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Roberta…, wieso hat die das mitgemacht?«

      »Sie war immer die Schwächere, Carla hat ihr mit Selbstmord gedroht. Roberta hatte Angst, daß sie die Drohung wahrmachen würde, und das wollte sie nicht auf sich nehmen. Also fügte sie sich in das Schicksal, Mutter eines unehelichen Kindes zu sein.«

      »Und Carla?«

      »Die hat sich auf Nimmerwiedersehen aus dem Staub gemacht, nachdem sie aber schriftlich erklärt hatte, und darauf hatte Roberta bestanden, meine leibliche Mutter zu sein. Es wäre auch ohne diese Erklärung gegangen. Es ist bekannt, daß Roberta niemals ein Kind geboren hat.«

      Bettina war so erschüttert, daß sie für einen Moment nichts sagen konnte.

      Carla, sie konnte sie jetzt einfach nicht Mutter nennen, hatte die Schwäche ihrer Schwester skrupellos mißbraucht. Sie hatte sie einfach mit einem Kind sitzen lassen, deren Lebensplanung zunichte gemacht, denn sicherlich hatte Roberta andere Pläne gehabt.

      Sie hatte aber auch ihren Vater von Anfang an getäuscht. Nicht nur, daß sie ihm ihr Kind verschwiegen hatte. Bettina fiel es wie Schuppen von den Augen. Sie hatte ihren Vater niemals geliebt, sondern war nur hinter seinem Geld her gewesen und hatte ihn, ohne mit der Wimper zu zucken, verlassen, als sich etwas Besseres geboten hatte in Form dieses reichen Mannes, den sie bestimmt auch nicht liebte, sondern nur sein unermeßliches Vermögen.

      Doch wunderte sie das?

      Gnadenlos hatte Carla auch ihr Lebensglück zerstört, indem sie durch eine Lüge Thomas und sie auseinander gebracht hatte. Hätte Carla nicht eingegriffen, wären Thomas und sie längst verheiratet, es hätte in seinem Leben keine Nancy gegeben, für sie keine Trennung von mehr als zehn Jahren und nicht das endgültige Aus für ihre Liebe, weil Thomas verheiratet war und es ihr verschwiegen hatte.

      Wie konnte Carla angesichts des Unglücks, das sie über so viele Menschen gebracht hatte, überhaupt ruhig schlafen?

      Aber sie konnte es, sie jettete durch die Welt, war überall anzutreffen, wo die Reichen und Schönen sich tummelten.

      Aber es würde sie einholen, der liebe Gott ließ so etwas nicht ungestraft. Doch vielleicht war Carla raffiniert genug, sogar dem lieben Gott durch die Lappen zu gehen.

      »Es tut mir leid, daß ich Sie mit dieser Wahrheit konfrontieren mußte«, sagte er mitleidig, weil er sah, wie erschüttert Bettina war.

      Sie lächelte tapfer.

      »Ich werde es verkraften, aber Sie… Sie wurden doch nach Strich und Faden betrogen.«

      Er schüttelte den Kopf.

      »Nein, da muß ich jetzt widersprechen. Das stimmt so nicht. Ich hatte eine ganz wunderbare Kindheit und Jugend. Roberta war eine ganz hervorragende Mutter, sie war sehr verständnisvoll, liebevoll, immer für mich da. Sie hat ihre Aufgabe, mit der sie ungewollt konfrontiert worden war, sehr, sehr ernst genommen. Sie hat mich sehr geliebt, ich sie im übrigen auch. Wir standen einander sehr nahe.«

      »Dann können Sie sich nur freuen«, erwiderte Bettina, und sehr viel Bitterkeit lag in ihrer Stimme. »Carla war keine gute Mutter. Sie hat immer nur an sich gedacht, sie war der Nabel der Welt, um den sich alles drehen mußte. Wenn Papa nicht gewesen wäre, dieser herzensgute, liebevolle Vater, dann hätten wir sehr arm dagestanden.«

      »Oh, das tut mir sehr leid.«

      »Sie können nichts dafür, aber jetzt, da sich herausgestellt hat, daß wir tatsächlich Halbgeschwister sind, sollten wir uns auch duzen, oder?«

      Damit war er sofort einverstanden.

      »Danke, Bettina. Ich hatte zunächst einmal eine geradezu höllische Angst, du würdest mir auch die Tür weisen wie dein Bruder Frieder, bei dem ich zuerst war. Der hat mich nicht einmal vorgelassen, sondern mich durch seine Sekretärin abwimmeln lassen.«

      Das paßte zu Frieder, das war typisch für ihn. Aber wie ging er denn mit ihr um, was hatte er ihr nicht schon alles angetan. Was er alles mit seinem einzigen Kind, seinem Sohn Linus, gemacht hatte, darüber mochte Bettina gar nicht mehr nachdenken. Linus war nicht umsonst weggelaufen und würde erst nach seinem achtzehnten Lebensjahr wieder auftauchen, wenn er sicher sein konnte, daß seine Eltern keine Macht mehr über ihn hatten.

