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Blatt Papier in ihrem Gebetbuch fand: »Die 29 ½ gemeinsam verbrachten Jahre waren 354 monat, 1416 wochen, 9912 täge, 237 888 stunden.«

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       Nach seinem Tod konnte sie nie wieder richtig froh werden: Maria Theresia und ihr geliebter Mann Franz Stephan von Lothringen

      Kaiser Franz Stephan von Lothringen * 8. 12. 1708 Nancy, † 18. 8. 1765 Innsbruck. Die Ehe mit Maria Theresia ist glücklich (obwohl er außereheliche Affären hat).

      Die Kaiserin hat mit ihm nicht nur den geliebten Mann verloren, sondern auch die – neben den Kanzlern Kaunitz und Haugwitz – wohl wichtigste Stütze in Regierungsfragen. Franz Stephan war intelligent und ein guter Geschäftsmann, der sein Privatvermögen geschickt verwaltete. Sohn Josef – der in politischen Fragen oft ganz anders denkt und mit seiner Mutter große Meinungsverschiedenheiten hat – tritt nun die Nachfolge des Vaters als Mitregent an.

      Die tiefreligiöse Maria Theresia zieht sich nach dem Tod ihres Mannes immer wieder tagelang zur Andacht zurück. Sie wird ihr schwarzes Witwenkleid und ihren Witwenschleier nie wieder ablegen, lässt ihr langes Haar abschneiden, die Privatgemächer schwarz tapezieren. Die fünfzehn Jahre, die sie noch zu leben hat, sind von Trauer geprägt, der Tod Franz Stephans hat ihr jegliche Freude genommen, sie wird nie wieder richtig froh. »Ich habe den liebenswürdigsten aller Männer verloren«, schreibt sie ihrer Jugendfreundin Rosalie Gräfin Edling, »er war der ganze Trost meines harten Daseins; jetzt ist für mich nichts mehr da. Möge mich Gott erleuchten und stärken, wenn ich denn noch eine Zeitlang auf dieser Erde herumirren soll.«

      Im Mai 1772 fühlt sie sich in ihrer anhaltenden Trauer so geschwächt, dass sie die Regierungsgeschäfte niederzulegen gedenkt, wovon sie von ihrem Obersthofmeister Khevenhüller und dem gesamten Hofstaat zurückgehalten wird.

      Der Tod ist in ihrem Leben allgegenwärtig. Nachdem Maria Theresia schon fünf ihrer sechzehn Töchter und Söhne im Kindesalter verloren hat, stellen vor allem die Pocken ein schier unlösbares Problem dar, die auch vor den Toren der Hofburg nicht haltmachen. Maria Theresia trauert infolge der Infektionskrankheit um ihren Sohn Karl und um zwei ihrer Schwiegertöchter: Kaiser Josefs erste Frau Isabella von Bourbon-Parma starb 1763, zwei Jahre später seine zweite Frau Maria Josepha von Bayern. Eine weitere Tochter, Maria Elisabeth, überlebte zwar, zog sich jedoch, da ihr hübsches Gesicht von Pockennarben entstellt war, für den Rest ihres Lebens in ein Kloster, das »Adelige Damenstift« in Innsbruck, zurück, in dem sie schließlich Äbtissin wurde. Maria Theresia bezeichnete die Pocken als »Erzfeind des Hauses Habsburg«.

      In ihren letzten Lebensjahren lässt sich Maria Theresia so oft wie möglich in die Kapuzinergruft führen, um ihrem verstorbenen Gemahl und ihren toten Kindern nahe zu sein. Elf Tage vor ihrem Tod ist sie noch einmal dort. Man hat für sie einen mechanischen Aufzug errichtet, der die schon schwerfällig gewordene Herrscherin in das Untergeschoss der habsburgischen Grabstätte befördert. Als man sie bei diesem letzten Besuch nach zweistündigem Gebet wieder hinaufziehen will, reißt das Seil des Aufzugs. Die Kaiserin stürzt, erhebt sich und flüstert einem der erschrockenen Kapuziner zu: »Es ist mein Gemahl, der mich zurückhalten möchte.«

      Kaiser Josef II. * 13. 3. 1741 Wien, † 20. 2. 1790 Wien. Seine Reformen haben tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen zur Folge, werden aber zum Teil zurückgenommen.

      Zu Kaiser Josef II. sagt sie bei einer der letzten Begegnungen: »Geliebter Sohn, ihm kann ich nichts geben, denn alles gehört sowieso ihm. Gern, recht gern, trete ich Ihnen Krone und Zepter ab, doch verlasse ich auch Kinder. Seien Sie ihnen Vater, wie ich ihnen Mutter war und lieben Sie Ihre Geschwister mit gleicher Zärtlichkeit, wie ich sie in meinem Leben geliebt habe. Dann wird mir das Scheiden leichter.«

      Mehrere ihrer Kinder sind anwesend, als Maria Theresia im Alter von 63 Jahren für immer die Augen schließt. Ein Schicksalsschlag ist der Kaiserin erspart geblieben: Ihre Tochter Marie Antoinette, die Frau König Ludwigs XVI., wird 1793 im Zuge der Französischen Revolution am Schafott hingerichtet – knapp dreizehn Jahre nach Maria Theresias Tod.

