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heißt, ihr fahrt? Schon dieses Wochenende?«

      »Hoppla, du hast es aber ganz schön eilig, mich aus der Klinik abzuziehen«, lachte Jenny belustigt auf und wirkte zum ersten Mal an diesem Tag etwas weniger gestresst und angespannt. »Spielst du etwa mit dem Gedanken einer feindlichen Übernahme?«

      »Gott bewahre!« Jetzt lachte auch Fee. »Mir reicht eine Praxis. Zusätzlich auch noch eine Klinik … Das halten Dan und ich dann doch nicht aus.« Sie sah, dass Jenny Behnisch Anstalten machte aufzustehen und erhob sich ebenfalls.

      Spontan umarmte Jenny ihre Freundin.

      »Es tut mir leid, dass ich vorhin so unfreundlich war. Aber im Augenblick wächst mir mal wieder alles über den Kopf. Manchmal frage ich mich, wie ich all dem hier gerecht werden soll«, murmelte sie zerknirscht. »Manchmal denke ich, ich sollte mich nur auf die Klinik konzentrieren und diese ganzen zwischenmenschlichen Beziehungen ad acta legen. Die machen mein Leben nur noch komplizierter, als es ohnehin schon ist.«

      Als Fee das hörte, schüttelte sie entschieden den Kopf.

      »Das ist genau der falsche Weg!«, erwiderte sie voller Überzeugung. »Roman hat dich zu einem anderen Menschen gemacht. Seit du mit ihm zusammen bist, bist du weicher, emotionaler, vielleicht sogar empathischer«, erklärte sie, auch auf die Gefahr hin, sich erneut in die Nesseln zu setzen. »Du solltest seine Wichtigkeit für dich und dein Leben nicht unterschätzen.« Sie schob Jenny ein Stück von sich und nickte ihr aufmunternd zu.

      Dann wurde es Zeit, sich zu verabschieden, und Fee machte sich endlich auf den Weg in die Pädiatrie, wo sie bereits sehnsüchtig von Mario erwartet wurde. Er wollte seiner Schwester unbedingt von seinem vielversprechenden Abend mit Marianne Hasselt erzählen.

      Inzwischen zog Jenny den Hotelgutschein aus dem Umschlag und las ihn aufmerksam durch. Ein Hotelaufenthalt war die Gelegenheit, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen. Roman zu besänftigen, war die eine, ihrer Cousine Nicole aus dem Weg zu gehen, eine andere.

      »Eigentlich ist der Tag doch nicht so schrecklich, wie er begonnen hat«, murmelte Jenny erleichtert vor sich hin und bat endlich ihre Assistentin ins Zimmer, um mit ihr die anstehenden Termine zu besprechen.

      *

      »Du suchst einen Namen für dein Café?«, hakte Felix Norden nach und nahm sich noch einen Löffel von dem Pichelsteiner Eintopf, den Lenni an diesem Freitagabend serviert hatte. Danach griff er in den Korb, um eine Scheibe von dem saftigen Bauernbrot zu nehmen, das Tatjana aus der Bäckerei mitgebracht hatte. »Was hältst du von ›Zum Fresssack‹? Oder ›Wilde Gelüste‹ finde ich auch nicht schlecht.«

      Einen Moment lang schien Tatjana nicht zu wissen, ob sie lachen oder weinen sollte. Dann prustete sie los.

      »Ich fürchte, du verwechselst da was«, klärte sie Felix endlich immer noch kichernd auf und wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln. »Es handelt sich hier um eine seriöse Bäckerei mit angeschlossenem Café und nicht um einen Sexshop. Deshalb scheidet leider auch ›Brot und Spiele‹ aus«, wandte sie sich an Dési, die diesen Vorschlag zuvor gemacht hatte und nun unbekümmert mit den Schultern zuckte.

      »Und was ist mit ›Breakfast Club‹?«, machte auch Janni einen Vorschlag. »Das fände ich total cool.«

      Während Tatjana über diese Idee nachdachte, schob sie einen Löffel Gemüseeintopf in den Mund. Felix und sie waren die einzigen, die es sich noch schmecken ließen. Um noch Platz zu lassen für Lennis köstliche Nachspeise hatten alle anderen bereits die Segel gestrichen.

      »Ich weiß nicht«, lehnte sie schließlich auch diesen Vorschlag ab. »Erstens gibt es sicher Kunden, die kein Englisch sprechen, und die möchte ich nicht ausgrenzen«, begründete sie ihre Entscheidung. »Und zweitens gibt es bei uns ja auch nachmittags noch leckere Sachen und nicht nur zum Frühstück.«

      »Klingt logisch«, gab Anneka der Freundin ihres Bruders recht, die ihr inzwischen fast zu einer älteren Schwester geworden war. »Hmmm, was könnte denn noch gehen?«

      So ging das fröhliche Rätselraten weiter, an dem sich alle Familienmitglieder eifrig beteiligten. Alle, bis auf einen.

