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ausgehalten.

      »Das ist nicht wahr!«, stöhnte Jenny und wandte sich zum Gehen.

      Um ein Haar hätte sie Schwester Elena umgerannt, die in diesem Moment mit dem Frühstück hereinkam. Jenny stutze kurz, ehe sie an der verdutzten Mitarbeiterin vorbei aus dem Zimmer flüchtete.

      »Chefin, Ihr Frühstück!«, rief Elena ihr noch nach.

      Aber Jenny Behnisch antwortete nicht. Sie konnte nicht. Denn dann hätte jeder das Zittern in ihrer Stimme bemerkt.

      *

      »Roman! Wie schön, dass du unserer Einladung gefolgt bist!« Freudig begrüßte Fee Norden den Architekten und umarmte ihn. Dabei warf sie einen Blick über seine Schulter. »Aber wo hast du denn Jenny gelassen?«

      »Sie hat es vorgezogen, in der Klinik zu bleiben«, erwiderte Roman und reichte Felicitas die Tüte mit den Brötchen, die er bereits am frühen Morgen in Tatjanas Bäckerei erstanden hatte.

      »Aber heute ist Samstag«, bemerkte Fee, während sie ihren Gast ins Esszimmer führte und ihm einen Platz am üppig gedeckten Tisch anbot. »Normalerweise arbeitet sie doch am Wochenende nicht.«

      »Mal abgesehen davon, dass ihr doch eigentlich im Gartenhotel Alpenblick wärt.« Auch Dr. Norden hatte den Gast begrüßt und schenkte ihm Kaffee ein. »Dafür hatte sie doch auch Zeit.«

      Roman dankte Daniel und rührte in der Tasse, in die er zuvor Milch und Zucker gegeben hatte. Erst als er einen Schluck getrunken hatte, antwortete er:

      »Das dachte ich eigentlich auch. Deshalb wollte ich sie gleich heute früh aus der Klinik holen und mit zu euch bringen.« Die Enttäuschung ließ seine Stimme bitter klingen, und er seufzte tief. »Sie hat rundweg abgelehnt mit der Begründung, dass ihr Schreibtisch demnächst zusammenbrechen würde.«

      Fee und Daniel tauschten betroffene Blicke.

      »Was ist nur plötzlich in sie gefahren?«, fragte die Ärztin.

      Sie wusste, dass Jenny ein ausgesprochen unabhängiger, wenn nicht gar beziehungsscheuer Mensch war.

      Ihre Ehe mit Dieter Behnisch war weniger von liebevoller Nähe denn von der Begeisterung für die gemeinsame Arbeit geprägt gewesen, sodass diese Eigenart in diesen Jahren in den Hintergrund getreten war. Nach Dieters Tod hatte sie lange Jahre allein gearbeitet und gelebt, bis schließlich Roman Kürschner in ihr Leben getreten war. Bis jetzt hatte Fee an den Sieg der Liebe über Jennys Angst vor Nähe geglaubt. Doch nach und nach wurde klar, dass es nur Romans geduldiger, zurückhaltender Art zu verdanken war, dass sie nicht längst die Flucht ergriffen hatte.

      »Was ist zwischen euch geschehen, dass sie plötzlich so abweisend ist?«, schien Daniel dieselben Gedanken wie seine Frau gehabt zu haben.

      Ratlos zuckte Roman mit den Schultern.

      »Ich bin mir nicht sicher. Irgendwann habe ich festgestellt, dass Jenny kaum noch Zeit für uns hat. Meine Bitte, uns und unsere Beziehung doch wichtiger zu nehmen, hat sie offenbar völlig in den falschen Hals bekommen und sich noch mehr zurückgezogen.« Roman saß am Tisch und starrte blicklos auf seinen leeren Teller. »Und seit ihre Cousine aufgetaucht ist, ist es ganz aus. Heute in der Klinik hat sie mich abgekanzelt wie einen Schuljungen.«

      Fee hatte eines von Tatjanas knusprigen Croissants in der Mitte auseinander gebrochen und eine Hälfte mit Butter und Marmelade bestrichen. Doch das Thema war so brisant, dass sie ganz vergaß zu essen.

      »Ich hatte so gehofft, dass ihr gemeinsam in das Hotel zurückfahrt und den Rest des Wochenendes dort verbringt.«

      Roman schnitt eine Grimasse.

      »Stell dir vor, das hatte ich auch im Sinn.« Er seufzte und hob die Tasse wieder an die Lippen. Der heiße Kaffee wirkte belebend und gab ihm wenigstens ein bisschen neue Energie. Die brauchte er dringend, um seinen Entschluss in die Tat umzusetzen. »Ehrlich gesagt bin ich gekommen, um mich von euch zu verabschieden. Ich werde eine Weile allein verreisen, um darüber nachzudenken, wie es mit Jen und mir weitergehen soll. Ob es überhaupt weitergehen soll.«

      Während Fee und Daniel sich noch betroffen ansahen, leerte er seine Tasse und stand auf.

