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des zum Tode Ent­schlos­se­nen ver­lieh sei­ner Stirn eine mat­te, krank­haf­te Bläs­se; ein bit­te­res Lä­cheln zog lei­se Fal­ten in sei­ne Mund­win­kel, und der An­blick der tie­fen Hoff­nungs­lo­sig­keit, die sei­ne Züge aus­drück­ten, war kaum zu er­tra­gen. Ein ver­bor­ge­nes Ge­nie fla­cker­te im tiefs­ten In­ne­ren sei­ner um­flor­ten Au­gen, die viel­leicht von Ver­gnü­gun­gen er­mat­tet wa­ren. Hat­te die Aus­schwei­fung ihr schmut­zi­ges Sie­gel auf die­ses edle, ehe­mals rei­ne und leuch­ten­de, jetzt ent­wür­dig­te Ant­litz ge­drückt? Die Ärz­te hät­ten die gel­ben Rin­ge um die Au­gen und die Röte auf den Wan­gen zwei­fel­los ei­ner Krank­heit der Lun­ge oder des Her­zens zu­ge­schrie­ben, wäh­rend die Dich­ter Zei­chen Kräf­te ver­schlei­ßen­den geis­ti­gen Rin­gens, die Spu­ren nächt­li­chen Stu­di­ums beim kärg­li­chen Schein ei­ner Lam­pe dar­in ge­se­hen hät­ten. Aber eine Lei­den­schaft, töd­li­cher als Krank­heit, eine Krank­heit er­bar­mungs­lo­ser als Stu­di­um und Ge­nie, ver­heer­te die­ses jun­ge Ge­sicht, ver­krampf­te die­se be­weg­li­chen Mus­keln, preß­te die­ses Herz zu­sam­men, das Wol­lust, Stu­di­um und Krank­heit nur leicht ge­streift hat­ten. So wie im Ba­gno9 ein be­rühm­ter Ver­bre­cher bei sei­ner Ein­lie­fe­rung von al­len Sträf­lin­gen re­spekt­voll emp­fan­gen wird, so grüß­ten die­se mensch­li­chen Dä­mo­nen, die­se in al­len Fol­ter­qua­len Er­fah­re­nen einen un­er­hör­ten Schmerz, eine tie­fe Wun­de, die ihr Blick zu er­grün­den such­te, und er­kann­ten in ihm an der Ma­je­stät sei­ner stum­men Ver­ach­tung, der ele­gan­ten Kläg­lich­keit sei­ner Klei­dung einen ih­rer Fürs­ten. Der jun­ge Mann trug wohl einen Frack von gu­ter Fas­son, aber die Ver­bin­dung sei­ner Wes­te mit der Kra­wat­te war zu kunst­voll her­ge­stellt, als daß man dar­un­ter ein Hemd ver­mu­ten konn­te. Sei­ne Hän­de, hübsch wie die ei­ner Frau, wa­ren von zwei­fel­haf­ter Sau­ber­keit; seit zwei Ta­gen hat­te er kei­ne Hand­schu­he mehr ge­tra­gen. Wenn selbst den Crou­pier und die Saal­die­ner ein Schau­der über­flog, so weil über den fein­ge­schnit­te­nen Zü­gen, den na­tür­lich ge­well­ten dün­nen, blon­den Haa­ren noch ein Hauch von Un­schuld lag. Dies Ge­sicht war noch fünf­und­zwan­zig Jah­re jung, und das Las­ter schi­en dar­auf nur ein Zu­fall zu sein. Die Le­bens­kraft der Ju­gend kämpf­te dar­in noch an ge­gen die Ver­hee­run­gen un­ter­drück­ter Be­gier­den. Licht und Fins­ter­nis, Sein und Nichts strit­ten ge­gen­ein­an­der und zeug­ten An­mut und Grau­en zu­gleich. Der jun­ge Mann er­schi­en in die­ser Run­de wie ein En­gel ohne Strah­len­schein, der vom rech­ten Wege ab­ge­kom­men war. Und wie ein al­tes zahn­lo­ses Weib vom Mit­leid er­grif­fen wird, wenn es sieht, wie sich ein schö­nes jun­ges Mäd­chen dem Ver­der­ben preis­gibt, so wa­ren alle die­se Wür­den­trä­ger des Las­ters und der Schan­de nahe dar­an, dem Neu­ling zu­zu­ru­fen: »Flieh von hier!« Je­ner aber schritt ge­ra­de­wegs auf den Tisch zu, blieb ste­hen und warf auf gut Glück ein Gold­stück, das er in der Hand hielt, auf den Tisch. Es roll­te auf Schwarz; zu­gleich rich­te­te er, wie star­ke Na­tu­ren, die die quä­len­de Un­ge­wiß­heit ver­ab­scheu­en, einen un­ge­stü­men, wie­wohl ge­faß­ten Blick auf den Crou­pier. Das In­ter­es­se an die­sem Ein­satz war so groß, daß kei­ner der Al­ten setz­te; aber der Ita­lie­ner folg­te mit der Be­ses­sen­heit der Lei­den­schaft ei­nem Ge­dan­ken, der ihm ge­ra­de ge­lä­chelt hat­te, und setz­te sein gan­zes Gold ge­gen das Spiel des Un­be­kann­ten. Der Bank­hal­ter ver­gaß sei­ne ste­reo­ty­pen Wen­dun­gen zu ru­fen, die mit der Zeit hei­ser und un­ver­ständ­lich ge­wor­den sind: »Fai­tes le jeu! – Le jeu est fait! – Rien ne va plus.« Er brei­te­te die Kar­ten aus und schi­en dem Zu­letzt­ge­kom­me­nen Glück zu wün­schen, gleich­gül­tig, ob den Ver­an­stal­tern die­ses fins­tern Ver­gnü­gens Ge­winn oder Ver­lust dar­aus ent­stün­de. Je­der der Zuschau­er woll­te in dem Schick­sal die­ses Gold­stücks ein Dra­ma, die Schluß­sze­ne ei­nes ed­len Le­bens se­hen; ihre Au­gen, auf die ver­häng­nis­vol­len Kar­ten ge­hef­tet, fun­kel­ten; aber trotz der Auf­merk­sam­keit, mit der sie ab­wech­selnd den jun­gen Mann und die Kar­ten be­trach­te­ten, konn­ten sie auf sei­nem kal­ten und ge­faß­ten Ant­litz kein Zei­chen der Er­re­gung wahr­neh­men.

