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ich wollten miteinander glücklich alt werden, und was ist daraus geworden? Das Schicksal hat grausam eingegriffen und ihn mir genommen. Ich frage mich immer wieder: Warum gerade er? Warum mußte er genau zu diesem Zeitpunkt seinen Kollegen vertreten? Und warum mußte genau da dieser lebensmüde Selbstmörder beschließen, in Martins Auto hineinzurasen? Kannst du mir das verraten?«

      Wie gut konnte Bettina nachvollziehen, daß Linde sich mit dieser Frage quälte. Sie selbst fragte sich das ja auch immer wieder. Warum gerade Martin?

      Er war ein wundervoller Mensch gewesen, ein hervorragender Tierarzt, ein verläßlicher Freund, und er hatte sich so sehr auf seine Kinder gefreut.

      Sie konnte jetzt nicht von Schicksal sprechen, von Vorbestimmung, davon, daß der Weg eines jeden Menschen vorgezeichnet war. Das stimmte zwar, aber das wollte derjenige, der vor Schmerz erstarrt war, nicht hören.

      »Ich weiß es nicht, Linde«, sagte sie.

      Linde wischte die Tränen weg, die unaufhaltsam über ihre Wangen rollten.

      »Ich komme nicht darüber hinweg«, flüsterte sie, »ich versuche ja, mich zusammenzureißen, mich nicht aufzuregen, weil dieser emotionale Streß den Kindern nur schadet. Doch ich schaffe es einfach nicht. Der Gedanke, daß sie ihren Vater niemals kennenlernen werden, macht mich reinweg verrückt.«

      »Sie werden sein Tagebuch lesen, das er für sie geschrieben hat, wir werden ihnen von ihm erzählen, du wirst ihnen Fotos zeigen.«

      Linde tupfte ihre Tränen weg.

      »Entschuldige, Bettina, ich wollte nicht jammervoll sein, aber es kam einfach über mich.«

      Bettina griff über den Tisch, legte ihre Hand auf Lindes Arm. »Wir sind Freundinnen, Linde. Wenn du reden willst, wenn du weinen willst, dann tu es einfach. Gefühle muß man herauslassen, sonst verursachen sie Störungen und können zu Krankheiten führen. Wenn du mich brauchst, ich bin immer für dich da.«

      »Und für mich? Wie sieht es mit mir aus?« ertönte eine Männerstimme. Sie hatten nicht bemerkt, daß Markus hereingekommen war und sich zu ihnen gesellt hatte. Er begrüßte beide, dann ließ er sich auf einen Stuhl fallen.

      »Für dich sind wir natürlich auch da, mein Lieber«, sagte Bettina. »Und das weißt du auch.«

      »Ja, das stimmt.«

      »Was machst du denn um diese Zeit hier?« wollte Linde wissen. »Hast du nichts zu tun?«

      »Doch, aber ich war kurz noch bei Frau Lindner, um sie daran zu erinnern, daß sie auf keinen Fall an jemanden außer uns verkaufen soll, wenn sie sich für einen Verkauf entscheidet. Die Aasgeier, sprich Immobilienhaie, kreisen nämlich schon wieder. Nun, die Lindersche hat mir gesagt, daß du gerade bei ihr warst und zu Linde gegangen bist, und da habe ich mir gedacht, daß ich euch beiden mal hallo sage.«

      »Eine gute Idee«, sagte Linde. »Willst du was trinken? Ich hab’ nämlich auch ein Attentat auf dich vor und hätte ohnehin bei dir angerufen.«

      »Ich würd’ gern ’ne Cola trinken, und was soll ich für dich tun?«

      Linde winkte eine Bedienung herbei und bestellte die Cola. Früher hätte sie es selbst gemacht, aber die fortgeschrittene Schwangerschaft und die Tatsache, daß sie von morgens bis abends selbst auf den Beinen war, ließ sie schneller ermüden, und sie ersparte sich vermeidbare Wege, selbst wenn sie kurz waren.

      »Oben im Kinderzimmer ein Regal zusammenbauen, aber das muß nicht jetzt sein, bei Gelegenheit. Ich habe schon so viele Sachen für die Kleinen, daß ich sie in den vorhandenen Schränken nicht mehr alle unterbringen kann.«

      »Ein Regal? Das ist eine gute Idee. Dann kann ich, wenn ich vorbeikomme, auch gleich die elektrische Eisenbahn mitbringen, die ich für Frederic gekauft habe.«

      »Markus, bist du verrückt? Die Kinder sind noch nicht mal auf der Welt!« rief Linde.