      »Was ist denn mit dir los, Danny?«, erkundigte sich Fee schließlich bei ihrem ältesten Sohn, der nachdenklich am Tisch saß und mit den Gedanken weit fort schien.

      »Nichts, alles in bester Ordnung«, wich der junge Arzt aus.

      Aber seiner Mutter konnte er nichts vormachen.

      »Schon klar. Deshalb bist du auch so lustig und unbeschwert heute und glänzt durch einfallsreiche Namensvorschläge«, scherzte sie, um ihn ein bisschen aufzumuntern.

      Tatsächlich huschte ein belustigtes Lächeln über Dannys Gesicht. Doch das mochte auch daran liegen, dass Lenni mit der Nachspeise – heiße Äpfel mit Streusel und Vanilleeis – hereingekommen war.

      »Ich warte nur, bis ihr euch alle verausgabt habt«, prophezeite er, ehe er wieder ernst wurde. »Aber Spaß beiseite. Ich habe gerade über Jennys Cousine nachgedacht und über ihre Verletzungen«, gab er bereitwillig Auskunft. »Die Operation ist zwar gut gegangen. Aber als ich Frau Ziegler heute besucht habe, hat sie keinen so guten Eindruck gemacht.«

      Fee, die sich inzwischen eine Portion vom nach Zimt und Zucker duftenden Nachtisch hatte reichen lassen, blickte verwundert auf.

      »Wie bitte? Jennys Cousine?«, fragte sie und sah Daniel verwundert an. »Wusstest du, dass sie Cousinen und Cousins hat?«

      »Nein. Davon höre ich zum ersten Mal«, wunderte sich auch Daniel und wandte sich mit fragendem Blick an Danny.

      »Tatjana und ich haben doch gestern Abend einen Unfall beobachtet und die Frau in die Klinik bringen lassen«, klärte der junge Mann seine Familie auf.

      »Und diese Frau soll ausgerechnet Jennys Cousine sein?«, fragte Felicitas, die unwillkürlich an ihre morgendliche Begegnung mit der Klinikchefin denken musste. »Seltsam, dass sie nichts davon erzählt hat.«

      »Vielleicht ist sie zu sehr mit ihren Problemen wegen Roman beschäftigt«, gab Daniel zu bedenken und leckte genüsslich einen Klecks Vanilleeis von seinem Löffel.

      »Schon möglich«, räumte Fee wenig überzeugt ein und wandte sich wieder an ihren Sohn. »Von wem hast du erfahren, wer die Frau ist?«

      »Von Schwester Elena. Sie war mit im OP«, gab Danny gern Auskunft. »Übrigens wollte Nicole Ziegler auf keinen Fall in der Behnisch-Klinik behandelt werden. Trotz ihrer schweren Verletzungen hat sie immer wieder verlangt, woandershin gebracht zu werden. Ist das nicht komisch?«, stellte er eine berechtigte Frage und steckte einen Löffel Streuseläpfel in den Mund. Gleich darauf wurden seine Augen rund wie Untertassen. »Oh …hilfe …heiß!«, keuchte er und schnell schob ihm Tatjana eine halbe Kugel Vanilleeis hinterher.

      »Das kommt davon, weil du immer so ungeduldig bist«, schalt sie ihren Freund gut gelaunt, während sich Dannys Miene sichtlich entspannte. »Was glaubst du, warum Lenni Eis dazu serviert?«

      »Weil’s gut schmeckt!«, mischte sich Felix frech grinsend ein und nahm sich noch eine Portion.

      Unterdessen hatte sich Daniel Norden seine eigenen Gedanken zu Jennys seltsamem Benehmen gemacht, das er so gar nicht an ihr kannte.

      »Hast du Jenny heute den Hotelgutschein gegeben?«, erkundigte er sich bei seiner Frau.

      »Hab ich. Anfangs schien sie nicht so begeistert. Aber je länger sie darüber nachgedacht hat, umso zufriedener wirkte sie«, berichtete Fee von ihrem Gespräch mit der sichtlich angeschlagenen Freundin. »Ich denke, dass sie unsere Einladung annehmen wird.«

      »Das ist eine gute Nachricht.« Daniel nickte zufrieden. »Wahrscheinlich ist sie im Augenblick einfach hoffnungslos überfordert. Das Auftauchen ihrer Cousine hat möglicherweise dazu beigetragen. Wenn sie mal ein bisschen Abstand von der Klinik hat, sieht sie bestimmt klarer und wird uns erzählen, was es mit dieser Sache auf sich hat.«

      »Ein Hotelaufenthalt? Na, das sind ja schönen Aussichten!«, bemerkte Danny beiläufig, als

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