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Zu­cker und Li­kö­re an­bie­ten, die über­mä­ßi­gen Es­sern eine wi­der­stre­ben­de Ver­dau­ung er­leich­tern. Bald je­doch er­scholl Ge­läch­ter, das Mur­meln schwoll an, die Stim­men er­ho­ben sich. Die für einen Au­gen­blick ge­zähm­te Or­gie droh­te hie und da wie­der los­zu­bre­chen. In die­sem Wech­sel von Stil­le und Lärm lag eine ent­fern­te Ähn­lich­keit mit ei­ner Sym­pho­nie von Beetho­ven.

      »Wie heißt du?« frag­te Ra­pha­el sie.

      »Aqui­li­na.«

      »Ja«, er­wi­der­te sie. »Wie sich die Päps­te neue Na­men ge­ben, wenn sie sich über die Men­schen er­he­ben, habe ich einen an­de­ren an­ge­nom­men, als ich mich über alle Frau­en er­hob.«

      »Hast du denn, wie dei­ne Schutz­pa­tro­nin, einen ed­len und schreck­li­chen Ver­schwö­rer, der dich liebt und für dich zu ster­ben be­reit ist?« frag­te Émi­le leb­haft, den die­ser An­schein von Poe­sie wie­der auf­rüt­tel­te. »Ich hat­te ihn«, ant­wor­te­te sie; »aber die Guil­lo­ti­ne ist mei­ne Ri­va­lin ge­we­sen. Da­rum tra­ge ich auch im­mer et­was Ro­tes in mei­nem Putz, da­mit mei­ne Freu­de nie zu weit geht.«

      Die­se Sät­ze wur­den von ei­ner sanf­ten, me­lo­di­schen Stim­me ge­spro­chen, die dem un­schul­digs­ten, hüb­sche­s­ten, nied­lichs­ten klei­nen Ge­schöpf ge­hör­te, das je un­ter dem Zau­ber­stab ei­ner Fee aus ei­nem Zau­ber-Ei ge­schlüpft ist. Sie war laut­los her­an­ge­kom­men und zeig­te ein fei­nes Ge­sicht, eine zar­te Ge­stalt, blaue Au­gen von ent­zücken­der Sitt­sam­keit, eine fri­sche, rei­ne Stirn. Eine kind­li­che Na­ja­de, die aus ih­rer Quel­le taucht, ist nicht schüch­ter­ner, wei­ßer, un­schul­di­ger als die­ses jun­ge Mäd­chen, das sech­zehn Jah­re alt, von Leid und von Lie­be nichts zu wis­sen, von den Stür­men des Le­bens ver­schont zu sein und ge­ra­de eben aus ei­ner Kir­che zu kom­men schi­en, wo sie die En­gel an­ge­fleht hat­te, sie vor der Zeit zu sich in den Him­mel zu ru­fen. Nur in Pa­ris fin­det man die­se Ge­schöp­fe mit dem un­schulds­vol­len Ant­litz, die un­ter ei­ner Stirn, so hold und lieb­lich wie ein Gän­se­blüm­chen, die tiefs­te Ver­derbt­heit, die raf­fi­nier­tes­ten Las­ter ver­ber­gen. Von den himm­li­schen Ver­hei­ßun­gen in den lieb­li­chen Zü­gen des jun­gen Mäd­chens an­fäng­lich ge­täuscht, nah­men Émi­le und Ra­pha­el den Kaf­fee, den sie ih­nen in die von Aqui­li­na ge­reich­ten Tas­sen ein­schenk­te, und be­gan­nen sie aus­zu­fra­gen. In den Au­gen der bei­den Dich­ter ver­voll­stän­dig­te sie gleich­sam durch eine un­heim­li­che Al­le­go­rie das Bild ei­ner ge­wis­sen Sei­te des mensch­li­chen Le­bens, in­dem sie dem wil­den, lei­den­schaft­li­chen Aus­druck ih­rer im­po­san­ten Ge­fähr­tin die­se kal­te, wol­lüs­ti­ge, grau­sa­me Ver­dor­ben­heit ge­gen­über­stell­te, die leicht­fer­tig ge­nug ist, ein Ver­bre­chen zu be­ge­hen, stark ge­nug, sich la­chend dar­über hin­weg­zu­set­zen; ein Dä­mon ohne Herz, der rei­che zärt­li­che See­len da­für be­straft, daß sie Emp­fin­dun­gen ha­ben, de­ren er un­fä­hig ist, der im­mer eine Lie­bes­gri­mas­se zu ver­kau­fen hat, Trä­nen für den Lei­chen­zug sei­nes Op­fers und Ju­bel, wenn er am Abend des­sen Te­sta­ment liest. Ein Dich­ter hät­te die schö­ne Aqui­li­na be­wun­dern kön­nen; aber die rüh­ren­de Eu­phra­sie

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