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sich auf den Rücken gelegt und die Arme hinter dem Kopf verschränkt.

      »Was willst du mir damit sagen?«, fragte er barsch. »Dass du eigentlich keine Zeit für eine Beziehung hast?«

      Seine Uneinsichtigkeit reizte Marianne.

      »Weißt du was: Vielleicht bin ich doch zu alt für dich«, wusste sie auf einmal, woher ihre Angst rührte. »Vielleicht kommst du nicht zurecht mit einer eigenständigen Frau, die weiß, wer sie ist und was sie will. So ein junges Ding wie diese Carina ist da sicherlich noch flexibler«, fügte sie bissig hinzu und ärgerte sich sofort über sich selbst.

      Ruckartig setzte sich Mario im Bett auf und starrte auf Marianne hinunter.

      »Das ist jetzt nicht dein Ernst, oder?«, fragte er ungläubig, als er endlich verstand, um was es eigentlich ging. »Du bist doch nicht etwa eifersüchtig auf dieses junge Mädel? Oder hast du Angst, dich auf mich einzulassen, weil ich jünger bin als du? Weil ich dich wegen einer Jüngeren verlassen könnte?« Mit diesen Vermutungen traf er unvermutet den Nagel auf den Kopf.

      Marianne biss sich auf die Lippe.

      »Daran liegt’s wahrscheinlich«, gab sie kleinlaut zu. Dabei kannte sie sich nicht wieder. Durch den viel zu frühen Tod ihres Mannes vor einiger Zeit war sie sehr selbständig geworden und kam mit ihrem Leben gut zurecht. Umso mehr wunderte sie sich jetzt vor ihrer Angst, wieder allein zu sein. »Mein Herz hat eben erst verkraftet, eine große Liebe verloren zu haben. Oft hält es das nicht mehr aus«, gestand sie leise und wagte es nicht, Mario anzusehen. »Nicht, dass ich jetzt schon von großer Liebe sprechen könnte. Da­zu kennen wir uns ja noch viel zu wenig. Aber überhaupt dieses Wagnis einzugehen …« Hilflos hielt sie inne und stellte erleichtert fest, dass ein zärtliches Lächeln um Marios Lippen spielte.

      »Liebe birgt immer das Risiko, verletzt zu werden.«

      »Ich weiß«, erwiderte Marianne. »Aber ich weiß nicht, ob das Risiko mit dir nicht ungleich höher ist als mit einem älteren Mann«, gestand sie offen.

      »Wir wär’s damit, mir eine Chance zu geben?«, bot Mario mangels einer anderen Idee an und zwinkerte ihr schelmisch zu. »Das tue ich umgekehrt ja auch. Und ich könnte auch die Angst haben, dass du mich wegen eines älteren, reiferen Mannes verlässt.«

      Unvermittelt musste Marianne lachen. Dieser Gedanke erschien ihr geradezu absurd, doch das sagte sie Mario nicht.

      »Wenn du mir verrätst, was du dir von mir und unserer Beziehung erhoffst, kann ich ja mal drüber nachdenken«, bat sie stattdessen.

      Ihr gereizter Ton war verschwunden und Mario fürs Erste beruhigt. Schon ärgerte er sich fast darüber, so schnell vorgeprescht zu sein und sie damit unter Druck gesetzt zu haben. Die jahrelange vergebliche Suche nach einer passenden Frau hatte ihn mürbe und überempfindlich und womöglich ein wenig ungeduldig gemacht.

      »Ich wünsche mir, endlich irgendwo anzukommen«, gestand er nach kurzem Zögern offen. »Weißt du, als ich jung war, dachte ich, dass es einfach ist, eine Frau zu finden. Ich war kein Kind von Traurigkeit und habe nicht viel ausgelassen. Nur glücklich bin ich dabei nicht geworden.«

      »Ich weiß, ich kenne dieses Gefühl«, gestand Marianne und musste wieder an ihren Mann denken. »Nach dem Tod von Tobias‘ Vater habe ich einige Männer getroffen. Ich hatte das Alleinsein satt und sehnte mich nach einer Schulter zum Anlehnen«, öffnete auch sie Mario ihr Herz. »Dummerweise musste ich feststellen, dass sich meine Ansprüche geändert haben. Dass ich nicht mehr bereit bin, alles in Kauf zu nehmen, nur um nicht allein zu sein. Inzwischen grenzt es für mich an ein Wunder, einen Menschen auf meiner Wellenlänge zu finden. Und mich auch noch in ihn verlieben zu können.«

      Während Mario schweigend gelauscht hatte, wurde das Lächeln auf seinem Gesicht tiefer.

      »Dann bedeutet das wohl, dass ich ein echter Glückspilz bin«, zog er den einzig möglichen Schluss aus ihren Worten.

