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bei dem Großmufti von Jerusalem und anderen Arabern, die gegen die jüdische Kolonisierung von Palästina kämpften (aber auch gegen die Briten, die sie schützten), kein Gefallen gefunden hätte, obwohl er sich von der im Islam traditionell geübten Koexistenz mit monotheistischen Ungläubigen der unterschiedlichsten Herkunft abhob. In Indien besaßen einige Hindus der höheren Kasten ein starkes Überlegenheitsbewußtsein gegenüber den dunkleren Rassen ihres Subkontinents, weil sie sich als ausgewiesene – und als die eigentlich ursprünglichen – »Arier« verstanden, ähnlich wie die modernen singhalesischen Extremisten in Sri Lanka. Und auch die militanten Buren hatten nicht nur als überzeugte Rassisten, sondern auch durch den theologischen Einfluß elitär gesinnter, ultrarechter Calvinisten aus den Niederlanden ideologische Affinitäten zu Hitler (wegen ihrer prodeutschen Einstellung sollten sie während des Zweiten Weltkriegs interniert und einige von ihnen nach 1948 zu politischen Führern des Apartheidregimes werden). Doch all das ist kaum dazu angetan, die Behauptung zu entkräften, daß der Faschismus, im Gegensatz zum Kommunismus, in Asien und Afrika nicht Fuß fassen konnte (außer vielleicht unter ein paar dort siedelnden Europäern), weil die örtlichen politischen Gegebenheiten völlig anders waren.

      Das gilt sogar weitgehend für Japan, obwohl dieses Land mit Deutschland und Italien verbündet war, obwohl es im Zweiten Weltkrieg auf der faschistischen Seite kämpfte und obwohl seine Politik von der Rechten beherrscht war. Die vorherrschenden Ideologien am östlichen und am westlichen Ende der »Achse« wiesen in der Tat starke Affinitäten auf. Nicht nur in ihrer tiefen Überzeugung von rassischer Überlegenheit waren die Japaner unübertroffen, auch in ihrem Glauben an die Notwendigkeit der Rassenreinheit oder an die militärische Tugend des Selbstopfers, in ihrem absoluten Befehlsgehorsam und ihrer Fähigkeit zur Selbstverleugnung und zum Stoizismus. Jeder Samurai hätte den Wahlspruch von Hitlers SS unterschrieben: »Meine Ehre ist Treue.« Japaner gehörten einer rigide hierarchisch strukturierten Gesellschaft an, in der sich das Individuum (wenn dieser Begriff dort überhaupt von irgendeiner Bedeutung im westlichen Sinne war) vollständig der Nation und ihrem göttlichen Kaiser verschrieben hatte und Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit entschieden zurückwies. Japaner hatten keine Schwierigkeiten, die Wagnerianischen Mythen von barbarischen Göttern, reinen und heroischen mittelalterlichen Rittern und die mit »völkischen«, deutschen Träumen gefüllte Natur der Berge und Wälder zu verstehen. Auch sie hatten ebendiese Begabung, Barbarei mit erlesener ästhetischer Sensibilität zu verbinden: die Vorliebe der Folterknechte in den Konzentrationslagern für die Quartette von Schubert. Wenn der Faschismus in das Idiom des Zen hätte übertragen werden können, so hätten ihn die Japaner wohl willkommen geheißen, auch wenn sie gar kein Bedürfnis nach ihm hatten. Und tatsächlich: Es gab ja auch genügend Japaner sowohl unter den Diplomaten, die bei den faschistischen Mächten in Europa akkreditiert waren, vor allem aber unter den ultranationalistischen Terrorgruppen, die sich der Ermordung von Politikern ohne hinreichenden Patriotismus verschrieben hatten, und in der Kwantung-Armee, die die Mandschurei und China erobert, besetzt und versklavt hatte, die diese Affinitäten erkannt und sich für einen engeren Zusammenschluß mit den faschistischen Mächten Europas eingesetzt hatten.

      Doch der europäische Faschismus konnte nicht auf einen asiatischen Feudalismus mit imperialistisch-nationalistischer Mission reduziert werden. Er gehörte seiner Natur nach dem Zeitalter der Demokratie und des gemeinen Mannes an; allein das Konzept einer Massen-»Bewegung« für neuartige und in der Tat revolutionäre Ziele, die von selbsternannten Führern gesetzt wurden, konnte in Hirohitos Japan keinen Sinn ergeben. Dem japanischen Weltbild entsprach eher die preußische Armee und Tradition als Hitler. Kurzum, trotz aller Ähnlichkeiten mit dem deutschen Nationalsozialismus (die Affinitäten zu Italien waren weit geringfügiger) war Japan nicht faschistisch.