      ARCHITEKT AUF ABWEGEN

       Adolf Loos und die kleinen Mädchen, 4. September 1928

      Adolf Loos * 10. 12. 1870 Brünn, † 23. 8. 1933 Wien. Architekt, Wegbereiter der modernen Architektur.

      Er zählt zu den bedeutendsten Architekten des 20. Jahrhunderts. Adolf Loos ließ Jugendstil und Sezession hinter sich und ging völlig neue Wege, als er Häuser ohne Ornamente baute. Zwei Mal stand er im Mittelpunkt großer Skandale, die unter reger Teilnahme der Öffentlichkeit ausgetragen wurden: 1910 wurde sein »Loos-Haus« in der Wiener Innenstadt wegen der schmucklosen Fassade heftig kritisiert. Gegenüber der Hofburg gelegen, soll Kaiser Franz Joseph sich geweigert haben, von seinen Fenstern aus je wieder einen Blick auf den Michaelerplatz zu werfen. Heute gilt Loos als Wegbereiter der Moderne in der Architektur.

      Der zweite Skandal war wesentlich schwerwiegender. Adolf Loos wurde am 4. September 1928 in seiner Wohnung in Wien I., Bösendorferstraße 3 verhaftet. Dem 58-jährigen Architekten – der zu diesem Zeitpunkt bereits fast vollständig taub war – wurde vorgeworfen, sich an unmündigen Kindern unsittlich vergangen zu haben. »Wohl keine Verhaftung hat in letzter Zeit derartiges Aufsehen erregt wie die des viel umstrittenen Architekten Adolf Loos, der unter der schweren Beschuldigung, das Verbrechen der Schändung begangen zu haben, gestern dem Landesgerichte eingeliefert worden ist«, berichtete die Wiener Allgemeine Zeitung.

      Seine zweite Frau, die Tänzerin Elsie Altmann-Loos, schrieb in ihren Memoiren, wie sie von den schweren Vorwürfen erfahren hatte: »Eines Tages kam Mitzi (die Wirtschafterin von Adolf Loos, Anm.) um 7 Uhr früh zu mir. Sie war totenbleich. Man hatte Loos verhaftet.«

      Begonnen hatte laut Wiener Allgemeiner Zeitung alles damit, dass Loos einen pensionierten Briefträger fragte, der sich eine Zubuße durch Modellstehen in der Akademie der Bildenden Künste verdiente, ob er nicht kleine Mädchen wüsste, die ihm für Zeichnungen Akt stehen wollten. Der »Postunterbeamte i. R.« sah in der Frage nichts Bedenkliches und brachte seine zehnjährige Tochter zu Loos. Bei den ersten Sitzungen war der Vater anwesend, wobei ihm nie etwas »Verdächtiges« auffiel.

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      Adolf Loos konnte sich nur mithilfe komplizierter Hörgeräte verständigen.

      Als das Mädchen dann allein zu Loos kam, fragte dieser das Kind, ob es unter seinen Freundinnen nicht weitere Mädchen wüsste, die zu ihm kommen wollten.

      Die Tochter des Briefträgers brachte zu den nächsten Sitzungen ihre siebenjährige Schwester und zwei etwa gleichaltrige Freundinnen mit, Töchter einer in der Nachbarschaft wohnenden Arbeiterfamilie. Loos zahlte zwei Schilling pro Stunde des Aktsitzens – für die ärmlichen Familien, aus denen die Mädchen kamen, ein kleines Vermögen. Laut ihren späteren Angaben zogen sich die Kinder nackt aus, nahmen ein Bad und Loos zeichnete sie. An den beiden Töchtern des Postbeamten soll er sich vergangen haben, die beiden anderen Mädchen hat Loos laut deren Aussagen nur gezeichnet.

      Als erste Verdachtsmomente auftauchten, verfügte die Staatsanwaltschaft die Verhaftung des Architekten. Loos gab vor dem Untersuchungsrichter zu, dass sich die Kinder in seiner Anwesenheit entkleidet und gebadet hätten und ihm zu Aktzeichnungen, die er für bauliche Arbeiten verwenden wollte, Modell standen. Die Beschuldigungen der Kinder bezeichnete er als lügenhafte Entstellungen. Allerdings wurde in diesen Tagen bekannt, dass Loos schon im August 1928 vom Vater eines neunjährigen Mädchens angezeigt worden war, dem er im Prater Geld geschenkt hätte.

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