      »Hast du ihm gesagt, daß du sein Bruder bist?« wollte Bettina wissen.

      Er schüttelte den Kopf.

      »Das konnte ich nicht, er hat ja, wie gesagt, überhaupt nicht mit mir gesprochen. Ich habe es ihm schon durch seine Sekretärin ausrichten lassen. Ein Grund für ihn, mir Hausverbot zu erteilen und mir anzudrohen, mich andernfalls durch die Polizei entfernen zu lassen. Was blieb mir anderes übrig, als zu gehen.«

      Er trank noch etwas Tee.

      »Weißt du, Bettina, ich möchte hier nichts erben, ich möchte nur meine Geschwister kennenlernen und natürlich auch meine leibliche Mutter. Vielleicht kannst du ja die Kontakte herstellen.«

      Da verlangte er etwas von ihr.

      »Ich glaube kaum, daß ich dir helfen kann«, sagte sie. »Mama…, nun wir hatten mehr als zehn Jahre überhaupt keinen Kontakt, und unser letztes Zusammentreffen war so unerfreulich, daß ich… Ich bin weggelaufen, weil es so gruselig war, und ich habe mir fest vorgenommen, sie nicht mehr zu treffen, so etwas möchte ich einfach nicht mehr erleben. Ich weiß nicht einmal ihre Adresse, aber die läßt sich vermutlich ganz leicht herausfinden. Sie heißt jetzt Carla Aranchez de Moreira und hat, wenn sie nicht an den Jet-Set-Plätzen der Welt herumschwirrt, ihren Hauptwohnsitz in Buenos Aires. Sie hat einen sehr, sehr reichen Mann geheiratet.«

      »Dann hat sie ihr Ziel auf jeden Fall erreicht«, sagte er.

      »Ja, das kann man wohl sagen. Frieder…, zu dem hattest du ja via Sekretärin bereits Kontakt. Zwischen uns herrscht im Augenblick Funkstille, er straft mich mit Verachtung, weil ich seinen Wünschen nicht nachkomme. Das ist eine lange Geschichte. Wenn du willst, erzähle ich sie dir mal, aber ich sage dir gleich, erzählenswert ist sie nicht. Dann gibt es noch Jörg, der ist allerdings für unbestimmte Zeit als Bagpacker unterwegs, im Moment in Neuseeland. Er wird vermutlich derjenige sein, der am wenigsten Probleme damit haben wird, noch einen Bruder zu haben. Und dann gibt es Grit. Die hat mit sich selbst genug zu tun, sie wird keine Zeit und Lust haben, sich mit dir auseinanderzusetzen. Tut mir leid, aber so ist es nun mal.«

      »Da bin ich aber froh, daß ich an dich geraten bin«, sagte er.

      Sie zuckte die Achseln.

      »Ich bin aus der Art geschlagen. Ich freue mich auf jeden Fall über den unverhofften Familienzuwachs und hoffe, daß wir uns nicht sofort wieder aus den Augen verlieren. Wo wohnst du denn?«

      »Oh, ziemlich weit entfernt, in Hamburg.«

      »Das ist allerdings ein Ende entfernt. Und darf ich neugierig sein? Was machst du dort, beruflich und privat? Bist du verheiratet? Hast du Kinder?«

      Er hielt ihr seine unberingten Hände entgegen.

      »Nein, weder verlobt noch verheiratet. Ich bin Arzt, Facharzt für Allgemeinmedizin und Kardiologie, und arbeite derzeit als Kardiologe in der Uniklinik in Eppendorf. Irgendwann möchte ich mich aber als Allgemeinmediziner niederlassen, doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Die Einrichtung einer Praxis kostet eine Menge Geld, und als Krankenhausarzt verdient man nicht gerade üppig. Doch darüber mache ich mir keine Gedanken. Es ist gut so, wie es ist. Jetzt bin ich auf jeden Fall froh, daß ich dich kennengelernt habe und daß du eine so Nette bist.«

      »Das kann ich zurückgeben«, lachte Bettina.

      Dann unterhielten sie sich noch eine ganze Weile, um mehr voneinander zu erfahren, aber natürlich reichte die Zeit nicht aus, denn Christian mußte noch zurückfahren, weil am nächsten Morgen sein Dienst wieder anfing.

      Aber sie versprachen sich, miteinander zu telefonieren, und er wollte auf jeden Fall wiederkommen und mehr Zeit mit seiner gerade gefundenen Schwester verbringen.

      *

      Nachdem

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