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Lärm als hundert Soldaten aus christlichen Heeren… Ich muss gestehen, dass ich die Türken bei meinen mehrfachen Begegnungen stets freimütig und loyal erlebt habe, und wenn es erforderlich war, Mut zu beweisen, haben sie dies stets getan.21

      Entsprechend düster sah es zu Beginn des 15. Jahrhunderts aus für Konstantinopel. Belagerungen durch die Osmanen waren zu einer regelmäßig wiederkehrenden Begleiterscheinung des Lebens geworden. Als Kaiser Manuel 1394 seinen Vasalleneid brach, unternahm Sultan Bajezit mehrere Angriffe auf die Stadt, die erst eingestellt wurden, als Bajezit 1402 selbst in einer Schlacht vom türkischen Mongolen Timur besiegt wurde. Danach bemühten sich die byzantinischen Kaiser verzweifelt um Hilfe aus dem Westen – Manuel reiste 1400 sogar nach England –, während sie gegenüber den osmanischen Thronprätendenten eine Politik diplomatischer Intrigen und selektiver Unterstützung verfolgten. Sultan Murat II. belagerte Konstantinopel 1422, um Thronaspiranten zu ermutigen, doch die Stadt hielt abermals stand. Die Osmanen verfügten weder über eine Kriegsflotte, um die Stadt abzuriegeln, noch über die Technologie, ihre massiven Landmauern schnell zu stürmen, und Manuel, der mittlerweile zwar ein alter Mann war, aber nach wie vor ein gerissener Diplomat, gelang es, mittels eines weiteren osmanischen Möchtegern-Führers im Osmanischen Reich die Gefahr eines Bürgerkriegs zu schüren. Die Belagerung wurde aufgehoben, doch Konstantinopel war nun stark angeschlagen. Es war wohl nur noch eine Frage der Zeit, bis die Osmanen abermals auf die Stadt vorrücken und eine weitere Belagerung wagen würden. Allein die Angst vor einem vereinten europäischen Kreuzzug hielt sie noch davon ab.

       Mehmet Chelebi – Sultan – möge Gott die Zügel seiner Herrschaft an die Pflöcke der Ewigkeit binden und die Säulen seiner Macht stärken bis zum vorbestimmten Tag!

       Inschrift auf dem Grabmal der Mutter von Mehmet II.1

       Konstantin Palaiologos, in Christi der wahre Kaiser und Alleinherrscher der Römer

       Offizieller Titel von Konstantin XI., dem 88. Kaiser von Byzanz

      Der Mann, der die Schlinge der Muslime um die Stadt enger zusammenziehen sollte, wurde zehn Jahre nach der Belagerung durch Murat geboren. Der türkischen Überlieferung zufolge war 1432 ein Jahr der bösen Omen. Stuten brachten viele Zwillinge zur Welt; Bäume neigten sich unter der Last ihrer Früchte; ein Komet mit langem Schweif erschien am Mittagshimmel über Konstantinopel. Am Abend des 29. März wartete Sultan Murat im Königspalast in Edirne auf Nachrichten über die Geburt seines Kindes; da er nicht schlafen konnte, begann er im Koran zu lesen. Er war gerade zu den Suren über den Sieg der Muslime gelangt, jenen Versen, in denen der Triumph über die Ungläubigen versprochen wird, als ein Bote die Nachricht brachte, dass ihm ein Sohn geboren worden sei. Er erhielt den Namen Mehmet, den Namen von Murats Vater, die türkische Version von Mohammed.

      Wie viele Prophezeiungen haben auch diese deutliche Bezüge zur Vergangenheit. Mehmet war der dritte Sohn Murats; seine beiden Halbbrüder waren wesentlich älter, und der Junge erfreute sich nie einer besonderen Zuwendung seines Vaters. Er hatte nur geringe Chancen, später einmal Sultan zu werden. Für den Eintritt Mehmets in die Welt ist es vielleicht bezeichnend, dass über die Identität seiner Mutter wenig bekannt ist. Zwar versuchten einige türkische Geschichtsschreiber sie als ethnische Türkin und Muslima darzustellen, doch vieles spricht dafür, dass sie eine Sklavin aus dem Westen war, die bei einem Vorstoß über die Grenze gefangengenommen oder von Piraten entführt worden war, vielleicht eine Serbin oder Mazedonierin und höchstwahrscheinlich ursprünglich eine Christin – was ein eigenartiges Licht wirft auf einige Widersprüchlichkeiten in Mehmets Charakter. Unabhängig davon, welche Einflüsse sich in seiner Herkunft niederschlugen, entwickelte Mehmet ganz andere Wesenszüge als sein Vater Murat.

