden Halbbrüdern an, und diese laden ihn auch noch zu sich nach Hause ein.
Sie setzte gegen den Willen ihres Mannes durch, dass Sohn Johann Musiker wurde: Anna Strauß geborene Streim
Als ihre Mutter Anna Strauß jedoch von diesen Plänen erfährt, verbietet sie ihren Söhnen energisch jeden Umgang mit Trampusch und hindert ihn, als er den vereinbarten Besuch abstatten will, am Betreten der Wohnung.
Drei seiner Kinder mit Emilie Trampusch waren, als Johann Strauß Vater starb, bereits tot, auch die anderen sollten nicht alt werden. Emilie Trampusch stirbt um 1865 im Alter von knapp über fünfzig Jahren. Die ehelichen Söhne Josef und Eduard steigen erst nach dem Tod des Vaters in das Musikunternehmen Strauß ein.
Was die polygame Vermehrung betrifft, nimmt es Strauß Vater mit seinem kongenialen Gegenspieler Joseph Lanner auf. Strauß hat vierzehn Kinder mit zwei Frauen, Lanner hinterlässt neun Kinder mit vier Frauen.
* Entspricht laut »Statistik Austria« im Jahre 2014 einem Betrag von rund 800 Euro.
* Entspricht laut »Statistik Austria« im Jahre 2014 einem Betrag von rund 115 000 Euro.
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Egon Friedells Sprung aus dem Fenster, 16. März 1938
Egon Friedell * 21. 1. 1878 Wien, † 16. 3. 1938 Wien (Selbstmord). Veröffentlicht u. a. Die Kulturgeschichte der Neuzeit, drei Bände (1927–1931).
Es gab nichts, worüber sich Egon Friedell nicht lustig gemacht hätte. Auch der Selbstmord – und zwar sein eigener – war Teil einer Satire, die er zehn Jahre vor dem tödlichen Sprung aus dem Fenster seiner Wohnung verfasst hatte. »Egon Friedell«, schrieb er im April 1928, »hat gestern in seiner Wohnung einen Selbstmordversuch unternommen. Wir erfahren hierüber folgende Details: In seiner letzten Rolle, der Titelfigur in Geraldys Ihr Mann, in der er, wie wir ausdrücklich hervorheben, keineswegs unzulänglicher war, als in allen bisherigen, wurde er von der Presse wieder gefeiert. Schon nach den ersten Kritiken zeigte er ein an ihm ganz ungewohntes einsilbiges Wesen, und als das 6 Uhr-Blatt schrieb, er sei eine unvergessliche Gestalt auf der deutschen Bühne, verfiel er in tiefe Schwermut. In untröstlichem Tone erklärte er seinen Freunden gegenüber, dass er an die Aufrichtigkeit der Presse nicht mehr glauben könne und den künstlerischen Boden unter seinen Füßen wanken fühle«. Da Freunde das Äußerste befürchteten, sei Friedells Freundin, Frau Lina Loos, in die Wohnung gekommen: »Der Eintretenden bot sich ein schrecklicher Anblick. Friedell lag neben einer vollständig geöffneten, halb geleerten Flasche Abzugsbier in bewusstlosem Zustand unter Symptomen schwerer Alkoholvergiftung. Er wurde ins Spital gebracht, wo es gelang, ihm das Gift auszupumpen. Wie wir hören, soll er schon im Sommer aus ähnlichen Gründen im Erholungsheim Grundlsee einen Alkoholvergiftungsversuch mit Punschtorte gemacht haben.«*
Das also war der Nachruf, den er quasi als Vorruf geschrieben hat. Im März 1938 ist der Gedanke an Selbstmord kein Spaß mehr. Der Junggeselle und bisher stets gut gelaunte Schauspieler, Kabarettist, Schriftsteller und Philosoph spricht in den Tagen, ehe er den Gedanken wahr macht, immer wieder über die Möglichkeit, seinem Leben angesichts der Bedrohung durch den Einmarsch der Nationalsozialisten selbst ein Ende zu setzen. Er versichert, dass die Möglichkeit der Emigration für ihn nicht infrage komme, da die geringste Veränderung der Umwelt – eine Reise etwa – für ihn ein schier unlösbares Problem darstelle. Die Schriftstellerin Dorothea Zeemann, die in den letzten Lebenstagen des jüdischen Universalgelehrten mehrmals in seiner Wohnung in der Währinger Gentzgasse Nr. 7 erscheint, versucht, wie sie in ihrer Autobiografie erklärt, Friedell von dem Gedanken abzubringen, indem sie den Historiker in ihm aufrüttelt: »Es sollte dich interessieren, neugierig solltest du sein, wie es weitergeht.«
Die letzten Tage und Nächte des Philosophen, Historikers, Schauspielers