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sagte Linde, »es ist alles in Ordnung mit ihnen. Ihr Gewicht ist normal, aber sie werden beide sehr groß, ihre Größe ist nach dieser Tabelle überdurchschnittlich.«

      »Du bist ja auch groß und Martin…« Sie hatte sagen wollen, der war auch groß, aber das brachte sie nicht über ihre Lippen.

      Wie sehr hatte Martin sich auf seine Kinder gefreut,und nun würde er sie nicht sehen, niemals.

      »Martin war auch nicht gerade klein«, beendete Linde den Satz… guck mal, das linke Baby ist Amalia. Ich finde, sie sieht aus wie Martin… eigentlich gleichen sie ihm beide.«

      Das war überhaupt nicht zu erkennen, dafür war es viel zu früh, aber Bettina konnte verstehen, daß Linde krampfhaft nach etwas suchte, in dem Martin fortleben würde. Das waren ja seine Kinder, aber Linde wünschte sich, daß sie aussahen wie er.

      Bettina ging auf das Spiel ein, weil sie wußte, daß es Linde tröstete.

      »Ja, die Kopfform haben beide von ihm, und die Nase… ja, ich finde, die Nase auch.«

      Sie konnte nicht mehr, sie konnte nicht so tun als ob.

      »Hat sich am Geburtstermin etwas geändert?« wechselte Bettina das Thema.

      »Nein, sie werden wohl kommen wie errechnet. Schon erstaunlich, daß sie meinen ganzen Streß so unbeschadet überstanden haben. Das macht mich sehr froh, und ich bemühe mich, ruhig zu sein, nicht mehr zu weinen. Tränen bringen mir Martin auch nicht mehr zurück, aber sie schaden den Kindern, und das ist doch das einzige, was mir von ihm bleibt. Das kann ich nicht auf’s Spiel setzen. Ich war mit Martin so unendlich glücklich, und ich glaube in der Zeit, die ich mit ihm haben durfte, haben wir mehr Glück, Liebe, Zärtlichkeit, Vertrauen genossen als manche Leute in einem langen Leben. Das muß ich mir vor Augen halten und dankbar sein und meine Liebe, meine ganze Kraft nun auf die Kinder konzentrieren. Auch wenn sie keinen Vater haben, so haben sie doch eine Mutter, die verpflichtet ist, ihnen ein glückliches Leben zu schaffen.«

      »Linde, wir sind auch noch da. Wir freuen uns auf die Kinder, und ganz besonders Leni kann es kaum erwarten, sie in den Armen zu halten. Sie strickt und näht und stickt wie eine Weltmeisterin für sie: Sachen zum Anziehen, aber auch ganz zauberhafte kleine Kissen mit eingestickten Namen, wunderschöne Schlaftiere.«

      Linde lächelte.

      »Ich weiß, sie hat mir, wahrscheinlich um mich aufzumuntern, und das ist ihr ja auch gelungen, schon einen ganzen Schwung vorbei gebracht. Ich hab’ sie gebeten, erst mal aufzuhören, weil ich jetzt schon viel zuviel habe, doch ich glaube, Leni ist nicht zu stoppen.«

      »Leni ist, wie sie ist. Auf jeden Fall wird sie die Kinder vergöttern, und sie hat mir jetzt schon angekündigt, daß wir für das Gesindehaus noch jemanden einstellen müssen, damit sie sich um die Kinder kümmern kann.«

      »Um Himmels willen, nein, das kann doch nicht zu deinen Lasten gehen, Bettina, red ihr das aus.«

      »Nicht im Leben. Ich werd Leni doch nicht um dieses Glück bringen. Ich habe ihr schon oft vorgeschlagen, daß wir noch jemanden einstellen, aber du kennst ja Leni, wenn sie nicht will, dann will sie nicht. Mach dir wegen der finanziellen Seite keine Sorgen, Linde. Ich habe die Bilder verkauft und einen dicken Batzen Geld auf meinem Konto. Ich will doch auch, daß es meinen Patenkindern gutgeht.«

      Linde hatte Tränen in den Augen.

      »Wenn ich euch nicht hätte. Ihr habt mir nach Martins Tod so sehr geholfen, und das hört auch jetzt nicht auf.«

      »Das ist eben wahre Freundschaft«, sagte Bettina, »Freunde müssen füreinander dasein, in guten und in schlechten Zeiten.«

      Damit sie jetzt nicht sentimental wurden, wechselte Bettina schnell das Thema.

