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ihn an. »Ist es denn… völlig aussichtslos?«

      »Nein, Signora Sandrini«, antwortete Dr. Sommer wahrheitsgemäß. »Wenn es aussichtslos wäre, dann würde ich überhaupt nicht operieren.« Er zögerte, dann räumte er ein: »Ich will auch zugeben, daß ich schon ein paarmal so schwere Fälle wie bei Ihnen erfolgreich operiert habe, aber wie gesagt – eine Garantie kann ich Ihnen nicht geben.«

      Chiara wurde nach diesem Gespräch gleich stationär in der Klinik aufgenommen, während Dr. Daniel ihrem jungen Ehemann anbot, bei ihm in Steinhausen zu bleiben, bis Chiara wieder entlassen werden würde. Elio nahm das Angebot dankend an, blieb an diesem Abend aber noch sehr lange bei seiner Frau.

      »Ich bin sicher, daß dieser Dottore Sommer dir helfen kann«, erklärte er, während er liebevoll ihre Hand hielt. »Hast du Vertrauen zu ihm?«

      Chiara zögerte, dann nickte sie. »Ja, ich denke schon…, wenn auch nicht so viel wie zu Dottore Daniel.« Sie seufzte leise. »Wenn nur er die Operation machen könnte.«

      »Er wird immerhin dabeisein.«

      Chiara und Elio erschraken zutiefst, als von der Tür her die tiefe Stimme von Dr. Sommer erklang. Seine zwar spärlichen, aber doch vorhandenen Italienisch-Kenntnisse hatten es ihm erlaubt, Chiaras Worte zu verstehen. Jetzt trat er an ihr Bett und lächelte sie freundlich an.

      »Es tut mir leid, Herr Doktor«, entschuldigte sich Chiara und wurde dabei über und über rot. »Sie müssen mich ja für sehr undankbar halten…«

      »Nein, Signora Sandrini, ich halte Sie ganz bestimmt nicht für undankbar.« Er setzte sich ohne große Umstände auf die Bettkante. »Dr. Daniel ist seit vielen Jahren mein bester Freund, daher weiß ich, wie beliebt er bei seinen zahlreichen Patientinnen ist. Das kommt auch nicht von ungefähr, denn er ist nicht nur ein ausgezeichneter Arzt, sondern auch ein sehr warmherziger Mensch, zu dem man einfach Vertrauen haben muß.« Er lächelte. »Wissen Sie, ich habe schon bei dem Gespräch vorhin bemerkt, wie Sie zu Dr. Daniel stehen, deshalb habe ich ihm vorgeschlagen, daß er bei dem Eingriff zugegen sein soll. Er wird neben Dr. Kastner, den Sie heute ja auch schon kennengelernt haben, die zweite Assistenz übernehmen.«

      Chiara brachte ein kurzes Lächeln zustande. »Vielleicht wird doch noch alles gut.«

      *

      Am nächsten Morgen wartete Chiara nervös und angespannt darauf, daß sie in den Operationssaal gefahren würde. Vor einer Stunde hatte sie bereits eine Tablette bekommen, die sie unter der Zunge hatte zergehen lassen müssen, und nun sollte sie eigentlich müde werden, doch ihre Nervosität stand dem anscheinend entgegen.

      Dann wurde sie von zwei Pflegern in den Operationssaal hinuntergefahren, und hier erwartete Dr. Sommer sie schon. Er trug einen Mundschutz, und so erkannte sie ihn nur an den wachen blauen Augen, denen wohl nichts verborgen blieb, wie sie unwillkürlich denken mußte.

      »Herr Doktor«, stieß sie ängstlich hervor. »Wenn ich nicht einschlafen kann, dann…, dann können Sie mich doch auch nicht operieren.«

      Dr. Sommer lächelte, was nur an den kleinen Fältchen zu erkennen war, die sich um seine Augen bildeten.

      »Keine Sorge, Signora San-drini, bis jetzt ist noch jeder meiner Patienten eingeschlafen, und ich bin sicher, daß auch Sie da keine Ausnahme machen werden.«

      »Ich sollte auf die Tablette hin müde werden, aber das bin ich überhaupt nicht.«

      »Das kommt noch«, versprach Dr. Sommer. »Unser Anästhesist wird Ihnen jetzt gleich ein Medikament in die Infusionskanüle spritzen, die man Ihnen vorhin gelegt hat, und dann werden Sie rasch einschlafen.«

      Damit hatte Dr. Sommer nicht zuviel versprochen. Chiara sah nur noch, wie der Anästhesist die Spritze auf die Infusionskanüle steckte und den Inhalt so direkt in die Vene preßte. Nahezu im selben Moment hatte die Narkose ihre Wirkung erfüllt.

      »Dann wollen wir mal«, meinte Dr. Sommer und trat an den Operationstisch.

