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der bereitgestellten Blutkonserven, schloß die Infusion an und regelte die Tropfgeschwindigkeit. Über einen weiteren Zugang bekam die Patientin Kochsalzlösung, doch das Ergebnis war unbefriedigend. Der Blutdruck war noch immer bedenklich niedrig. »Er liegt jetzt bei sechzig. Der zweite Wert ist nicht mehr meßbar.«

      »Die zurückgebliebene Plazenta scheint ebenfalls Blutungen zu verursachen«, erklärte Alena.

      Dr. Daniel nickte. »Das kann aber nicht das einzige sein.« Er warf Dr. Parker einen kurzen Blick zu. »Geben Sie ihr Ergometrin.« Er konzentrierte sich wieder auf das Operationsfeld, und plötzlich erkannte er, daß die verirrte Spirale noch ganz andere Schäden angerichtet hatte. »Ich hab’s. Kein Wunder, daß Sie die Patientin nicht stabil kriegen.« Ohne von seiner Arbeit aufzusehen, fuhr er fort: »Petra, lassen Sie meinen Sohn rufen. Ich brauche hier noch mehr Hände.«

      Schwester Petra gab die Anweisung weiter und stand wenig später wieder am OP-Tisch, um Dr. Daniel weiter zu assistieren. Auch sein Sohn Stefan ließ nicht lange auf sich warten. In knappen Worten informierte Dr. Daniel ihn, dann übernahm Stefan von Alena die Operationshaken, während die junge Gynäkologin Dr. Daniel half, die vielen kleinen Wunden zu schließen, die die verirrte Spirale gerissen hatte.

      »Sie kollabiert!« rief Dr. Parker in diesem Moment.

      Dr. Daniel brauchte nicht eine Sekunde, um zu einem Entschluß zu kommen.

      »Alena, legen Sie einen arteriellen Zugang«, ordnete er an, dann wandte er sich Dr. Parker zu. »Geben Sie ihr das Blut im Druckbeutel.«

      Alena und der Anästhesist kamen der Aufforderung unverzüglich nach, während Dr. Daniel nun allein versuchte, der vielen Blutungen in Eva-Marias Körper Herr zu werden, doch der Zustand der Patientin blieb weiterhin bedenklich.

      »Alena, geben Sie ihr einen Milliliter Atropin«, ordnete Dr. Daniel an, ohne von seiner Arbeit aufzublicken, dann wandte er sich an die OP-Schwester. »Petra, bereiten Sie eine Doparmin-Infusion vor.«

      »Multifokale Extrasystolen!« rief Dr. Parker.

      »Auch das noch«, knurrte Dr. Daniel und warf einen Blick auf den Monitor, der anzeigte, daß Eva-Marias Herz den Belastungen nicht mehr standhielt. »Jeff, spritzen Sie der Patientin hundert Milligramm Lidocain intravenös.«

      Der schrille Piepton, der im nächsten Augenblick vom Monitor ertönte, fuhr allen Ärzten in die Glieder. Herzstillstand!

      »Den Defibrillator!« rief Dr. Daniel, doch die OP-Schwester stand schon bereit und reichte ihm die beiden Defibrillatorpaddel.

      »Auf 260 laden«, kommandierte Dr. Daniel, dann drückte er die Defebrillatorpaddel auf Eva-Marias Brust. »Zurücktreten!« Er bestägte den Knopf, der einen kurzen Stromstoß durch den Körper der Patientin jagte. Noch immer schrillte der entsetzliche Piepton durch den Raum.

      »300!« rief Dr. Daniel und wiederholte das Manöver. Der schrille Pfeifton verstummte und machte dem regelmäßigen Piepen Platz, das anzeigte, daß das Herz seine Arbeit wieder aufgenommen hatte.

      »Wir haben sie«, stieß Dr. Daniel hervor, und die Erleichterung war ihm dabei deutlich anzuhören.

      »Der Blutverlust ist noch immer enorm hoch«, gab Alena zu bedenken.

      »Geben Sie ihr eine weitere Konserve«, ordnete Dr. Daniel an. »Ich muß zusehen, daß ich die Blutungen endlich zum Stillstand bringe.«

      »Blutdruck ist noch immer nicht meßbar«, erklärte Dr. Parker.

      Dr. Daniel erwiderte nichts. Er wußte, daß Eva-Marias Leben am seidenen Faden hing, und wenn es ihm nicht gelang, die vielen kleinen Wunden zu schließen und damit die Blutung zu stoppen, bevor ihr Herz ein weiteres Mal versagte, würden wohl alle Wiederbelebungsversuche versagen.

      »Kammerflimmern!« rief Dr. Parker.

