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wieder überzogen? Aber nein, sie achtete doch peinlich genau darauf, weil sie wußte, wie unerbittlich er war und schon Theater machte bei einer geringfügig über den vereinbarten Saldo hinausgehenden Überziehung.

      »Guten Tag, Frau Fahrenbach. Schön, daß ich Sie sofort am Telefon habe.« Seine Stimme klang aufgeregt.

      »Ist etwas passiert, Herr Axendörfer?«

      »Nun, Frau Fahrenbach, Ihrem Konto ist ein Betrag gutgeschrieben worden, äh… hm… ich möchte mich nur erkundigen, ob das seine Richtigkeit hat.«

      Was sollte das denn? Ihrem Konto wurden immerfort Beträge gutgeschrieben, wenn Kunden ihre Rechnungen bezahlten.

      Sie kommentierte das nicht, und es wurde von ihm auch nicht erwartet. Seine Stimme klang verschwörerisch, sank zu einem Flüstern herab.

      »Frau Fahrenbach«, sie konnte ihn kaum verstehen, so leise sprach er. »Frau Fahrenbach, auf Ihrem Konto ist ein Betrag von mehr als«, er stockte, als habe er Schwierigkeiten, es auszusprechen, »ein Betrag… von mehr als… achthundert­undfünfzigtausend Euro eingegangen.«

      Welch ein Glück, das Auktionshaus hatte den Betrag für den Verkauf der Seeschlachten-Gemälde überwiesen, und damit würden ihre Sorgen erst einmal ein Ende haben.

      Sie hatte es ja gewußt, aber jetzt zu hören, daß der Betrag tatsächlich auf ihrem Konto war, nahm ihr fast den Atem. Dieser Batzen Geld für Bilder, die Ewigkeiten in einer alten Truhe auf der Remise gelegen hatten. Und wenn Arno sie nicht gefunden hätte, lägen sie noch immer da. Arno war es auch gewesen, der sie gedrängt hatte, sie prüfen zu lassen. Bettina hätte sie am liebsten verschenken wollen, aber niemand hatte sich dafür interessiert. Wie hatte sie auch ahnen können, daß Aegidius Patt ein berühmter Maler gewesen war und seine Bilder in Museen hingen. Nun, die Seeschlachten würden in kein Museum wandern, ein privater Sammler hatte sie schon von der geplanten Auktion gekauft und einen ordentlichen Preis dafür bezahlt. Und nun also war das Geld auf ihrem Konto.

      Herr Axendörfer deutete ihr Schweigen vollkommen falsch.

      »Ich habe es überprüft, Frau Fahrenbach. Ihr Name und Ihre Kontonummer stehen auf dem Überweisungsträger. Es ist übrigens eine Auslandsüberweisung.«

      »Herr Axendörfer, es ist korrekt. Das Geld ist für mich bestimmt. Ich habe ein paar Gemälde verkauft.«

      Bettina spürte förmlich, wie seine Gehirnwindungen knackten und wie sie in seiner Achtung stieg.

      »Frau Fahrenbach.«

      Er war überwältigt, denn wenn sie für Bilder so eine Menge Geld bekam, dann hatte sie vielleicht noch mehr, was sie zu Geld machen konnte. Das würde Umsatz für seine Filiale bedeuten, ihn aufwerten. Das Geld mußte unbedingt bei ihm bleiben.

      »Frau Fahrenbach, haben Sie sich schon Gedanken darüber gemacht, wie Sie das Geld anlegen wollen? wir haben ganz hervorragende Spezialitäten, ich kann einen Termin für Sie arrangieren.«

      Es war unglaublich, so typisch Banker. Wenn man Geld benötigte, und sei es nur für kurze Zeit, wollten sie mehrfache Sicherheiten, taten sich schwer. Aber wenn Geld da war, da wurde man umtanzt wie das goldene Kalb.

      Sie hätte mehrfach seine Hilfe gebraucht, sich aber nicht getraut, ihn zu fragen, nachdem er wegen einer kleinen Überziehung schon ungehalten gewesen war.

      Bettina mußte lachen.

      »Herr Axendörfer, das Geld ist ja gerade erst mal auf meinem Konto, danke, daß Sie mich angerufen haben. Ich werde Sie darüber informieren, was ich damit zu tun gedenke.«

      »Aber das Geld bleibt doch in unserem Haus?« erkundigte er sich fast angstvoll.

      »Aber ja, Herr Axendörfer, Sie können beruhigt sein, ich gehe damit zu keiner anderen Bank.«

      Warum denn auch. Die Banken waren alle gleich. Bei Sonnenschein boten sie einem einen Regenschirm an, und bei Regen ließen sie einen im Regen stehen, im wahrsten Sinne des Wortes.

      Sie wechselten noch ein paar unverbindliche Worte miteinander, dann war das Gespräch beendet.

