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so tiefliegenden Auto hinunterzubrausen.

      Sie ging zu Holger zurück, der in seinem Sessel saß und ins Kaminfeuer blickte. »Tut mir leid, Holger«, sagte sie und setzte sich.

      Er wandte ihr den Blick zu.

      »Du mußt dich doch nicht für Grits Verhalten entschuldigen.«

      »Es tut mir leid, daß sie dich verletzt hat.«

      Er winkte ab.

      »Ach, das kann sie schon lange nicht mehr. Das ist vorbei. Die Leidenszeit ist vorbei, sie kann mir nur noch leid tun. Sie ist nicht mehr die Frau, die ich einmal geheiratet habe.«

      »Ja, sie hat sich sehr verändert. Du hättest wegen des Hauses nicht klein beigeben müssen, sei glaubt sonst, mit Frechheit alles erreichen zu können. Schließlich hat sie genug Geld und ist auf das Haus nicht angewiesen.«

      »Bettina, für mich ist wichtig, daß ich schnell geschieden werde und daß mir die Kinder bleiben. Sie sind glücklich bei mir, und je mehr Zeit vergeht, umso weniger haben sie Lust, zu ihrer Mutter zu gehen, sie fragen ja schon jetzt kaum nach ihr. Sie sollen glücklich und unbeschwert heranwachsen, das ist viel, viel wichtiger als ein Haus, das mein ich ganz ehrlich.

      »Ich weiß, Holger… sag, hast du Lust auf einen Spaziergang?«

      »Das ist eine super Idee«, sagte er und stand auf.

      Als er ihren unglücklichen Gesichtsausdruck bemerkte, legte er einen Arm um ihre Schulter.

      »Du darfst dir so etwas nicht zu sehr zu Herzen nehmen, Bettina. Das Leben ist nun mal kein langer, träge dahinfließender Fluß.«

      Das wußte sie, doch da, was sich jetzt innerhalb ihrer Familie abspielte, was sich in ihrem Leben abgespielt hatte, war schon ein ganz schöner Strudel, und man mußte sehr aufpassen, um vom Sog nicht heruntergezogen zu werden.

      *

      Als die Kinder nach Hause gekommen waren, war das einzige Gesprächsthema der Zirkus. Von diesem Besuch waren sie noch so erfüllt, daß sie über nichts anderes sprechen wollten und sich deswegen auch nicht daran erinnerten, daß ihre Mutter eigentlich kommen wollte.

      Bettina war so froh, daß sie ihnen nicht gesagt hatte, daß ihre Mutter am nächsten Morgen zum Frühstück kommen wollte, denn das geschah nämlich nicht.

      Bettina und Toni gingen mit den Kindern in den Stall. Dort durften sie unter Anleitung der Erwachsenen Bondadosso putzen, und danach hatte Bettina ihnen versprochen, ihnen eine erste Reitstunde zu geben.

      Die Kinder platzten beinahe vor lauter Stolz. Glücklicherweise war ihr Bondi ein sehr gutmütiges Pferd und ging an Longe zuerst Schritt und dann Trab.

      »Tante Bettina, können wir jetzt nicht galoppieren?« juchzte Niels, der nicht genug bekommen konnte.

      Bettina hielt das Pferd an, ging auf den Jungen zu.

      »Reiten ist etwas anderes, als einfach nur herumzuheizen. Ich kann dir gern jeden Tag etwas beibringen, wenn das Wetter mitspielt, weil ich ja keine Reithalle habe. Um ein richtiger Reiter zu werden, mußt du viele Lektionen lernen, vom richtigen Sitz angefangen über den Schenkeldruck, die korrekte Zügelführung und noch mehr. Also sei bitte nicht ungeduldig. Und jetzt üben wir erst mal den richtigen Sitz. Du hängst nämlich auf dem Pferd wie ein Schluck Wasser in der Kurve.«

      Niels wurde rot, und Merit, die mit Toni am Zaun stand, kriegte sich vor Lachen nicht mehr ein.

      »Lach nicht, kleines Fräulein. Das Lachen wird dir nämlich noch vergehen, wenn du gleich auf dem Pferd sitzt. So einfach ist das nicht, und der Niels macht seine Sachen schon sehr gut, wenn man bedenkt, daß er zum ersten Mal auf dem Pferd sitzt.«

      Merit verstummte augenblicklich, und Niels grinste vor lauter Freude.

      Der Vormittag mit den Kindern war ganz schön anstrengend, und Bettina war froh, als sie Toni das Pferd übergeben konnte. Unter seiner Aufsicht durften die Kinder Bondi trocken führen und daran hatten sie fast noch mehr Spaß als am Reiten selbst.