      »Tubus ist drin«, meldete sich der Anästhesist.

      Dr. Sommer nickte, dann schaute er durch das spezielle Mikroskop auf die Operationsstelle und führte mit routinierter Sicherheit den Bauchschnitt. Dr. Kastner, der bei derartigen Operationen grundsätzlich die erste Assistenz übernahm, konnte auf der gegenüberliegenden Seite durch das Mikroskop sehen, während Dr. Daniel neben ihm das Operationsfeld über-blicken konnte.

      »Meine Güte«, stieß Dr. Sommer hervor, als er einen ersten Blick auf die Eileiterverwachsungen werfen konnte.

      Auch Dr. Daniel hielt unwillkürlich den Atem an. So schlimm hatte es nicht einmal auf den Röntgenbildern ausgesehen.

      »Das ist ja aussichtslos«, meinte Dr. Kastner. »Die arme Frau wird nie Kinder haben können.«

      Doch damit wollte sich Dr. Sommer jetzt nicht so einfach zufriedengeben.

      »Wir versuchen es«, beschloß er. »Mehr als schiefgehen kann es ja nicht.« Er bemerkte, wie Dr. Daniel aufatmete, und warf ihm einen kurzen Blick zu. »Du kennst mich doch, Robert. Ich gebe erst auf, wenn ich überhaupt keine Chance mehr sehe.«

      »Siehst du hier denn eine?«

      Dr. Sommer zögerte mit der Antwort. Angestrengt blickte er durch das Mikroskop. Es schien wirklich fast aussichtslos zu sein.

      »Sagen wir mal so…, ich möchte mir diese Chance erarbeiten.«

      Dann vertiefte er sich in seine Arbeit, die nach mehrstündiger Operation schließlich tatsächlich von Erfolg gekrönt war.

      »Du bist wirklich ein Phänomen«, urteilte Dr. Daniel neidlos.

      Dr. Sommer errötete.

      »Ach was«, wehrte er bescheiden ab. »Wie ich vorhin schon sagte…, ich gebe nur nicht so schnell auf.«

      *

      »Ich kann wirklich ein Baby bekommen?«

      Zum ersten Mal, seit Dr. Daniel die junge Frau kennengelernt hatte, strahlte Chiara Sandrini über das ganze Gesicht, dann umarmte sie zuerst Dr. Daniel, dann Dr. Sommer und schließlich ihren Mann.

      »Wir werden ein Baby haben, Elio.«

      »Langsam, kleine Frau«, bremste Dr. Sommer ihren Optimismus noch ein wenig. »In ihrem Körper bestehen jetzt die besten Voraussetzungen dafür, aber das, was Dr. Daniel Ihnen auf Sardinien gesagt hat, dürfen Sie dennoch nicht außer acht lassen. Möglicherweise dauert es noch eine ganze Weile, bis Ihr normaler Zyklus wieder in Gang kommt. Laden Sie sich dann keinen unnötigen Streß auf, indem Sie voller Verbissenheit versuchen, schwanger zu werden.«

      »Sie und Elio müssen die Vorwürfe Ihrer Eltern und Schwiegereltern versuchen zu vergessen«, fügte Dr. Daniel hinzu. »Sie können ein Baby haben, das allein muß für Sie jetzt wichtig sein. Wann es passieren wird, ist völlig egal. Gehen Sie entspannt und vor allen Dingen voller Liebe an diese Sache heran. Ein Baby zu zeugen, soll ja keine Pflichtübung sein. Vertrauen Sie ganz Ihrem Körper. Er bestimmt, wann der Zeitpunkt für eine Schwangerschaft gekommen ist, und lassen Sie sich darin von nichts und niemandem verunsichern.«

      Chiara nickte. »Ich werde es versuchen, Herr Doktor, das verspreche ich Ihnen.«

      *

      Es war ein lauer Herbst-abend, den Dr. Daniel mit seiner Frau Manon und der kleinen Tessa auf dem Balkon genoß. Tessa hatte von ihrem großen Bruder ein Puzzle bekommen, mit dem sie sich eifrig beschäftigte.

      »Ich befürchte, Stefan verwöhnt dich ein bißchen zu sehr«, meinte Dr. Daniel, doch seiner Stimme war anzuhören, daß er darüber bestimmt nicht böse war. »Mindestens einmal pro Woche bringt er dir etwas mit.«

      Tessa war so vertieft in das Puzzle, daß sie gar nicht hörte, was ihr Vater sagte. Doch Manon nickte.

      »Ich habe schon mit ihm geschimpft«, erklärte sie. »Aber mit seinem unwiderstehlichen Lächeln hat er gesagt, es würde ihm eben Spaß machen, Tessa mit solchen Kleinigkeiten zu verwöhnen.« Sie mußte

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