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entschuldigen Sie…, aber…, aber das ist so ungeheuerlich… Ich kann es…, nein, das kann nicht sein…«, stammelte sie hilflos herum. »Sie müssen sich irren…«

      »Nein, es stimmt.«

      Er griff neben sich, holte aus einer Tasche, die er während des Wartens draußen auf der Bank neben der Haustür abgestellt hatte, einen Aktenordner hervor und schob ihn über den Tisch.

      Bettina starrte auf den grauen Aktendeckel. Sie merkte, wie ihr Herzschlag sich beschleunigte, ihre Hände zitterten, und sie wußte irgendwie, daß er die Wahrheit sprach. Eine so ungeheuerliche Wahrheit. Ihre Mutter hatte ein Kind geboren, noch vor Frieder, und sie hatte es geheimhalten können, bis jetzt, da dieser Christian Berger aufgetaucht war und sie mit dieser Wahrheit konfrontiert hatte.

      Die selbstherrliche, egoistische Carla Aranchez de Moreira und ein uneheliches Kind?

      Das paßte nicht!

      Aber es paßte zu ihr, daß sie es verschwiegen hatte, einfach ausradiert aus ihrem Leben. Das hatte sie doch auch mit ihren ehelichen Kindern gemacht, nachdem sie den Milliardär aus Buenos Aires kennengelernt und geheiratet hatte. Sie hatte sie alle fallen lassen wie eine heiße Kartoffel: ihren Vater, ihre Geschwister und sie.

      »Ich kann das jetzt nicht lesen«, wisperte sie mit einer ihr kaum gehorchenden Stimme.

      »Aber das müssen Sie, damit Sie mir glauben.«

      »Erzählen Sie es mir… Ich glaube Ihnen.«

      *

      Man merkte es Christian Berger an, daß es ihm schwerfiel, einen Anfang zu finden. Auch er war, genau wie Bettina, emotional sehr bewegt.

      Sie drängte ihn nicht, sondern saß stocksteif auf ihrem Stuhl und bemühte sich, ruhig zu atmen.

      Ihre Mutter und ein uneheliches Kind…

      Das war ungeheuerlich, das war unfaßbar, aber auch sehr traurig, denn sie hatte sich offensichtlich niemals um ihren Sohn gekümmert, und er hatte ebenso offensichtlich keine Ahnung gehabt, wer seine leibliche Mutter war, denn sonst wäre er nicht erst jetzt gekommen. Er mußte ja, auch wenn man ihm das nicht ansah, älter als Frieder sein.

      »Meine Mutter war lange Jahre sehr krank«, drang seine Stimme in ihre wild durcheinander wirbelnden Gedanken. »Als sie spürte, daß es mit ihr zu Ende gehen würde, ihr Lebenswille hatte sie schon lange verlassen, gab sie mir Unterlagen, die ihre Geschichte, die ich zum ersten Mal hörte, bestätigten. Und sie gab mir auch Fotos…«

      Er griff wieder in seine Tasche, holte Fotos heraus, von denen er eines über den Tisch schob.

      Bettina starrte darauf wie auf ein Fabelwesen von einem anderen Universum.

      Es war ihre Mutter in jungen Jahren, aber daß sie es war, daran gab es überhaupt keinen Zweifel.

      »Das ist Mama.«

      Er kommentierte es nicht, sondern suchte aus dem Stapel ein zweites Foto heraus, auch das schob er ihr über den Tisch. Was sollte das denn? Es war wieder ihre Mutter, nur daß sie diesmal ein anderes Kleid anhatte, schlichter als auf dem ersten Foto.

      »Nun gut, was soll das… das ist Mama.«

      Hörte er nicht? Wollte er nicht hören?

      Er wühlte weiter in dem Stapel, und dann wanderte das dritte Foto über den Tisch.

      Offensichtlich waren sowohl die Einzelfotos als auch das mit beiden Frauen auf dem Bild an einem Tag aufgenommen worden, das erkannte man an der Kleidung, aber das bedeutete auch…

      Bettina hielt den Atem an, nahm das Foto in die Hand, legte es wieder weg, weil sie es nicht festhalten konnte.

      Die beiden jungen Frauen glichen einander wie ein Ei dem anderen!

      Es handelte sich hierbei ganz eindeutig um eineiige Zwillinge.

      Ihre Mutter hatte eine Zwillingsschwester. Aber warum hatte sie niemals von ihr erfahren? Warum hatte ihre Mutter ihnen ihre Schwester unterschlagen.

