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Teenager sozial sehr engagiert, hat oft freiwillig im Altenheim der Kreisstadt und im Behindertenheim in München gearbeitet.«

      »Das klingt ja wirklich äußerst vielversprechend«, gab Dr. Metzler überrascht zu.

      »Was bedeutet, daß du wieder einmal Vorurteile hattest«, bemerkte Dr. Daniel. »Wahrscheinlich hast du allein schon bei dem Wort ›Zivildienstleistender‹ rot gesehen, habe ich recht?«

      Dr. Metzler wurde bei diesen Worten tatsächlich ein bißchen verlegen.

      »Aha, jetzt bekomme ich also auch noch den Kopf gewaschen«, grummelte er.

      »Nein, Wolfgang, absolut nicht, aber du solltest dir den Menschen immer erst vorher anschauen und dir danach ein Urteil von ihm bilden – nicht umgekehrt.«

      »Danke, das war deutlich«, knurrte Dr. Metzler. »Aber ich werde es mir merken.«

      »Sehr schön.« Dr. Daniel lächelte. »Und nun sei bitte nicht beleidigt.«

      Dr. Metzler seufzte, mußte dann aber ebenfalls lächeln. »Bin ich ja auch gar nicht. Es ist nur…, du triffst mit deiner Kritik immer haargenau den wunden Punkt, und das tut einem meistens ziemlich weh.«

      Er schwieg kurz. »Und jetzt mach, daß du in deine Praxis kommst, bevor dir noch mehr Sachen einfallen, die du an mir kritisieren könntest. Für heute ist mein Bedarf in dieser Richtung nämlich schon wieder gedeckt.«

      Dr. Daniel mußte lachen. »Na, so schlimm wird’s schon nicht gewesen sein. Aber zumindest in einem hast du recht: Ich muß mich jetzt wirklich beeilen.« Er war schon an der Tür, als er noch einmal zurückblickte. »Wenn Sàndor kommt, dann ruf mich bitte an. Ich würde mich gern ein bißchen näher mit ihm unterhalten.«

      »Wird gemacht, Herr Direktor!« seufzte Dr. Metzler kopfschüttelnd, während Dr. Daniel das Büro und wenig später auch die Klinik verließ. Er ahnte bereits, daß in seiner Praxis eine regelrechte Invasion herrschen würde.

      *

      Die Allgemeinmedizinerin Dr. Manon Daniel, die zusammen mit ihrem Mann eine Gemeinschaftspraxis im Erdgeschoß der stattlichen Villa am Kreuzbergweg führte, hatte ihr Ordinationszimmer gerade betreten, als ihre Sprechstundenhilfe Brigitte Klein den ersten Patienten hereinbegleitete.

      »Guten Morgen, Herr Balog«, grüßte Manon mit einem freundlichem Lächeln. »Was führt Sie zu mir?«

      »Eigentlich nichts Besonderes«, entgegnete der junge Mann mit dem markanten Gesicht und den dunklen Locken. »Ich soll morgen früh meinen Dienst in der Waldsee-Klinik antreten, und da muß ich mich vorher noch untersuchen lassen.« Er lächelte. »Eigentlich Unsinn, weil ich doch vollkommen gesund bin, aber Vorschrift ist eben Vorschrift, und ich will mit dem Chefarzt ja nicht schon am ersten Tag einen Strauß ausfechten.«

      Manon mußte lachen. »Ich denke doch, Sie wollen mit ihm überhaupt keinen Strauß ausfechten, oder?«

      »Ganz bestimmt nicht«, bekräftigte Sàndor, dann lächelte er wieder. »Ich freue mich schon sehr auf meine künftige Arbeit.«

      »Machen Sie jetzt eine Ausbildung als Krankenpfleger?« wollte Manon wissen.

      Sàndor schüttelte den Kopf. »Nein, ich leiste nur meinen Zivildienst ab.«

      »Sie werden in den kommenden Monaten viel arbeiten müssen, und es wird nicht immer eine leichte Arbeit für Sie sein.«

      »Das weiß ich«, erklärte Sàndor. »Ich habe früher schon oft im Altenheim der Kreisstadt ausgeholfen.« Er wurde fast ein bißchen verlegen, als er gestand: »Wissen Sie, eigentlich wollte ich ja Arzt werden, aber…« Er zuckte die Schultern. »Leider habe ich das Gymnasium nicht gepackt… jedenfalls nicht mit dem dafür erforderlichen Notendurchschnitt, den ich fürs Medizinstudium gebraucht hätte. Und ein anderes Studium hätte mich nicht interessiert. Ich habe also meinen Abschluß gemacht, und der Zivildienst gibt mir nun eine gute Gelegenheit, in den Beruf eines Krankenpflegers wenigstens mal hineinzuschnuppern.«

      Der junge Mann gefiel Manon. Obwohl er gerade erst zwanzig Jahre alt war, wußte er offensichtlich schon sehr genau, was er anfangen wollte. Und dabei ließ er sich auch von schwerer und sicher nicht immer sehr angenehmer Arbeit keineswegs abhal-

      ten.