      »Halte durch, Mädchen«, murmelte Dr. Daniel wie beschwörend vor sich hin. »Ich hab’s ja gleich.«

      Diesmal war es Dr. Parker, der den Defibrillator betätigte, und er brauchte schon doppelt so viele Versuche wie Dr. Daniel zuvor, obwohl es noch nicht einmal zu einem Herzstillstand gekommen war.

      »Ein drittes Mal kriegen wir sie nicht mehr«, prophezeite er, aber das wußte auch Dr. Daniel. Es grenzte fast an ein Wunder, daß es Dr. Parker überhaupt noch gelungen war, den Herzschlag der Patientin wieder stabil zu bekommen.

      Angestrengt blickte Dr. Daniel auf das Operationsfeld, doch es schien, als wäre es ihm nun endlich gelungen, sämtliche Wunden zu schließen.

      »Blutdruck ist wieder meßbar«, meldete sich Dr. Parker in diesem Moment. »Siebzig zu

      fünfzig. Nicht berauschend, aber immerhin.«

      Dr. Daniel atmete auf. »Ich glaube, wir haben’s geschafft.« Noch einmal vergewisserte er sich, ob wirklich kein Blut mehr in den Bauchraum trat, dann sah er seinen Sohn an. »Stefan, du kannst die Wunde schließen. Ich muß mich jetzt um die Reste der Plazenta kümmern.«

      Die Beine der Patientin wurden vorsichtig auf die speziellen Bügel gelegt, um Dr. Daniel die nötige Sicht zu verschaffen. Vorsichtig begann er, mit Dehnungsstiften die Zervix zu weiten, dann führte er die Kürette ein und nahm die Ausschabung vor.

      Währenddessen hatte Stefan den Bauchschnitt geschlossen.

      »Das war ziemlich knapp«, meinte er.

      Dr. Daniel war jetzt ebenfalls fertig und erhob sich. »Das kann man wohl sagen. Eine halbe Stunde später, und sie wäre uns auf dem Tisch weggestorben. Mit achtzehn Jahren – sie ist ja noch ein halbes Kind.« Er betrachtete die Reste der Fehlgeburt und schüttelte verständnislos den Kopf. »Sie muß bestimmt schon im dritten Monat gewesen sein. Ich verstehe das nicht. Sie muß doch gewußt haben, daß die Spirale immer noch in der Gebärmutter war.«

      Stefan runzelte die Stirn. »Sie trug eine Spirale? Wie konnte sie dann überhaupt schwanger werden?«

      »So etwas kommt vor«, entgegnete Dr. Daniel. »Sehr selten, aber es kann doch passieren. Jede Verhütungsmethode hat eine gewisse Fehlerquote.« Er seufzte. »Wenn sie sich wieder erholt hat, werde ich noch eingehend mit ihr über all das sprechen müssen.« Er wandte sich seinem Sohn zu. »Stefan, bring’ sie vorerst mal auf Intensiv. Ich will kein Risiko eingehen.« Dann sah er auf die Uhr. »Ich werde noch hierbleiben, bis sie das erste Mal zu sich kommt.«

      *

      Es war schon beinahe Mitternacht, als Eva-Maria die Augen öffnete. Dr. Daniel beugte sich über sie.

      »Hast du Schmerzen, Eva-Maria?« fragte er.

      Das junge Mädchen öffnete den Mund, doch nur ein heiseres Krächzen kam hervor.

      »Du mußt nicht sprechen«, erklärte Dr. Daniel. »Nicken oder Kopfschütteln genügt.«

      Eva-Maria brachte ein schwaches Nicken zustande, dann versuchte sie, eine Hand zu heben, um Dr. Daniel zu zeigen, wo sie Schmerzen hatte, doch die Nachwirkungen der Narkose ließen noch keine koordinierten Bewegungen zu.

      »Nur nicht anstrengen, Eva-Maria«, meinte Dr. Daniel. »Ich kann mir schon vorstellen, wo du Schmerzen hast.« Er zog eine Spritze auf und injizierte das Medikament direkt in die Infusionskanüle. »Es wird gleich besser werden, mein Kind.«

      Tränen rollten über Eva-Marias blasse Wangen. Dr. Daniel griff nach einem Papiertaschentuch und wischte sie vorsichtig weg.

      »Nicht weinen, Mädchen, es kommt alles wieder in Ordnung.« Er zögerte einen Moment, dann fügte er hinzu: »Deine Eltern lassen dich ganz lieb grüßen. Sie kommen dich morgen besuchen.« Er streichelte sanft über ihr langes blondes Haar, dann kontrollierte er an dem speziellen Thermometer noch die Temperatur der Patientin. Sie war leicht erhöht, doch das besagte nach dem schweren Eingriff, den Eva-Maria hinter sich hatte, nicht viel.

      Dr. Daniel wartete noch, bis sie wieder eingeschlafen war, dann verließ er die Intensivstation.

      »Sie scheinen das Mädchen sehr gut zu kennen«, stellte Dr. Parker fest,

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