      »Ich bin Patenonkel«, erinnerte Markus sie, »da bin ich geradezu verpflichtet, Geschenke zu kaufen.«

      »Ich… ich habe auch wieder zwei kleine Stofftiere gekauft«, sagte Bettina, »einen ganz süßen Elefanten und einen lustigen Hasen mit langen Schlappohren. Ich konnte einfach nicht daran vor­übergehen. Und jetzt, da es noch ein Regal gibt, kann ich sie ja auch vorbeibringen, und, Linde, ehe du etwas sagst…, ich bin auch Patentante.«

      Linde schüttelte den Kopf.

      »Ihr seid verrückt, aber danke.«

      Markus bekam seine Cola serviert. Er trank etwas, dann blickte er zu Bettina. Ihm war anzusehen, daß er etwas auf dem Herzen hatte.

      »Bettina…« Er zögerte, wußte nicht so recht, wie er das, was ihn bewegte, zur Sprache bringen sollte.

      Bettina ahnte schon, wonach er sich gleich erkundigen würde. Und sie hatte sich nicht getäuscht.

      »Hast du…, hast du etwas von Doris gehört?«

      Jetzt, wo er sie darauf ansprach, fiel ihr auch auf, daß ihre Schwägerin sich seit mehreren Tagen nicht mehr gemeldet hatte. Das war ungewöhnlich. Sonst hatten sie in der Regel alle zwei, drei Tage miteinander telefoniert, seit Doris sich entschlossen hatte, erst einmal zu sich selbst zu finden und für Brodersen arbeitete.

      »Nö, schon einige Tage nicht«, antwortete sie wahrheitsgemäß. »Hat sie sich bei dir auch nicht gemeldet?«

      Er schüttelte den Kopf.

      »Nein, schon länger als eine Woche nicht. Und das verstehe ich nicht.«

      »Dann ruf du sie doch an«, bemerkte Linde.

      »Hab’ ich versucht, sie hat ihr Handy ausgestellt, und in der Firma will sie nicht angerufen werden, und einen privaten Festnetzanschluß hat sie nicht in diesem Appartement, das Brodersen ihr zur Verfügung gestellt hat.«

      Das war allerdings merkwürdig. Bettina hoffte nicht, daß Doris schon wieder für einen Mann entflammt war. Seit sie von Jörg getrennt und nun auch geschieden war, hatte es im Leben ihrer Schwägerin zunächst diesen Witwer mit den beiden Töchtern gegeben. Der war es nicht gewesen, aber das hatte Bettina auch verstehen können, nachher war sie nach Fahrenbach gekommen und hatte sich ratz, batz in Markus verliebt, was auf Gegenseitigkeit beruhte. Und wenn Jörg nicht wieder aufgetaucht wäre, hätte sich an dieser Liebe nichts geändert. Aber ein paar Stunden mit Jörg hatten ausgereicht, Doris an der Liebe zu Markus zu zweifeln. Bettina war nur heilfroh, daß Doris nicht nach Neuseeland geflogen war, um mit Jörg herumzureisen. Das wäre schiefgegangen, die Enttäuschung war vorprogrammiert gewesen. Statt dessen hatte sie den Job bei Brodersen angenommen, um zu sich selbst zu finden, um einmal mit sich allein zu sein, im Hintergrund aber immer noch Markus, zu dem sie auf jeden Fall zurückkehren wollte. Und nun dieses Schweigen?

      »Weißt du was, Markus, hake sie ab«, sagte Linde auf ihre pragmatische Art. »Ich hab’ deine Doris wirklich gern, aber was Gefühle und Beständigkeit anbelangt, da kannst du sie in der Pfeife rauchen.«

      »Linde, sag’ so etwas nicht.«

      »Doch, sieh den Tatsachen einfach ins Auge. Was soll denn diese Taktik: Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln? Entweder liebe ich jemanden oder ich liebe ihn nicht. Und wenn ich jemanden liebe, dann will ich mit ihm zusammen sein, meine Zeit mit ihm verbringen, und brauche nicht so etwas wie Zeit, um mich selbst zu finden, und dann kann es auch nicht passieren, daß mein Ex für ein paar Stunden auftaucht und ich seinem Charme wieder erliege. Markus, wir kennen uns schon aus dem Sandkasten. Du bist ein ganz wunderbarer Mann, und du hast eine Frau verdient, die zu dir steht und dabei bleibt, wenn sie einmal ja gesagt hat.«

      »Aber ich liebe Doris.«

      Linde schüttelte den Kopf.

      »Du glaubst sie zu lieben. Sie paßt wirklich nicht zu dir. Du mußt eine gestandene Frau haben, nicht eine, die mal hü und einmal hott sagt. Und, wie gesagt, das hat nichts mit Doris als Person zu tun, da ist sie wirklich liebenswert.«

      Hilflos blickte Markus zu Bettina herüber.

      »Ich

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