      »Also, Herr Balog, dann will ich Sie mal untersuchen«, erklärte Manon und stand auf. »Als erstes wird Ihnen meine Sprechstundenhilfe ein bißchen Blut abnehmen. Sind Sie einverstanden, wenn ich das Ergebnis gleich direkt an die Waldsee-Klinik weiterleite?«

      Sàndor nickte. »Selbstverständlich.« Wieder wurde er ein bißchen verlegen. »Eigentlich hätte ich diese Untersuchung schon viel früher machen lassen müssen, aber…, na ja, wer reißt sich schon darum, zum Arzt zu gehen, wenn er sich vollkommen gesund fühlt.«

      »Dr. Metzler ist in diesen Dingen zwar ziemlich streng und achtet innerhalb der Klinik auch sehr auf Disziplin«, meinte Manon. »Trotzdem wird er Ihnen wegen der verspäteten Untersuchung sicher nicht gleich den Kopf abreißen.«

      Sàndor lächelte. »Ich hoffe doch sehr, daß er das unterläßt.« Dann erhob er sich ebenfalls und folgte Manon in einen kleinen Raum.

      »Legen Sie sich einstweilen auf die Liege«, bat Manon. »Fräulein Klein wird sich sofort um Sie kümmern. Anschließend kommen Sie dann wieder zu mir.«

      Sàndor kam der Aufforderung nach, aber noch bevor er sich hinlegte, meinte er: »Mir wird beim Blutabnehmen bestimmt nicht schlecht. Ich meine…, ich würde das auch im Sitzen sicher gut verkraften können.«

      »Das glaube ich Ihnen unbesehen«, erwiderte Manon. »Aber bei mir in der Praxis wird grundsätzlich im Liegen Blut abgenommen.«

      »Wenn das so ist, dann will ich natürlich keine Sonderbehandlung verlangen«, verwahrte sich Sàndor und legte sich nun auf den Rücken.

      Es dauerte wirklich nur kurze Zeit, bis Brigitte Klein den Raum betrat. Sie lächelte zwar, doch ihr Gesicht war so blaß, daß es sogar Sàndor auffiel.

      »Ist Ihnen nicht gut?« fragte er besorgt.

      »Doch, alles in Ordnung«, behauptete Brigitte, dann legte sie einen Gurt um Sàndors rechten Oberarm und strich mit dem Mittelfinger der rechten Hand über seine Armbeuge, um eine Vene zu finden, in die sie einstechen konnte.

      »Jetzt piekst es ein bißchen«, warnte sie ihn, während sie nach der Einwegspritze griff. Geschickt stach sie in die Vene ein und zog den Kolben zurück. Als sich das Röhrchen langsam mit Blut füllte, begann Brigitte plötzlich auffallend zu schwanken. Ihre Hände begannen zu zittern, und dann sackte sie mit einem leisen Seufzen zusammen.

      »Meine Güte«, entfuhr es Sàndor, während er ungeachtet der Tatsache, daß die Nadel noch in seiner Armbeuge steckte, von der Liege herunterstieg und sich über die ohnmächtige Sprechstundenhilfe beugte.

      »Frau Doktor!« rief er. »Schnell!«

      Manon eilte sofort herein und erfaßte die Lage mit einem Blick.

      »Legen Sie sich wieder hin, Herr Balog«, bat sie. »Ich kümmere mich gleich um Sie.«

      »Eilt wirklich nicht«, meinte er. »Versorgen Sie nur erst die junge Frau. Sie kam mir vorhin schon so schrecklich blaß vor.«

      Manon nickte nur, brachte Brigitte in eine stabile Seitenlage und schob ein Kissen unter ihre Beine. Im selben Moment kam die junge Sprechstundenhilfe wieder zu sich, doch als sie sich aufrichten wollte, hielt Manon sie zurück.

      »Bleiben Sie erst mal liegen, Fräulein Klein«, erklärte sie. »Sie sind ohnmächtig geworden.«

      »Es…, es geht aber schon wieder«, stammelte Brigitte leise, dann huschte eine verlegene Röte über ihr immer noch unnatürlich blasses Gesicht. »Ich bin allmählich daran gewöhnt. In letzter Zeit hatte ich das leider schon öfter.«

      »Ein Grund mehr, daß Sie liegenbleiben müssen«, betonte Manon, dann stand sie auf. »So, Herr Balog, jetzt befreie ich Sie endlich von der Nadel.«

      Durch

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