Скачать книгу

hatte sie eine solche Sehnsucht, wieder in diese Geborgenheit zu kommen, daß sie nicht einmal, wie sonst meist üblich, einen Abstecher zum Friedhof machte oder zu der kleinen Kapelle, die sie über alles liebte und in der sie sehr viel Zeit verbrachte.

      *

      Lindes Einladung war schnell überbracht, und wie zu erwarten gewesen, freuten Leni, Arno und Toni sich. Nun mußte sie nur noch Doris anrufen. Viel Lust hatte sie nicht, aber sie hatte es Markus versprochen, und an dieses Versprechen hielt sie sich.

      In ihrem Haus angekommen, sah sie, daß während ihrer Abwesenheit mehrere Anrufe gekommen waren.

      Christian hatte angerufen und sehr bedauert, sie nicht angetroffen zu haben, seine Stimme hatte deprimiert geklungen.

      Ein Anruf kam von ihrer Bank. Früher hätte sie das in helle Aufregung versetzt, weil das meist nichts Gutes bedeutet hatte. Aber jetzt konnte sie ganz gelassen sein. Von dem Erlös, den sie für ihre Seeschlachten-Gemälde erzielt hatte, war zwar schon eine Menge weg, aber es war noch genügend auf dem Konto. Also wegen einer Kontoüberziehung konnte der Anruf nicht erfolgt sein.

      Jemand hatte einfach aufgelegt. Das ärgerte Bettina immer wieder. Konnten diese Anrufer sich nicht entschuldigen, wenn sie sich verwählt hatten? Es kostete immer eine Einheit, gleichgültig, ob sie ein paar Worte sagten oder sofort wieder auflegten.

      Bettina drückte das Gespräch weg.

      Noch ein Anruf. Wahrscheinlich auch nichts Wichtiges. Doch da irrte sie sich.

      Es war Isabella Wood, die be­rühmte Filmschauspielerin. Es war schon verrückt, daß sie noch immer so engen Kontakt zueinander hatten, seit Isabella während einer großen Lebenskrise im Gesindehaus gewohnt und sich erholt hatte.

      »Hallo, Bettina«, ihre Stimme klang auch vom Anrufbeantworter unglaublich, »schade, daß ich dich nicht persönlich erreiche. Ich möchte dich gern einladen. Am Samstag findet in Herrenburg in der Stadthalle eine große Benefizveranstaltung statt. Es treten hochinteressante Leute auf, von Klassik bis Rock. Zimmer sind im Grandhotel reserviert. Entschuldige, daß es so kurzfristig ist, aber ich springe für einen erkrankten Kollegen ein und halte eine Laudatio. Bitte mache es möglich zu kommen, ich würde mich wahnsinnig freuen, dich wiederzusehen. Das wäre bei meinem so knappen Terminplan doch eine wunderbare Gelegenheit. Bitte komm. Das Konzert beginnt um neunzehn Uhr, ich werde aber schon gegen sechzehn Uhr im Hotel sein. Bitte, schick mir eine SMS, aber bitte nur eine Zusage.«

      Isabella.

      Wie oft hatte sie sie jetzt schon eingeladen, zu Preisverleihungen, Premieren. Leni, Arno und Toni hatten sie schon am Set besucht, als sie hier in der Nähe gedreht hatte.

      Bettina mußte nicht lange überlegen. Das würde sie sich auf keinen Fall entgehen lassen. Sie freute sich darauf, Isabella wiederzusehen, die trotz ihrer Berühmtheit so normal geblieben war, und sie freute sich auch auf das Konzert. Eine Abwechslung würde ihr gut tun und sie auf andere Gedanken bringen.

      Bettina schickte die SMS.

      Jetzt mußte sie nur noch Doris anrufen, und sie hoffte, Christian würde sich noch mal melden. Ihn anzurufen machte keinen Sinn, denn jetzt würde er arbeiten.

      Sie machte es sich in ihrer Bibliothek gemütlich und versuchte es zuerst auf dem Handy. Das war wirklich abgestellt. Also rief sie in der Firma an. Die Nummer von Brodersen kannte sie auswendig.

      Gleich würde Doris sich melden. Bettina hatte so selbstverständlich damit gerechnet, die Stimme ihrer Schwägerin zu hören, daß sie zunächst einmal nichts sagen konnte, als eine andere Frauenstimme erklang.

      Schließlich meldete Bettina sich, und offenbar wußte die Frau, wer sie war.

      »Soll ich Sie mit Herrn Brodersen verbinden?« erkundigte die Dame sich freundlich.