      »Arno hat für die Kleinen schon wunderschöne Schaukelpferde gezimmert, sie müssen noch gestrichen werden, dann sind sie fertig. Und er bastelt schon an einem Puppenhaus, und ich glaub, Frederic soll einen Bauernhof bekommen, mit Ställen und allem, was dazu ge­hört… und der Toni, der ist auch wie besessen, der kauft ein Auto nach dem anderen.«

      »Wenn Martin das alles wüßte«, flüsterte Linde, »der würde sich so darüber freuen.«

      »Er weiß es«, sagte Bettina, »ich bin sicher, daß er es weiß, und er wird von seiner Wolke aus auch darauf achten, daß euch nichts passiert.«

      Linde winkte ab.

      »Es hört sich ja so schön an, aber ich kann die Geschichte nicht so recht glauben.«

      »Versuch es einfach, Linde. Als Papa gestorben ist, habe ich mich an den Gedanken geklammert, und das hat mir sehr geholfen.«

      »Ich weiß nicht…«

      Ihr Gespräch wurde unterbrochen, der Koch kam aus der Küche gerannt, wutentbrannt.

      »Frau Gruber, so geht das nicht weiter. Ich brauche eine andere Unterstützung als diese Käthe mit ihren zwei linken Händen. Die kostet mich die letzten Nerven, und ich kann mich nicht um die vierzig Essen kümmern für die Leute, die in zwei Stunden kommen werden, wenn ich immer noch ein Auge auf diesen Trampel haben muß.«

      Linde stand auf.

      »Tut mir leid, Bettina…«, dann wandte sie sich ihrem aufgebrachten Koch zu. »Das haben wir gleich, ich ziehe Hilde aus dem Service ab, mit der können Sie es doch gut, sie kann Ihnen helfen, und auch ich werde sie unterstützen. Käthe ist überhaupt nicht so schlecht, sie hat nur eine höllische Angst vor Ihnen, und sie will es ihnen recht machen, doch vor lauter Panik, Ihren Ansprüchen nicht zu genügen, macht sie Fehler. Sie dürfen Sie nicht immerfort anschreien.«

      »Aber ich…«

      Linde winkte ab.

      »Das regeln wir sofort, gehen Sie voraus, ich komme sofort nach.«

      Er ging in die Küche zurück, Linde umarmte verabschiedend ihre Freundin.

      »Als ich in Portugal war, hat er sich als Chef aufgespielt, er hat noch nicht begriffen, daß das vorbei ist. Entweder er ändert sein Verhalten, oder er macht einen Abflug, was ich sehr bedauern würde, denn er ist ein guter Koch. Aber in meinem Betrieb wird nicht geschrien. Ich schreie nicht, und mein Personal schon lange nicht… schade, Bettina, ich hätte noch gern mit dir geplaudert.«

      »Ich bin nicht aus der Welt, wir können noch telefonieren und weiter plaudern, es war ja auch nichts Wichtiges, was ich wollte. Ich wollte eigentlich nur Hallo sagen. Mach’s gut, und sei nicht so streng.«

      Sie verließ den Gasthof. Linde hatten ihren Betrieb wieder voll im Griff, und ihr Privatleben… der Schmerz würde sich auch irgendwann legen. Verluste konnte man nicht einfach wegschnippen, sie zu verarbeiten brauchte Zeit.

      Bettina stieg in ihr Auto und wollte eigentlich nach Hause fahren, aber dann entschloß sie sich, einen kleinen Abstecher zur Kapelle zu machen. Sie liebte diese kleine Kapelle, die einer ihrer Vorfahren für die Fahrenbacher gebaut hatte.

      Es schadete nicht, Kerzen anzuzünden – eine aus Dankbarkeit, weil sie die Bellert-Vertretung bekommen hatte, eine für das Geld für die Bilder und dann noch ein paar für Linde und die Zwillinge, dafür, daß es ihr selbst doch so gut ging, sah man mal davon ab, daß sie Thomas verloren hatte. Leni, Arno und Toni hatten auch ein Kerzchen verdient.

      Sie hielt ihr Auto an und ging das letzte Stück des Weges zu Fuß hinauf, an dem munter dahinplätschernden Bach entlang, der sich über blankpolierte Steine seinen Weg hinunter ins Dorf suchte, um sich mit dem Fluß zu vereinen.

      In der Kapelle angekommen, zündete sie ihre Kerzen an, dann setzte sie sich auf, man konnte schon sagen, ihren Platz.

      Von dieser altersdunklen Bank konnte sie die flackernden Kerzen beobachten, hatte aber auch den einfachen Altar vor Augen mit seinem schlechten Eisenkreuz, in das allerdings wunderschöne Perlmutt-Elemente eingelegt waren.

      Im Sommer mochte sie diesen Platz besonders gern, denn dann brach sich das Sonnenlicht in den bunten Glasscheiben und zauberte Bilder auf den Terracottaboden.

      Aber

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