      Ihre Mutter hatte immer den Eindruck erweckt, ein Einzelkind zu sein.

      Das, womit sie da gerade konfrontiert wurde, war so unglaublich, so ungeheuerlich, daß bei Bettina das Denkvermögen aussetzte. Sie war eigentlich eine Frau, die Zusammenhänge sehr rasch erfassen konnte. Jetzt gelang es ihr einfach nicht. Es war zuviel auf einmal.

      Dieser Mann, der glaubhaft, wie sie inzwischen zu ahnen begann, versicherte, ihr Bruder zu sein…

      Ihre Mutter, die eine Zwillingsschwester gehabt hatte, die von ihr einfach totgeschwiegen worden war…

      Er hatte das letzte Foto wieder ein wenig zu sich herübergezogen und deutete auf die Frau im schlichteren Kleid.

      »Das ist Roberta, meine Mutter…, die Frau, von der ich glaubte, sie sei meine Mutter«, korrigierte er sich sofort. »Und das ist Carla…, unsere gemeinsame Mutter.«

      Typisch, dachte Bettina, schon als sie ganz jung gewesen war, hatte sie sich aufgebrezelt.

      Sie stand auf.

      »Möchten Sie noch einen Tee?«

      »Ja, sehr gern.«

      Bettina holte die Teekanne, zündete im Stövchen ein Teelicht an, stellte die Kanne darauf, nachdem sie eingeschenkt hatte, rein mechanische Bewegungen, die ihr gar nicht bewußt waren. Ihr Kopf war voll von dem bisher Gehörten und Gesehenen.

      »Ist es unverschämt, wenn ich mir noch einen von diesen köstlichen Schokoladenkeksen nehme?« erkundigte er sich.

      Das war irgendwo so banal, aber auch so greifbar realistisch, daß Bettina merkte, wie sie sich ein wenig entspannte.

      »Essen Sie, soviel Sie mögen, ich hab’ noch mehr davon«, sagte sie.

      Auch sie griff in die Keksschale, angelte sich gleich zwei Kekse heraus und schob sie in den Mund. Man sagte ja, daß Schokolade beruhigte. Das hatte sie im Augenblick bitter nötig.

      Er trank bedächtig von seinem Tee.

      Bettina brannte darauf, daß er endlich weitererzählte, doch sie wollte ihn nicht drängen. Auch für ihn war es gewiß nicht einfach, das alles wieder aufzurollen. Es mußte ihm doch schrecklich weh getan haben zu erfahren, daß seine Mutter nicht seine Mutter war und die leibliche, die eigentliche Mutter, sich niemals um ihn gekümmert hatte. Sie hatte ihren erstgeborenen Sohn einfach aus ihrem Leben gestrichen.

      Aber bei der Geburt ihrer weiteren Kinder hatte sie sich doch unweigerlich daran erinnern müssen, daß es da noch ein Kind gab.

      Seine Stimme durchbrach ihre Gedanken.

      »Roberta und Carla hatten eine sehr enge Beziehung, wie es ja speziell bei eineiigen Zwillingen der Fall ist. Roberta war immer die Zurückhaltende, während Carla, wie man so schön sagt, nichts anbrennen ließ. Sie hatte einen ganz ordentlichen Männerverschleiß, immer auf der Suche nach einem reichen Mann. Den hatte sie schließlich in ihrem Vater gefunden. Aber da wußte sie bereits, daß sie schwanger war von einem Mann, der ihr nicht das Leben bieten konnte, das sie sich erträumte. Ihrem Vater konnte sie das Kind nicht unterjubeln, das paßte zeitlich nicht.

      Als die Schwangerschaft nicht mehr zu übersehen war, redete sie ihrem Vater ein, sie müsse ihre Schwester für einige Zeit nach England begleiten. Sie blieb mit Ihrem Vater in Verbindung, konnte es verhindern, daß er sie besuchte. Sie war sich seiner sicher, denn er hatte ihr bereits einen Heiratsantrag gemacht. Diesen Goldfisch an der Angel wollte sie sich auf keinen Fall entgehen lassen.«

      Er machte eine kurze Pause, trank etwas von seinem Tee.

      Bettina begann am ganzen Körper zu zittern, sie ahnte, was gleich kommen würde, und sie hatte sich nicht getäuscht.

      »Als es soweit war, brachte sie mich unter dem Namen ihrer Schwester auf die Welt.«

      Bettina schloß die Augen.

      »Das ging ganz leicht, schließlich sahen sich die

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