      »Äh…, nein, danke…, ich…, ich wollte eigentlich mit meiner Schwägerin, Frau Doris Fahrenbach, sprechen. Ist sie krank?«

      Das war ja wohl die einzige Erklärung, die es geben konnte, wenn Doris nicht an ihrem Platz am Empfang der Brodersen-Firma war.

      »Oh, nein, machen Sie sich keine Sorgen. Frau Fahrenbach hat Urlaub.«

      Urlaub?

      Doris arbeitete doch erst kurze Zeit bei Brodersen, da hatte man doch noch keinen Anspruch auf Urlaub. Soweit Bettina sich erinnern konnte, ging das erst nach einem halben Jahr.

      »Doris hat Urlaub?« sprach sie es dann auch aus.

      »Ja, das hat sich plötzlich ergeben, und Herr Brodersen hat ihr auch sofort frei gegeben. Wann kommt man schon nach Dubai.«

      Dubai? Bettina glaubte, sich verhört zu haben. Was, zum Teufel, machte Doris in Dubai? Und vor allem, mit wem war sie dort? Doris war niemand, der sich allein in ein solches Land wagte.

      Glücklicherweise erwartete die andere keinen Kommentar, sie plauderte munter weiter: »Wenn Herr Hansen mich gefragt hätte, ich wäre auch sofort mitgefahren. Das muß man sich mal vorstellen.«

      Herr Hansen? Wieder so etwas, worauf sie sich keinen Reim machen konnte.

      Aus der Firma konnte es niemand sein, denn Bettina konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, daß die Brodersen-Schnäpse in Dubai einen Absatzmarkt hatten. Andererseits war Herr Hansen in der Firma bekannt.

      »Hansen…, Hansen…«, wiederholte Bettina. »Ich weiß nicht, wohin ich den Namen stecken soll. Bitte, helfen Sie mir auf die Sprünge.«

      Die Frau am anderen Ende der Leitung kicherte.

      »Arne Hansen, das ist doch der Neffe von Herrn Brodersen, und der arbeitet mit an einem dieser großen spektakulären Projekte. Da werden doch gigantische Häuser auf diesen künstlich aufgeschütteten Inseln gebaut. Herr Hansen hat da auch Berechnungen gemacht. Auf jeden Fall hat der…, na, dieser Scheich, ihn jetzt eingeladen, und er hat Frau Fahrenbach mitgenommen.«

      Einfach so? dachte Bettina. Das sah ja wohl eher so aus, als habe Doris den nächsten Mister Right gefunden.

      Sie bedankte sich und beendete das Gespräch. Doris war unglaublich. Das konnte doch nicht wahr sein.

      Was sollte sie denn jetzt Markus sagen? Wie peinlich! Und Markus tat ihr auch so leid.

      Sie mußte es hinter sich bringen. Er war sofort am Telefon und hatte ihren Anruf wohl erwartet.

      »Und? Hast du mit Doris gesprochen?«

      »Nein.«

      »O Gott, ist sie krank?« Besorgnis klang aus seiner Stimme.

      »Nein, Markus, sie ist nicht krank, sie ist…, sie ist… auf einer Geschäftsreise.« Das stimmte ja auch in gewisser Weise. »Aber frag’ mich jetzt bitte nichts Näheres. Das weiß ich nicht. Ich habe es von ihrer Vertretung erfahren, und die konnte ich schlecht ausfragen. Und mich deswegen mit Brodersen verbinden zu lassen…, ich weiß nicht, das ist wohl nicht richtig. Sie wird sich melden, wenn sie zurück ist. Und jetzt entschuldige mich bitte, Markus, ich habe noch dringende Telefonate zu erledigen.«

      Sie fühlte sich so schlecht, Markus so zu hintergehen. Doch was hätte sie tun sollen? Ihm sagen, daß Doris gerade mal mit einem Herrn Hansen nach Dubai geflogen war?

      Geschäftsreise stimmte ja.

      »Klar, Bettina, ich will dich auch nicht länger aufhalten. Danke, daß du angerufen hast, jetzt bin ich ja doch beruhigt. Ist ja klar, daß sie sich von unterwegs nicht meldet.«

      Bettina hatte eine Stinkwut auf Doris, und sie ärgerte sich über sich selbst. Wäre es nicht richtiger gewesen, Markus reinen Wein einzuschenken? Aber was war die Wahrheit? Vielleicht lief ja zwischen Doris und diesem Herrn Hansen überhaupt nichts. Das allerdings war etwas, woran Bettina nicht wirklich glauben konnte.

      »Du, Markus, ich muß jetzt wirklich…«

      »Aber ja, danke, Bettina, wir sehen uns ja dann übermorgen, und wer weiß, vielleicht ist sie dann auch schon von ihrer Reise zurück und meldet sich.«

      »Ja,

Скачать книгу