      Bettina rannte hinüber in Tonis Büro, wo der an seinem Computer saß und Rechnungen ausdruckte.

      »Toni, das Geld für die Bilder ist auf meinem Konto, jetzt fehlt uns nur noch der Bellert Auftrag. Die Rechnungen für seine zehn Produkte könnten wir doch jetzt mit der linken Hand bezahlen, und du kannst endlich die Auftragsbestände aufstocken… nicht mehr kleckern, klotzen.«

      »Die Sekretärin vom Bellert hat angerufen. Weil deine Leitung belegt war, ist das Gespräch bei mir gelandet. Herr Bellert will übermorgen um elf Uhr kommen. Ich hab’ zugesagt. Das ist dir doch recht?«

      »Na klar, danke, Toni. Ach weißt du, ich kann es noch immer nicht fassen, daß wir aus diesem Klein-Klein herauskommen. Ich hab’ ja noch Schulden zu bezahlen, brauche Geld für den Umbau der Remise, aber zu wissen, daß alle Lieferanten ihre Rechnungen pünktlich bezahlt bekommen, ist ein so beruhigender Gedanke. Und du kannst gleich aufstocken und deine Bestellungen durchgeben, damit wir nicht immer nur die kleinen Mengen hier haben und streckenweise bei Aufträgen warten müssen, daß der Nachschub von den Lieferanten kommt. Das erleichtert doch auch deine Arbeit, und wir können erhebliche Frachtkosten sparen.«

      »Ja, das stimmt schon, aber was nicht geht, geht nicht, wir haben uns doch auch so tapfer geschlagen… du kannst dir jetzt auch so manchen Wunsch erfüllen.«

      »Toni, ich brauch nichts, ich bin glücklich, aber ich werde auf jeden Fall einen größeren Betrag spenden. Das Geld ist mir so in den Schoß gefallen, da muß man auch Dankbarkeit zeigen.«

      »Bettina, du spendest doch auch so dauernd.«

      Sie winkte ab.

      »Das sind doch immer nur kleinere Beträge, nein, diesmal will ich einen größeren Betrag hergeben. Ich muß mir nur noch überlegen, wem ich das Geld zukommen lasse. Aber da wird mir schon was einfallen. Ach, Toni, zwei schöne Dinge sind heute schon passiert, das mit dem Geld, und ich glaube, Bellert kriegen wir auch auf unsere Seite, sonst würde er sich nicht herbemühen. Wie heißt es doch so schön? Aller guten Dinge sind drei. Etwas muß noch passieren. Na ja, wer weiß, vielleicht kommt noch ein großer Auftrag herein. Ich geh mal wieder an meinen Schreibtisch.«

      »Und ich ins Lager. Bis später dann, Bettina.«

      *

      Bettina hatte ihre Arbeit nur für Essenspausen unterbrochen.

      Glücklich und zufrieden ging sie jetzt zu ihrem Haus, nachdem sie bei den Dunkels noch eine Kleinigkeit gegessen hatte.

      Jetzt freute sie sich auf einen gemütlichen Abend. Vielleicht gab es einen spannenden Film im Fernsehen, wenn nicht, würde sie eine DVD einschieben oder lesen.

      Das dritte wunderbare Ereignis war nicht eingetroffen. Doch das machte nichts. Allein das Geld auf ihrem Konto reichte. Sie würde zwar nicht sagen, daß sie deswegen glücklich war. Materielle Dinge konnten nicht glücklich machen. Aber beruhigen konnten sie, das ganz sicher.

      Frohen Mutes schloß sie ihre Haustür auf und dann entdeckte sie auf der Kommode, wo Leni ihre Post immer hinlegte, sofort den wattierten Umschlag.

      Davon hatte Leni ja überhaupt nichts gesagt.

      Neugierig nahm Bettina den Umschlag in die Hand. Ihr Herz begann wild zu klopfen. Natürlich hatte sie die schwungvolle Schrift sofort erkannt. Das Päckchen kam von Jan van Dahlen. Sofort bekam Bettina ein schlechtes Gewissen. Sie hatte ihm auf dem Flughafen, als sie Linde abgeholt hatte und sie sich zufällig begegnet waren, hoch und heilig versprochen, sich zu melden. Und das hatte sie bis heute nicht getan. Nicht, daß sie nicht an ihn gedacht hätte, oh nein, er war ihr mehr als einmal in den Sinn gekommen. Aber Jan war ein gutaussehender, charmanter Mann, der in sie verliebt war, und sie litt noch unter der Trennung von Thomas.

      Sie nahm den Umschlag mit in die Bibliothek, setzte sich in ihren Lieblingssessel. Im Kamin brannte bereits ein Feuer. Arno war wirklich ein Schatz, noch während sie mit Leni geredet hatte,

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