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Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac
Читать онлайн.Название Honoré de Balzac – Gesammelte Werke
Год выпуска 0
isbn 9783962815226
Автор произведения Honore de Balzac
Жанр Языкознание
Серия Gesammelte Werke bei Null Papier
Издательство Bookwire
Nach der unaussprechlichen Erregung, die ihm die Rückkehr zur Börse verursacht hatte, sollte dieser Held der kaufmännischen Redlichkeit noch die Überraschung ertragen, die ihn in der Rue Saint-Honoré erwartete. Als er sein altes Haus betrat und am Fuße der Treppe, die unberührt geblieben war, seine Frau in ihrem kirschroten Sammetkleide, Cäsarine, den Grafen von Fontaine, den Vicomte von Vandenesse, den Baron von La Billardière, den berühmten Vauquelin erblickte, da breitete sich ein leichter Schleier über seine Augen, und der Onkel Pillerault, der ihm den Arm reichte, fühlte, wie er erzitterte.
»Das ist zu viel,« sagte der Philosoph zu dem verliebten Anselm, »er wird soviel Wein, wie du ihm einschenkst, nicht vertragen können.«
Die Freude war eine so allgemeine, daß alle die Erregung Cäsars und sein Schweigen der natürlichen Freudetrunkenheit zuschrieben, die aber nicht selten tödlich werden kann. Als er sich in seinem alten Heim wiederfand, als er den Salon, die Gäste, die festlich in Balltoilette erschienenen Damen wiedersah, da rauschte plötzlich das heroische Schlußmotiv der großen Beethovenschen Symphonie ihm durch Kopf und Herz. Die himmlische Musik ertönte mit ihrem strahlenden Glanze, jubelte in allen Übergängen und ließ ihre Trompetenklänge in allen Windungen dieses übermüdeten Gehirns widerhallen, für das sie das große Finale bedeuten sollte.
Überwältigt von diesem inneren Musikrauschen, faßte er den Arm seiner Frau und sagte leise mit von einem zurückgehaltenen Blutstrom erstickter Stimme: »Mir ist nicht wohl!«
Die erschreckte Konstanze führte ihren Mann in ihr Zimmer, bis zu dem er mühsam gelangte; hier sank er in einen Sessel und sagte:
»Herrn Haudry, Herrn Loraux!«
Der Abbé Loraux erschien, gefolgt von den Gästen und den Damen in Balltoilette, die alle stehen blieben und eine entsetzte Gruppe bildeten. Angesichts dieser Festgesellschaft drückte Cäsar seinem Beichtvater die Hand und neigte das Haupt auf die Brust seiner vor ihm knienden Frau. Ein Gefäß war ihm in der Brust gesprungen und eine Aortageschwulst erstickte sein letztes Atmen.
»Hier stirbt ein Gerechter«, sagte der Abbé Loraux in ernstem Tone und wies auf Cäsar mit jener göttlichen Gebärde hin, wie sie Rembrandt auf seinem Gemälde »Die Auferweckung des Lazarus durch Christus« wiederzugeben vermocht hat. Jesus heißt hier die Erde, ihre Beute zurückgeben, der fromme Priester zeigte dem Himmel einen Märtyrer der kaufmännischen Redlichkeit, damit er ihn mit der ewigen Palme kröne.
Widmung
Sterne (Tristam Shandy, Kap. CCCXXII)1
Für Monsieur Savary2 Mitglied der Akademie der Wissenschaften
1 Sterne, Lawrence (1713-1768): englischer Schriftsteller, berühmt durch seinen Roman »Das Leben und die Ansichten Tristram Shandys« (1759), aus dem Balzac in leicht veränderter Form die Titelvignette entlehnte. Bei Sterne stellt sie die Bewegung eines Stockes dar, mit der Korporal Trim seine ablehnende Haltung zur Ehe bekräftigt <<<
2 Savary, Felix (1797-1841): französischer Astronom <<<
Der Talisman
Gegen Ende Oktober 1829 trat ein junger Mann in das Palais-Royal,1 als die Spielhäuser, wie es das Gesetz vorschreibt, das eine hohen Steuern unterliegende Leidenschaft schützt, gerade öffneten. Ohne lange zu zögern, stieg er die Treppe zum Spielsaal hinauf, der die Nummer 36 trug.
»Ihren Hut bitte, Monsieur!« rief ihm mit trockener, mürrischer Stimme ein kleiner, alter Mann zu, der zusammengeduckt hinter einem Verschlag im Halbdunkel saß und, als er sich unvermittelt erhob, ein fahles, abstoßendes Gesicht zeigte.
Betritt man ein Spielhaus, dann nimmt einem das Gesetz zuerst einmal den Hut. Ist das ein symbolisches Vorzeichen, ein Akt der Vorsehung? Oder ist es nicht vielmehr eine Art Teufelspakt, der einen Pfand abfordert? Will man den Spieler vielleicht auf diese Weise nötigen, Ehrerbietung denjenigen gegenüber zu wahren, die ihm sein Geld abknöpfen wollen? Oder hat die Polizei, die ihre Nase in jeden schmutzigen Winkel der Gesellschaft steckt, gar ein Interesse daran, den Namen seines Hutmachers oder seinen eigenen zu erfahren, falls er ihn in sein Hutfutter geschrieben hat? Oder ob man etwa dem Schädel Maß nehmen will, um eine lehrreiche Statistik über die Größe der Spielerhirne aufzustellen? Über diesen Punkt hüllt sich die Verwaltung in tiefstes Schweigen. Aber eines muß der Spieler wissen: Sowie er den ersten Schritt zum grünen Tisch getan hat, gehört ihm sein Hut ebensowenig, als er sich selber gehört. Er ist dem Spiel verfallen, er, seine Habe, sein Hut, sein Stock und sein Mantel. Verläßt er schließlich den Saal, demonstriert das Spielhaus wie mit einem Zeichen beißenden Hohnes, daß es ihm wenigstens etwas läßt: den Hut. Sollte er jedoch einen neuen Hut besitzen, wird er aus seinem Schaden lernen, daß es ratsam ist, sich eine spezielle Kleidung fürs Spiel zuzulegen.
Das Erstaunen des jungen Mannes, als er für seinen Hut, dessen Ränder zum Glück schon leicht abgegriffen waren, eine numerierte Marke erhielt, zeugte deutlich genug von einer noch unverdorbenen Seele, daher sandte ihm auch der kleine Alte, den der Fieberrausch des Spielerlebens von Jugend an verzehrt zu haben schien, einen trüben teilnahmslosen Blick, aus dem ein Philosoph das Elend der Spitäler, das unstete Dasein der Gescheiterten, Protokolle unzähliger Selbstmorde, lebenslänglicher Zwangsarbeit oder Verbannungen an den Coatzacoalco2 hätte herauslesen können. Dieser Mann, dessen längliches weißes