      Die Staaten und Bewegungen, die sich vor allem in der Zeit des Zweiten Weltkriegs um Unterstützung an Deutschland und Italien wandten, als es so aussah, als würden die Achsenmächte gewinnen, taten dies nicht hauptsächlich aus ideologischen Motiven; obwohl sich einige der kleineren nationalistischen Regime in Europa, deren Lage vollständig von deutscher Hilfe abhängig war, bereitwillig als noch leidenschaftlichere Nazis anbiederten, als die SS es war – vor allem der kroatische Ustascha-Staat. Aber es wäre absurd, wollte man die Irisch-Republikanische Armee oder die in Berlin agierenden indischen Nationalisten nur deshalb als faschistisch bezeichnen, weil sie im Zweiten wie im Ersten Weltkrieg um deutsche Unterstützung verhandelt hatten, nach dem Prinzip: »Der Feind meines Feindes ist mein Freund.« Der irisch-republikanische Führer Frank Ryan, der solche Verhandlungen führte, war sogar so antifaschistisch eingestellt, daß er im Spanischen Bürgerkrieg in den Internationalen Brigaden gegen General Franco gekämpft hatte. Er wurde von Francos Truppen gefangengenommen und an Deutschland ausgeliefert. Solche Beispiele sollten uns nicht in die Irre führen.

      Auf einem Kontinent war der ideologische Einfluß des europäischen Faschismus aber unbestreitbar: in Amerika.

      In Nordamerika hatten von Europa inspirierte Menschen und Bewegungen keine große Bedeutung, außer in Gemeinschaften der Immigranten, deren Mitglieder die Ideologien des alten Kontinents – wie beispielsweise Skandinavier und Juden ihren Hang zum Sozialismus – zumeist mitgebracht oder eine gewisse Loyalität gegenüber ihrem Heimatland bewahrt hatten. So konnten die Gefühle der Deutschamerikaner (in geringerem Maße auch die der Italoamerikaner) zwar zum Isolationismus der USA beitragen, aber es gibt keinen Hinweis darauf, daß Mitglieder dieser Gemeinschaften auch in großer Zahl zu Faschisten geworden wären. Die Utensilien von Bürgerwehren und einfarbige Hemden oder zum Führergruß erhobene Arme gehörten nicht zum Bild der einheimischen Rechten und Rassisten, unter denen der Ku-Klux-Klan am bekanntesten war. Antisemitismus war zwar gewiß stark verbreitet, doch seine zeitgenössischen rechten Versionen – beispielsweise die populären Radiopredigten von Father Coughlin – waren wohl eher dem rechtslastigen europäisch-katholischen Einfluß zu verdanken. Charakteristisch für die USA der dreißiger Jahre war, daß der erfolgreichste und wahrscheinlich gefährlichste demagogische Populismus dieses Jahrzehnts (Huey Longs politische Eroberung von Louisiana) einer nach amerikanischen Begriffen eindeutig radikalen linken Tradition entstammte. Er fällte die Demokratie im Namen der Demokratie und wandte sich weder an die Ressentiments des Kleinbürgertums noch an den antirevolutionären Selbsterhaltungstrieb der Reichen, sondern an den Egalitarismus der Armen. Er war auch nicht rassistisch. Keine Bewegung, deren Slogan hieß: »Every Man a King«, konnte zur faschistischen Tradition gehören.

      Es war in Lateinamerika, wo der Einfluß des europäischen Faschismus offen zutage trat und den größten Erfolg hatte: bei einzelnen Politikern, wie dem Kolumbianer Jorge Eliezer Gaitán (1898–1948) und dem Argentinier Juan Domingo Perón (1895–1974), aber auch bei Regimen wie Getúlio Vargas’ Estado Novo (Neuer Staat), der 1937–45 in Brasilien bestand. Obwohl dieser Einfluß auf Lateinamerika hauptsächlich innenpolitische Auswirkungen hatte, tauchten in den USA massive, aber völlig grundlose Ängste vor einer Umzingelung durch die Nazis von Süden her auf. Denn abgesehen von Argentinien, das die Achsenmächte offen favorisierte (allerdings auch schon vor Peróns Machtübernahme im Jahr 1943, wie auch später wieder), sind die Regierungen der westlichen Hemisphäre dem Krieg zumindest nominell an der Seite der USA beigetreten. Aber richtig ist auch, daß das Militär in einigen südamerikanischen Staaten nach deutschem Muster entwickelt und von Deutschen oder sogar von Nazis ausgebildet wurde.

      Dieser faschistische Einfluß südlich des Rio Grande ist leicht zu erklären. Aus Sicht des Südens hatten die USA nach 1914 nicht mehr den Anschein erweckt, als seien sie ein Verbündeter der einheimischen Fortschrittskräfte oder das diplomatische Gegengewicht zu den imperialen oder ehemals imperialen Spaniern, Franzosen und Briten, wie es noch im 19. Jahrhundert durchaus der Fall gewesen war. Die Gebietseroberungen der USA von den Spaniern im Jahr 1898, die mexikanische Revolution, ganz zu schweigen vom Aufstieg der Öl- und Bananenindustrien, begründeten einen Anti-Yankee-Antiimperialismus in der lateinamerikanischen Politik, der von der offenkundigen Vorliebe Washingtons für Kanonenbootdiplomatie und Marines-Landungstruppen im ersten Drittel des Jahrhunderts nicht gerade entschärft werden konnte. Víctor Raúl Haya de la Torre, Gründer der antiimperialistischen APRA (Amerikanische Revolutionäre Volksallianz) mit panlateinamerikanischen Ambitionen (auch wenn sich die APRA schließlich nur in seinem Geburtsland Peru etablieren konnte), plante die Ausbildung seiner Rebellen durch die Kader des gefeierten Anti-Yankee-Guerilla

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