      Mitte des 15. Jahrhunderts waren die osmanischen Sultane keine ungebildeten Stammeshäuptlinge mehr, die im Sattel ihrer Pferde kriegerische Horden anführten. Die Verbindung des Glaubenskrieges mit dem Streben nach Beute hatte ein neues Selbstverständnis hervorgebracht. Der Sultan genoss in den Ländern des Islam nach wie vor hohes Ansehen als oberster Feldherr des Heiligen Krieges, doch dies wurde immer mehr zu einem Mittel dynastischer Politik. Die osmanischen Herrscher bezeichneten sich jetzt als »Sultan von Rum« – ein Titel, der Anspruch auf das Erbe des alten christlichen Reiches erhob – oder als »Padischah«, eine persische Bezeichnung für König oder Alleinherrscher. Von den Byzantinern übernahmen sie die Vorliebe für die zeremonielle Seite der Monarchie; ihre Prinzen wurden formell auf ihre späteren Aufgaben vorbereitet; die Paläste erhielten hohe Mauern; der Zugang zum Sultan wurde sorgfältig überwacht. Aus Angst vor Gift, Intrigen oder Mordkomplotten entfremdeten sich die Herrscher zunehmend von ihren Untertanen – eine Entwicklung, die nach der Ermordung von Murat I. durch einen serbischen Gesandten nach der Schlacht auf dem Amselfeld 1389 eingesetzt hatte. Die Herrschaft von Murat II. stellte diesbezüglich einen Wendepunkt dar. Er bezeichnete sich weiter als »Bey« – der alte Titel für einen türkischen Adeligen – und nicht als »Sultan«, und er war bei seinem Volk sehr beliebt. Der ungarische Mönch Bruder Georg stellt überrascht fest, wie wenig zeremonieller Aufwand um ihn herum getrieben wurde. »Auf seiner Kleidung oder an seinem Pferd hatte der Sultan kein Zeichen, das ihn besonders hervorhob. Ich beobachtete ihn bei der Beerdigung seiner Mutter, und wenn man mich nicht auf ihn aufmerksam gemacht hätte, hätte ich ihn nicht erkannt.«2 Zugleich wurde eine gewisse Distanz geschaffen zwischen dem Sultan und seiner Umgebung. »Er nahm in der Öffentlichkeit niemals etwas zu sich«, beobachtete Bertrandon de la Brocqière, »und nur sehr wenige Menschen können sich rühmen, ihn sprechen oder trinken oder essen gesehen zu haben.«3 Diese Entwicklung führte dazu, dass sich die späteren Sultane weitgehend abriegelten in der hermetischen Welt des Topkapi-Palastes mit seinen kahlen Außenwänden und seinen prachtvollen Ritualen.

      Die kühle Atmosphäre des osmanischen Hofes prägte Mehmets Jugendjahre. Die Frage der Thronfolge warf einen langen Schatten auf die Erziehung der männlichen Kinder. Dass auf den Vater unmittelbar der Sohn folgte, war von entscheidender Bedeutung für das Überleben des Reiches – der Harem bot die Gewähr dafür, dass es stets genügend männliche Nachkommen gab –, doch darin lag zugleich seine größte Schwäche. Um den Thron stritten sich die männlichen Erben. Es gab kein Gesetz, das dem Ältesten den Vorzug einräumte; die überlebenden Prinzen kämpften nach dem Tode des Sultans um die Thronfolge. Das Ergebnis wurde als der Wille Gottes gedeutet. »Wenn Er beschlossen hat, dass du nach mir das Reich führen sollst«, schrieb ein Sultan an seinen Sohn, »wird kein lebender Mensch dies verhindern können.«4 In der Praxis wurde die Nachfolge häufig zu einem Wettrennen in das Zentrum – siegreich würde jener Nachkomme sein, der sich die Hauptstadt, die Schatzkammer und die Unterstützung des Militärs sicherte; diese Methode hatte zur Folge, dass sich der Fähigste und Gerissenste durchsetzte, oder sie führte zu einem Bürgerkrieg. Das Osmanische Reich stand Anfang des 15. Jahrhunderts kurz vor dem Zusammenbruch im Gefolge eines Machtkampfes, in den auch die Byzantiner tief verstrickt waren. In Konstantinopel war es fast zur Staatspolitik geworden, sich Schwächephasen der Osmanen zunutze zu machen, indem man rivalisierende Thronprätendenten unterstützte.

      Um sich gegen Präventivschläge zu schützen und ihre Söhne in der Staatskunst zu unterweisen, schickten die Sultane ihre männlichen Nachkommen schon in sehr jungen Jahren als Statthalter in die Provinzen, wo sie unter den wachsamen Augen sorgsam ausgewählter Hauslehrer heranwuchsen. Mehmet verbrachte seine ersten Jahre im Palastharem in Edirne, wurde aber schon mit zwei Jahren in die Regionalhauptstadt Amasya in Anatolien geschickt, wo er auf seine Ausbildung vorbereitet wurde. Sein älterer Halbbruder Ahmet, damals zwölf Jahre alt, wurde zur selben Zeit Gouverneur der Stadt. Dunkle Mächte schwebten über den Thronerben im folgenden Jahrzehnt. Im Jahr 1437 starb Ahmet unerwartet in Amasya. Sechs Jahre später, als Mehmets anderer Halbbruder Ali Gouverneur war, wurde im Palast der Stadt eine weitere grausame Tat begangen. Ein einflussreicher Adeliger namens Kara Hizir Pascha wurde von unbekannten Personen nach Amasya geschickt. Es gelang ihm, sich nachts in den Palast einzuschleichen und Ali im Bett zu erwürgen sowie auch dessen zwei kleine Söhne. In einer einzigen Nacht wurde ein ganzer Zweig der Familie ausgelöscht. Nun war Mehmet der einzige verbliebene Thronerbe. Wie ein schwarzer Schatten hinter diesen undurchschaubaren

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