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der Regierungen bestand in der Suche nach dauerhaften Mehrheiten in ihren Parlamenten. (Außerhalb Amerikas wurde die Exekutive in parlamentarischen Regierungen in der Regel nicht direkt gewählt.) In Staaten mit begrenztem Wahlrecht (also mit einer Wählerschaft, die hauptsächlich aus der Minderheit der Wohlhabenden, Mächtigen und Einflußreichen bestand) wurde dies noch durch den allgemeinen Konsens über das gemeinsame Interesse (»nationales Interesse«) vereinfacht, einmal ganz abgesehen von der Überzeugungskraft der politischen Protektion.

      Im 20. Jahrhundert vervielfältigten sich die Situationen, in denen es unerläßlich für Regierungen wurde, auch tatsächlich zu regieren. Jener Staat, der sich darauf beschränkt hatte, die Grundregeln für das Wirtschaften und die Zivilgesellschaft aufzustellen und für effizient funktionierende Polizei, Gefängnisse und Armee zu sorgen, um interne wie externe Gefahren in Schach halten zu können, also der »Nachtwächterstaat« aus den politischen Witzen, war genauso überholt wie der Nachtwächter, der zu dieser Metapher angeregt hatte.

      Die vierte Bedingung hieß Wohlstand und Prosperität. Die Demokratien der zwanziger Jahre waren entweder unter den Spannungen von Revolution und Konterrevolution zusammengebrochen (Ungarn, Italien, Portugal) oder aufgrund von Nationalitätenkonflikten (Polen, Jugoslawien); die Demokratien der dreißiger Jahre stürzten unter den Spannungen der Weltwirtschaftskrise. Man braucht nur die politische Atmosphäre im Deutschland der Weimarer Zeit und im Österreich der zwanziger Jahre mit der in der Bundesrepublik und im Nachkriegsösterreich zu vergleichen, um von dieser These überzeugt zu sein. Sogar Nationalitätenkonflikte waren leichter zu bewältigen, wenn Politiker aller Minderheiten aus einem gemeinsamen Staatstrog gefüttert wurden. Das war auch die Stärke der Agrarpartei in der einzig wirklichen Demokratie von Mittelosteuropa gewesen, der Tschechoslowakei, die allen und über alle nationale Grenzen hinweg Vorteile geboten hatte. Aber in den dreißiger Jahren konnte selbst die Tschechoslowakei nicht mehr die Tschechen, Slowaken, Deutschen, Ungarn und Ukrainer zusammenhalten.

      Unter all diesen Bedingungen war Demokratie nur noch ein Mechanismus, mit dem die Spaltungen zwischen unversöhnlichen Gruppen formalisiert wurden. Häufig konnte sie nicht einmal mehr unter den bestmöglichen Umständen eine stabile Basis für eine demokratische Regierung schaffen; vor allem dann, wenn das Konzept der demokratischen Repräsentation nur noch in seiner rigidesten Form, nämlich als Verhältniswahlsystem, praktiziert wurde.22 Wo in der Krisenzeit keine parlamentarische Mehrheit zur Verfügung stand, wie in Deutschland (und im Unterschied zu Großbritannien)23, da war die Versuchung, sich in anderer Richtung zu orientieren, riesengroß. Sogar in stabilen Demokratien tendieren viele Bürger ja dazu, die politischen Teilungen, die das System impliziert, eher als Kosten denn als gewinnbringenden Vorteil des Systems anzusehen. Schon die politische Rhetorik versucht ja Kandidaten und Parteien eher als Repräsentanten des nationalen Interesses darzustellen denn als Vertreter der begrenzteren Parteiinteressen. In Zeiten der Krise schienen die Kosten eines solchen Systems untragbar und sein Gewinn höchst unsicher zu sein.

      Unter all diesen Umständen ist leicht zu verstehen, daß parlamentarische Demokratien in den Nachfolgestaaten der alten Imperien sowie in den meisten Mittelmeerländern und in Lateinamerika empfindliche Pflänzchen waren, die auf steinigem Boden wuchsen. Selbst das stärkste Argument zugunsten der Demokratie – daß sie, so schlecht sie auch sein mag, noch immer besser sei als jedes andere System – ist letztlich nur eine halbherzige Fürsprache. Zwischen den Kriegen konnte ein solches Argument denn auch nur selten realistisch und überzeugend klingen; und sogar die vehementesten Verfechter der Demokratie hatten nur noch gedämpftes Zutrauen zu ihr. Ihr Rückzug schien unvermeidlich, als sogar in den Vereinigten Staaten ernstzunehmende (aber unnötig schwarzsehende) Beobachter meinten: »It Can’t Happen Here.«24 Niemand hat die Wiederauferstehung der Demokratie in der Nachkriegszeit ernsthaft erwartet oder vorhergesagt; und noch weniger, daß sie sich in den frühen neunziger Jahren als vorherrschende Regierungsform in der Welt etablieren sollte – wenn auch nur für kurze Zeit. Und für viele, die aus der Perspektive der neunziger Jahre auf diese Periode zwischen den Kriegen zurückblickten, schien der Untergang der liberalen politischen Systeme nur eine kurze Unterbrechung ihres säkularen Eroberungszugs durch die Welt gewesen zu sein. Unglücklicherweise aber schienen die Ungewißheiten im Umkreis der politischen Demokratie nicht mehr so fern zu liegen, je näher das neue Jahrtausend rückte. Und es könnte durchaus möglich sein, daß die Welt zu ihrem Unglück erneut in eine Ära eintritt, in der ihre Errungenschaften längst nicht mehr so offensichtlich sind, wie sie es zwischen 1950 und 1990 gewesen waren.

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