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      Manon nickte, dann berührte sie sanft seine Wange. »Sehen wir uns heute noch?«

      »Natürlich, Manon«, versicherte Dr. Daniel. »In spätestens zwei Stunden bin ich zu Hause.« Er küßte sie. »Gib Tessa noch einen Gutenachtkuß von mir.«

      »Da wird sie aber ziemlich enttäuscht sein«, vermutete Manon. »Du hast heute früh versprochen, ihr vor dem Schlafengehen noch eine Geschichte vorzulesen.«

      »Ich weiß«, seufzte Dr. Daniel, und es tat ihm auch sichtlich leid, daß er sein Töchterchen enttäuschen mußte. »Vielleicht kannst du Stefan dazu überreden, dann ist sie wieder einigermaßen versöhnt. Und morgen nehme ich mir bestimmt Zeit für sie.«

      Manon stellte sich auf Zehenspitzen und küßte sie zärtlich.

      »Ich liebe dich, Robert«, flüsterte sie ihm zu, dann verließ sie die Klinik. Dr. Daniel sah ihr nach. Er wäre jetzt gern mit seiner Frau nach Hause gefahren, doch seine Sorge um Eva-Maria hielt ihn hier noch fest.

      Eiligen Schrittes kehrte er zur Gynäkologie zurück und betrat dann nach kurzem Anklopfen das Zimmer des jungen Mädchens.

      »Guten Abend, Eva-Maria«, grüßte er freundlich. »Wie fühlst du dich?«

      Sie zuckte nur die Schultern. »Nicht besonders.«

      Ohne große Umstände setzte sich Dr. Daniel auf die Bettkante. »Dann solltest du dir vielleicht mal alles von der Seele sprechen, und da du dich mit deinen Eltern nicht unterhalten willst…«

      »Ich will mich mit niemandem unterhalten«, fiel Eva-Maria ihm ungehalten ins Wort.

      Dr. Daniel schüttelte den Kopf. »Seit ich dich das letzte Mal gesehen habe, hast du dich sehr verändert. Was ist denn nur passiert?«

      »Nichts«, antwortete Eva-Maria knapp und drehte dann demonstrativ den Kopf zur Seite.

      »Mit diesem Verhalten kommst du bei mir nicht durch«, entgegnete Dr. Daniel ernst. »Hör mal, Eva-Maria, du warst mindestens im dritten Monat schwanger, und du machst mir nicht weis, daß du das nicht bemerkt hast. Trotzdem hast du dich nicht an deine Gynäkologin gewandt, um dir die Spirale entfernen zu lassen.«

      Eva-Maria war bei diesen Worten bleich geworden. Irgendwie hatte sie nicht damit gerechnet, daß Dr. Daniel das alles so genau nachvollziehen könnte. Sie legte die Hände vors Gesicht und schluchzte hilflos auf.

      »Ich dachte…, das Baby würde weggehen, wenn ich die Spirale drin lasse«, gestand sie unter Tränen. »Dann kamen die Schmerzen…, und das Blut…, und ich hatte Angst…« Aus verweinten Augen sah sie ihn an. »Er hätte mich doch nie geheiratet.«

      So ähnlich hatte sich Dr. Daniel die ganze Sache schon vorgestellt.

      »Wußtest du das bereits, bevor du dich mit ihm eingelassen hast?« wollte er wissen.

      Eva-Maria schüttelte den Kopf. »Er war so lieb…, so zärtlich…, er hat mir den Himmel auf Erden versprochen…, bis er hatte, was er wollte.«

      Besänftigend streichelte Dr. Daniel über das lange blonde Haar des Mädchens. »Und nun hast du Angst, daß deine Eltern dir Vorwürfe machen werden.«

      Eva-Maria nickte, während noch immer Tränen über ihre Wangen rollten. »Sie müssen doch denken, ich würde mit jedem…, aber das ist nicht wahr. Tobi war mein erster fester Freund, und ich habe auch nicht gleich…, na ja, Sie wissen schon. Aber als er sagte, er würde mich immer lieben…, doch es war alles nur gelogen…« Wieder begannen die Tränen zu fließen.

      Tröstend nahm Dr. Daniel das junge Mädchen in die Arme. »Nicht weinen, mein Kind. Ich kenne deine Eltern sehr gut, daher weiß ich ganz sicher, daß sie für dich Verständnis aufbringen werden.« Er schwieg einen Moment. »Wenn du möchtest, spreche ich zuerst mit ihnen.«

      Mit tränennassen Augen blickte sie zu ihm auf.