      Bettina ging zurück in ihr Haus.

      Holger saß im ehemaligen Arbeitszimmer ihres Vaters und bereitete sich auf seine Unterredung in seiner Firma vor. Bettina bemühte sich, keinen Krach zu machen und benutzte das untere Badezimmer, um sich die Hände zu waschen.

      Dann hörte sie ihren Anrufbeantworter ab.

      Der erste Anruf kam von Linde, die sie alle zum Essen einladen wollte und um Rückruf bat. Beim zweiten hatte jemand sofort aufgelegt, vermutlich falsch gewählt. Der dritte Anruf war von Grit.

      »Äh… ich… Bettina… tut mir leid, das mit dem Treffen mit den Kindern wird nichts, ich… ich muß zurück… aber es ist vielleicht auch besser so… ich… ich… melde mich noch, es…«, im Hintergrund war eine unwirsche Männerstimme zu hören, fast eingeschüchtert beendete Grit ihr Telefonat. »Ja, dann auf Wiederhören.«

      Bettina mußte sich erst einmal setzen. Das war so unglaublich, wie ein schlechter Film.

      Hatte dieser Mensch genug eingekauft und wollte nun wieder weg? Oder hatten sie gestritten, er mit Abreise gedroht, und Grit folgte ihm wie ein Schoßhündchen.

      Egal.

      Das konnte sie nicht machen.

      Bettina wählte Grits Handynummer. Das Handy war ausgeschaltet, sie konnte ihr also nicht einmal eine Nachricht hinterlassen.

      Dieser Mann tat Grit nicht gut, und das, was sie miteinander verband war keine Liebe. Sie war ihm hörig, und er machte Spielchen mit ihr und manipulierte sie, und so ganz nebenbei ließ er sich von ihr aushalten.

      Sie hatte den Verstand verloren, aber Bettina hoffte inständig, daß Grit irgendwann einmal erwachen würde. Aber dann würde sie nur noch einen Scherbenhaufen vorfinden. Sie tat ihr jetzt schon leid.

      Holger kam die Treppe herunter.

      »Hast du was von Grit gehört? Sie ist doch schon wieder überfällig.«

      »Sie kommt überhaupt nicht«, sagte Bettina, und dann erzählte Bettina ihrem Schwager, was Grit ihr auf Band gesprochen hatte.

      »Wenn die Kinder nicht nach ihr fragen, werden wir nicht von uns aus anfangen. Und wenn sie sich doch erkundigen sollten, dann sagen wir ihnen, Grit sei krank geworden. In dem Fall muß eine Notlüge herhalten.«

      Und so einen Mann hatte Grit betrogen, ihn gehen lassen. Er hätte die Chance, Niels und Merit gegen ihre Mutter aufzubringen. Aber das tat er nicht, im Gegenteil, er schonte Grit, damit die Kinder keine so schlechte Meinung von ihrer Mutter hatten.

      Bettina hatte ihren Schwager schon immer gemocht. Aber jetzt mochte sie ihn noch mehr, und sie wünschte ihm von ganzem Herzen, daß er das Glück bekam, das er verdiente.

      *

      Es war erschreckend, aber die Kinder hatten sich nicht nach ihrer Mutter erkundigt und sie auch nicht vermißt.

      Niels hatte einmal so ganz nebenbei gefragt – wollte Mama nicht kommen? Aber eine Antwort hatte er nicht wirklich erwartet und sich sofort wieder anderen Dingen zugewandt, wobei das Reiten absolute Priorität hatte und Holger ihm schon versprechen mußte, in Vancouver einen Reitstall ausfindig zu machen, damit er richtig reiten lernen konnte.

      Nachdem Bondi einmal gebuckelt hatte, war Merit sich nicht mehr so ganz sicher gewesen, ob sie das auch wollte. Ihre Euphorie war recht schnell vorbei gewesen. Aber vielleicht hatte es auch daran gelegen, daß sie von Leni so viele verlockende Angebote bekommen hatte.

      Auf jeden Fall waren die Kinder glücklich gewesen und die Erwachsenen auch, und allen war recht wehmutsvoll ums Herz, als sie wieder voneinander Abschied nehmen mußten. Besonders Leni und Toni waren betroffen gewesen.

      Nun war der Alltag auf dem Fahrenbach-Hof wieder eingekehrt, und Bettina machte sich an die Arbeit. Es war schon eine Menge aufzuarbeiten.

      Sie war gerade dabei, sich in einen Vorgang einzuarbeiten, als ihr Telefon klingelte.

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