      »O Roman, gibt es irgendwas, was wir tun können?«, rief Felicitas und eilte ihm nach, als er das Esszimmer mit gesenktem Kopf verlassen wollte.

      An der Tür angekommen, blieb er noch einmal stehen und drehte sich um.

      »Wenn ich das wüsste, hätte ich euch längst darum gebeten«, gestand er offen. »Aber ich glaube, ich muss selbst herausfinden, ob ich so weiterleben kann und will.« Er legte die Hand kurz auf Fees Arm und nickte Daniel, der noch am Tisch saß, dankbar zu.

      Dann wandte er sich endgültig ab. Als die Haustür mit einem leisen Klacken hinter ihm ins Schloss fiel, wischte sich Fee eine Träne aus dem Augenwinkel. Dann kehrte sie an den Frühstückstisch zurück. Sie setzte sich, griff nach Daniels Hand und drückte sie fest. Um nichts auf der Welt hätte diese Hand, die sie schon so viele Jahre lang hielt und stützte, losgelassen, und sie verstand Jenny nicht, die offenbar nicht wusste, welch kostbares Gut sie gedankenlos fortwarf.

      *

      »Ich wünsche den Damen einen herrlichen Resttag!« Niemand anderer als Mario Cornelius wirbelte am frühen Montagnachmittag durch den Aufenthaltsraum, in dem sich Lernschwester Carina gerade mit einer Kollegin eine kleine Pause gönnte. Verdutzt blickten die beiden von ihren Kaffeetassen und Kuchentellern auf und sahen dem Kinderarzt dabei zu, wie er eine Aster aus dem bunten Herbststrauß in der Vase zupfte, die auf dem Tisch stand. »Und machen Sie nicht so lange. Arbeit ist nicht alles im Leben!« Er zwinkerte den beiden zu und verschwand dann so schnell wieder, wie er gekommen war.

      »Was ist denn mit dem Chef heute los?«, fragte Schwester Tamara verdutzt. »Hat er im Lotto gewonnen?«

      Obwohl sie schon mehr als ein Jahr an der Behnisch-Klinik arbeitete, hatte sie Mario noch nie so ausgelassen gesehen.

      Im Gegensatz zu ihrer Kollegin wusste Carina genau Bescheid, woher die gute Laune des attraktiven Arztes rührte.

      »Er ist verliebt!«, erklärte sie düster und leerte ihre Tasse in einem Zug.

      Tamara, der der heiße Flirt zwischen den beiden nicht entgangen war, sah verwundert zu Carina hinüber.

      »In dich? Ist mir da was entgangen?«

      Ein grimmiges Lächeln huschte über das sonst so hübsche Gesicht der jungen Lernschwester. Sie wusste, dass sie sich den Weg zu Marios Herzen mit ihren Spielchen selbst verbaut hatte. Trotzdem beschloss sie in diesem Augenblick, den bereits geschmiedeten Plan in die Tat umzusetzen. Ein kurzer Blick auf die Uhr sagte ihr, dass der Zeitpunkt günstig war. Vorausgesetzt natürlich, Tamara spielte mit.

      »Nein, im Augenblick nicht in mich«, erklärte sie und stand auf, um ihre Kaffeetasse zur Spüle zu bringen. »Aber das wird sich demnächst ändern«, verkündete sie mit einem siegessicheren Lächeln, das keine Fragen offen ließ. »Dazu brauch ich allerdings deine Hilfe.«

      »Meine?« Verwundert sah Tamara ihre junge Kollegin an. »Was könnte ich da tun?«

      Carina kehrte an den Tisch zurück und stützte sich neben Tamara auf. Sie beugte sich vor und musterte ihre Kollegin mit dem süßesten Lächeln, das sie auf Lager hatte.

      »Kannst du heute meine letzte Stunde übernehmen?«, fragte sie schmelzend.

      Doch es schien nichts zu nützen, denn bedauernd schüttelte Tamara den Kopf. »Tut mir leid, aber heute geht’s nicht. Ich hab meiner Mutter versprochen, mit ihr zum Einkaufen zu fahren.«

      Augenblicklich zog Carina eine Schnute.

      »Ach, komm schon, das könnt ihr doch auch noch eine Stunde später machen. Außerdem hab ich gesehen, dass du ab morgen Früh- und ich Spätdienst hab. Ich komme früher zum Dienst, damit du eher gehen kannst«, bot sie in ihrer Verzweiflung an.

      Tamaras Augen wurden schmal vor Argwohn. Was führte Carina im Schilde, das so wichtig war, dass sie freiwillig

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