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Von Geistern, Zombies und Unsterblichen. Эдгар Аллан По
Читать онлайн.Название Von Geistern, Zombies und Unsterblichen
Год выпуска 0
isbn 9783958555105
Автор произведения Эдгар Аллан По
Жанр Зарубежные детективы
Издательство Readbox publishing GmbH
Denn wahrlich, es könnte Genuss schaffen, das Bild zu beobachten. