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war sonst nicht ihre Art, aber bei Jan war sie irgendwie verunsichert, wußte nicht, wie sie sich verhalten sollte. Dabei hielt er sich diskret im Hintergrund, bedrängte sie nicht mit seinen Gefühlen. Aber er tat immer im richtigen Augenblick das Richtige, ohne viel Aufhebens davon zu machen.

      Nach dem Wochenende würde sie sich bei ihm melden, vielleicht konnten sie sich auch wieder einmal verabreden. Sie mußte Isabella fragen, ob die wußte, wo Jan sich derzeit aufhielt. Die beiden waren schließlich seit Kindertagen miteinander befreundet, und Jan war es auch gewesen, der ihr Isabella während ihrer großen Lebenskrise auf den Hof geschickt hatte.

      Bettina glaubte Motorengeräusche gehört zu haben und lief schnell zum Parkplatz.

      Sie hatte sich getäuscht, dort standen nur die alten Autos von Toni und Arno.

      Nein, die Männer waren von ihrer Probefahrt mit ihrem neuen Auto noch nicht zurück, und vermutlich würde das auch noch eine Weile dauern.

      Männer und Autos…

      Lächelnd ging Bettina wieder ins Haus zurück. Sie fühlte sich rundherum wohl und zufrieden.

      Einmal am Tag eine gute Tat, sagte man.

      Das hatte sie für heute auf jeden Fall mehr als erfüllt. Wenn sie an die ungläubigen Gesichter von Toni, Arno und Leni dachte und an ihre Freude…

      Bei dem Gedanken daran wurde ihr ganz warm ums Herz.

      Etwas zu bekommen war schön, aber etwas zu geben, das war noch viel, viel schöner…

      *

      Die nicht zu beschreibende Begeisterung von Arno und Toni, die ans Herz gehende Freude von Leni hallten in Bettina noch nach, als sie nach Herrenburg fuhr.

      Wer hätte gedacht, daß diese gräßlichen Bilder, und das waren sie für Bettina noch immer, einen so immensen Wert darstellten. Wenn sie daran dachte, daß sie sie verschenken wollte – aber Gemälde eines weltberühmten Malers in einer Truhe auf dem Fahrenbach-Hof, das war ein wirklich abwegiger Gedanke.

      Bettina machte ihr Autoradio an. Auf einem der Sender begann gerade ein Hörspiel. Warum nicht? Schon sehr bald war sie von der Handlung gefesselt, es war ein äußerst spannender Psychokrimi, der von hervorragenden Schauspielern gesprochen wurde.

      Der erste Teil der Fahrt verging wie im Fluge, nach Beendigung des Hörspiels machte sie das Radio aus. Sie dachte über das soeben Gehörte nach.

      Der Krimi hatte ein verblüffendes Ende genommen. Nicht der Schurke war der Täter gewesen, auf den sie auch getippt hatte, sondern die sanfte Cordula, der man diese Morde niemals zugetraut hätte.

      Bettina fuhr auf die linke Fahrspur und gab Gas. Und schon eine halbe Stunde später hatte sie ihr Ziel erreicht und ließ ihr Auto vor das ›Grandhotel‹ ausrollen.

      Herrenburg war ein kleines Städtchen, aber ein findiger Kulturdezernent hatte es zu einem angesagten, angesehenen Veranstaltungsort werden lassen. Auch um die heutige Veranstaltung hatten sich große Städte mit sehr viel mehr Potential bemüht, doch Herrenburg hatte den Zuschlag erhalten.

      Das Grandhotel war ein unspektakuläres, ziemlich altes Haus, doch der Schein trügte. Von innen war es top saniert und hatte, wie allgemein üblich geworden, eine große hervorragende Wellness-Abteilung, und da wollte Bettina viel Zeit verbringen, deswegen war sie so früh gekommen.

      Sie wollte die Sauna besuchen, sich massieren lassen, schwimmen, einfach die Seele baumeln lassen und dann ganz entspannt Isabella treffen, die hoffentlich Zeit für einen Plausch haben würde. Und dann würden sie gemeinsam den Abend verbringen. Bettina freute sich darauf. Sie hatte in der letzten Zeit nur wenig Abwechslung gehabt.

      Ein junger Mann in steingrauer Livree nahm ihr den Autoschlüssel ab, um den Wagen in die hoteleigene Garage zu fahren, ein anderer griff nach ihrer Tasche.

      Bei der Renovierung des Hotels hatte man die alten Stilelemente beibehalten, und so war es in der großen Halle fast wohltuend gemütlich und man fand nicht diese kalte marmorne Pracht vor wie in den meisten First-Class-Hotels.

      Da Bettina zu Isabella Wood, dem berühmten Filmstar, gehörte, wurde sie besonders zuvorkommend behandelt.

      Und natürlich bekam sie auch ein besonders schönes Zimmer, direkt neben Isabellas Suite.

      Nachdem der Boy, von ihr fürstlich entlohnt, gegangen war, schaute Bettina sich um. Der Raum erinnerte sie ein wenig an die Gästezimmer auf dem Chateau, zumindest so, wie sie ausgesehen hatten, ehe Catherine angefangen hatte, das Chateau nach ihren Wünschen umzugestalten. Bettina seufzte. Catherine gab es nicht mehr in Jörgs Leben, und ihr Versuch, sich zu verwirklichen, würde auf Dauer keine Spuren hinterlassen. Irgendwann würde eine neue Frau in Jörgs Leben treten, auch die würde Veränderungen vornehmen oder aber…, und das hatte Jörg ja angedeutet, er würde das Chateau Dorleac verkaufen.

      Wo er wohl jetzt sein mochte? Noch in Neuseeland? Schon verrückt, einfach alles stehen und liegen zu lassen, um eine Abenteuerreise mit Rucksack zu unternehmen. Klar, für das Weingut hatte er Marcel, der es umsichtig leitete. Aber die Verantwortung hatte doch Jörg, der mit seinem Erbe umging wie mit einem Spielzeug, das man, wenn es einem beliebte, einfach in die Ecke werfen konnte.

      Bettina konnte sich nicht vorstellen, einfach mal so für längere Zeit zu verreisen. Seit sie den Fahrenbach-Hof geerbt hatte, bemühte sie sich, ihn zu erhalten, auf ein solides Fundament zu stellen, und das ging nur mit viel Umsicht und Arbeit. Dieser Erlös aus dem Bilderverkauf hatte ihr natürlich sehr geholfen, aber er war keine Lösung. Um sich sorgenfrei zurücklehnen zu können, mußte sie noch einen langen Weg zurücklegen. Klar könnte sie es einfach haben, der Verkauf nur eines einzigen ihrer zum Bauland erklärten Grundstücke würde sie aller Sorgen entheben. Aber dazu würde es niemals kommen, und wenn sie Tag und Nacht arbeiten und trockenes Brot essen müßte.

      Der Fahrenbach-Hof mit allen dazugehörigen Grundstücken, dem See und dem Wald war mehr als fünf Generationen im Familienbesitz. Keiner von ihren Vorfahren hatte je etwas verkauft, und so sollte es auch bleiben. Sie würde es nicht tun, sondern alles daran setzen, um den Besitz für die nächste Generation zu erhalten.

      Nächste Generation?

      Im Moment sah das ziemlich trübe aus. Sie hatte Thomas, ihre große, ihre einzige Liebe, nun schon zum zweiten Mal verloren, und diesmal für immer. Mit ihm hatte sie eine Familie gründen wollen. Aber Thomas war ja verheiratet mit seiner Nancy, und das hatte er ihr wohlweislich verschwiegen. Ihre Augen füllten sich mit Tränen, die sie energisch wegwischte. Warum mußte sie immer wieder an Thomas denken? Er war die Gedanken und auch ihre Tränen nicht wert.

      Er hatte sie hintergangen, belogen. Sie waren durch die Intrige ihrer Mutter mehr als zehn Jahre getrennt gewesen, sie und Thomas hatten ein Leben ohne einander geführt. Wenn er ihr von Nancy erzählt hätte, wäre es schmerzlich gewesen, aber sie hätte es verstanden. Ihr aber etwas vorzumachen…

      Sie riß am Reißverschluß ihrer Reisetasche, holte die Sachen heraus, knallte sie auf das breite Mahagonibett, das mit einer hübschen, in abgestuften Grüntönen versehenen Tagesdecke bedeckt war.

      Thomas Sibelius…

      Sie wollte nicht mehr an ihn denken!

      Und sie wollte auch nicht mit ihm reden, obschon er immer wieder versuchte, Kontakt zu ihr aufzunehmen.

      Bettina verabscheute Lügen. Und sie war sauer auf sich, weil sie immer wieder an ihn denken mußte.

      Rasch verstaute sie ihre Sachen in dem geräumigen Kleiderschrank, dann griff sie nach Badetuch und ihrem Badeanzug.

      Sie würde sich die Gedanken an Thomas herausschwimmen, und wenn sie ihre Bahnen bis zur Bewußtlosigkeit ziehen mußte.

      *

      In den nächsten Stunden dachte Bettina nicht mehr an Thomas, sie dachte eigentlich an überhaupt nichts, sondern ließ sich einfach treiben.

      Nach dem Schwimmen besuchte sie die Sauna, ließ sich danach massieren, nahm einen kleinen Schluck an der Poolbar ein,

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