      »Das würden Sie wirklich tun, Herr Doktor?« fragte sie hoffnungsvoll, dann überzog verlegene Röte ihr zartes Gesicht. »Ich hätte Sie als Arzt behalten sollen, aber… Tobi hat gesagt, es wäre unschicklich, sich von einem Mann gerade da untersuchen zu lassen.«

      Dr. Daniel seufzte. »Seltsamerweise vertreten gewisse junge Männer häufig diese Ansicht, haben ihrerseits aber keine Hemmungen, ein Mädchen in Schwierigkeiten zu bringen.« Aufmunternd tätschelte er Eva-Marias Gesicht. »Aber keine Sorge, es kommt jetzt wieder alles in Ordnung. Was die Fehlgeburt und die verirrte Spirale angeht, bist du ja noch mal mit dem Schrecken davongekommen.« Dabei verschwieg er, wie nahe Eva-Maria dem Tod gewesen war. »In ein paar Tagen können wir Katheder und Infusion entfernen, dann wird es dir bald wieder bessergehen. Und das mit deinen Eltern halte ich auch für kein allzu großes Problem. Noch heute werde ich mit ihnen sprechen.«

      Dankbar drückte Eva-Maria seine Hand. »Wie soll ich das jemals gutmachen, Herr Doktor?«

      »Indem du schnell gesund wirst und künftig gut auf dich aufpaßt.«

      Eva-Maria nickte eifrig. »Das mache ich bestimmt, Herr Doktor, ich verspreche es.«

      *

      Die traurigen Augen ließen Sàndor nicht mehr los. Den ganzen Abend über saß er in seinem Zimmer und starrte vor sich hin. Dabei sah er vor seinem geistigen Auge immer wieder das blasse Mädchengesicht mit dem Blick, der ihn mitten ins Herz getroffen hatte.

      Schließlich hielt er es nicht länger aus, verließ sein Zimmer und sagte zu seiner Mutter, er müsse noch mal kurz weg. Zehn Minuten später erreichte er die Waldsee-Klinik.

      »Sàndor, was tun Sie denn noch hier?«

      Der junge Mann erschrak, als hinter ihm so unerwartet die tiefe Stimme von Dr. Metzler erklang. Verlegene Röte überzog sein Gesicht, als er sich umdrehte.

      »Es ist…, eine Patientin…, der Gedanke an sie läßt mir einfach keine Ruhe«, gestand Sàndor unsicher.

      Dr. Metzler runzelte die Stirn. »Wenn die Sorge um eine Patientin Sie hierhertreibt, dann ist das durchaus in Ordnung. Eines sollten Sie allerdings wissen: Ich sehe es nicht gern, wenn jemand vom Personal etwas mit einem Patienten anfängt, denn meistens ist das nichts weiter als ein flüchtiges Abenteuer, und Sie können sich darauf verlassen, daß ich dem einen Riegel vorschieben würde.«

      Sàndors verlegene Röte vertiefte sich bei diesen Worten noch.

      »Das will ich ganz bestimmt nicht, Herr Chefarzt«, versicherte er. »Es ist wirklich nur…, sie war so traurig…, und…« Dr. Metzlers forschender Blick verunsicherte ihn immer mehr, so daß er schließlich schwieg.

      »Gehen Sie zu der Patientin und vergewissern Sie sich, daß es ihr gut geht«, riet Dr. Metzler ihm. »Danach fahren Sie wieder nach Hause. Sie haben morgen einen anstrengenden Dienst vor sich.«

      Sàndor nickte. »Ja, Herr Chefarzt.«

      Er zögerte noch sekundenlang, dann ging er eiligen Schrittes in die Gynäkologie hinüber, lief die Treppe hinauf und stand schließlich schwer atmend vor dem Zimmer, in dem er Eva-Maria Neubert wußte. Er hatte den Chefarzt nicht belogen, aber er hatte ihm dennoch nicht die ganze Wahrheit gesagt. Es war mehr als nur Sorge, was ihn hierhergetrieben hatte – wenn er auch bestimmt kein flüchtiges Abenteuer im Sinn hatte. So etwas lag ihm nicht. Er nahm Gefühle sehr ernst.

      Jetzt öffnete er leise die Tür und spähte ins Zimmer. Eva-Maria schlief. Der schwache Lichtschein, der vom Flur aus in ihr Zimmer fiel, ließ ihr Gesicht zart und zerbrechlich aussehen. Langsam ging Sàndor näher und betrachtete das junge Mädchen. Ihr Gesicht wirkte gelöst…, friedlich – ganz anders als heute nachmittag, wo er mit Bianca hier gewesen war. Ob Dr. Daniel ihr wohl hatte helfen können?

      »Hoffentlich«, flüsterte Sàndor und berührte mit einer sanften Geste das weiche blonde Haar, das wie ein Fächer auf dem Kopfkissen lag.

      Eva-Maria bewegte sich im Schlaf. Erschrocken fuhr Sàndor zurück, als hätte er etwas Verbotenes getan, dann verließ er leise das Zimmer. Er wollte von Eva-Maria nicht

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