      »Oder ich«, lächelte Marianne, froh darüber, dass sich die Verstimmung in Wohlgefallen aufgelöst hatte. »Trotzdem würde ich es gern langsam angehen lassen. In Ruhe wachsen lassen, was wachsen soll«, kehrte sie zum Ausgangspunkt ihres Gesprächs zurück.

      »Ich werde sehen, was ich tun kann!«, versprach Mario, als ein energisches Klopfen an der Schlafzimmertür der himmlischen Ruhe ein Ende bereitete.

      »Wenn ihr vor der Arbeit noch Frühstück haben wollt, solltet ihr langsam aufstehen, ihr Schlafmützen«, rief Mariannes Sohn Tobias mit deutlichem Lachen in der Stimme. Nie zuvor hatte er seine Mutter an eine Mahlzeit erinnern müssen, und besonders das gemeinsame Frühstück war ihr heilig. »Oder soll ich euch eine Entschuldigung für die Arbeit schreiben? Ich bin ja jetzt volljährig.«

      »Nicht nötig, danke!«, grinste Mario und schob Marianne nach einem letzten Kuss bedauernd von sich.

      Spätestens jetzt wusste er, dass eine Beziehung mit einer reifen Frau anders war als die mit einem jungen Mädchen, das noch ganz am Anfang ihres Lebens stand. Doch er wollte diese Herausforderung annehmen. Nach diesem Gespräch mehr denn je.

      *

      Als die Klinikchefin Dr. Jenny Behnisch an diesem Morgen die Augen öffnete, wusste sie zuerst nicht, wo sie war. Statt in ihrem weichen Doppelbett lag sie auf einer schmalen Pritsche. Durch die Spalten in den Jalousien fiel helles Tageslicht in das kleine Zimmer und malte Streifen auf den Linoleumboden. Gähnend setzte sie sich auf die Bettkante und rieb sich die Augen.

      »Wie um alles in der Welt bin ich nur hierher gekommen?«, fragte sie sich, als sie das Ruhezimmer begutachtete, das die Ärzte immer während ihrer Nachtschichten nutzten. Erst als sie sich auf den Weg gemacht hatte, kehrte nach und nach die Erinnerung zu ihr zurück.

      Irgendwann in der vergangenen Nacht hatte Roman sie gebeten, mit ihm nach Hause zu fahren. Doch Jenny hätte seine Nähe nicht ertragen, nicht in dieser angespannten Situation. Unter einem Vorwand hatte sie ihren Lebensgefährten allein heim geschickt und war so lange an Nicoles Bett sitzen geblieben, bis sie sich vor Erschöpfung nicht mehr auf dem Stuhl halten konnte. Das Geräusch von Schritten riss Jenny aus ihren Gedanken.

      »Ah, guten Morgen, Chefin«, grüßte Schwester Elena munter, als sie an Jenny vorbei über den Flur hastete. Einen Moment lang blieb sie stehen. »Ausgeschlafen?« Ihr besorgter Blick ruhte auf dem ungewöhnlich angespannten Gesicht der Chefin.

      »Wie fühlt sich das an?«, fragte Jenny ironisch zurück, und ihre Mitarbeiterin lächelte pflichtschuldig. »Ich kann mich nicht daran erinnern.«

      »Sie sind bestimmt auf dem Weg zu Frau Ziegler. Wenn Sie wollen, bringe ich Ihnen ein Frühstück auf die Intensivstation.«

      »Können Sie Gedanken lesen?«, fragte die Klinikchefin. »Oder sind Sie einfach nur ein Engel?«

      »Weder noch. Sie sehen einfach so aus, als ob Sie eine Stärkung dringend nötig haben.«

      Elena zwinkerte der Chefin zu und machte sich auf den Weg, um ihr Versprechen einzulösen, nichtahnend, wie recht sie mit ihrer Einschätzung hatte.

      Nicoles Auftauchen in der Klinik, die Wunden der Vergangenheit, die aufgerissen worden waren, ihr desolater Zustand … All das machte Jenny Behnisch mehr zu schaffen, als ihr lieb war. Ihre Nerven lagen blank, als sie die Intensivstation betrat, und am liebsten wäre sie schreiend davon gelaufen, als sie sah, wer vor Nicoles Zimmer bereits auf sie wartete.

      Roman hielt eine Tüte in den Händen, mit der er lächelnd durch die Luft wedelte.

      »Frühstück für die müde Ärztin!«, verkündete er sichtlich stolz über seine Idee. »Mir scheint, dass es mir diesmal gelungen ist, früher als du aufzustehen.«

      Doch Jenny konnte weder lachen noch sich freuen. Ablenkung war das letzte, was sie im Augenblick brauchte.

      »Danke, aber Schwester Elena bringt mir gleich ein Tablett«, lehnte sie Romans Einladung unfreundlich ab.

      Die Miene des Architekten erstarrte, und er ließ den Arm sinken. Jenny wusste, dass sie ihn vor den Kopf gestoßen hatten. Doch sie konnte

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