      »Rou­ge, pair, pas­se«, ver­kün­de­te der Crou­pier im Amt­ston.

      »Das war ge­wiß sei­ne letz­te Pa­tro­ne«, sag­te lä­chelnd der Crou­pier nach ei­nem Au­gen­blick des Schwei­gens, in wel­chem er die­ses Gold­stück zwi­schen Dau­men und Zei­ge­fin­ger hoch­ge­hal­ten hat­te, um es den An­we­sen­den zu zei­gen. »Der ist so über­spannt, daß er sich ins Was­ser stür­zen wird«, sag­te ein Ge­wohn­heits­s­pie­ler mit ei­nem Blick auf die an­dern, die ein­an­der alle kann­ten.

      »Ach was!« rief der Saal­die­ner und nahm eine Pri­se Ta­bak.

      »Hät­ten wir es nur ge­macht wie der Mon­sieur dort!« sag­te ei­ner von den Grei­sen zu sei­nen Kol­le­gen und deu­te­te auf den Ita­lie­ner.

      Alle sa­hen auf den glück­li­chen Ge­win­ner, des­sen Hän­de beim Zäh­len der Bank­no­ten zit­ter­ten.

      »Ich habe eine Stim­me ge­hört, die mir ins Ohr rief, das Spiel wer­de ge­gen die Verzweif­lung die­ses jun­gen Man­nes recht be­hal­ten«, sag­te er.

      »Das war kein Spie­ler«, mein­te der Bank­hal­ter, »sonst hät­te er sein Geld in drei Tei­le ge­teilt, um bes­se­re Ge­winn­chan­cen zu ha­ben.«

      Et­was Gro­ßes und Ent­setz­li­ches

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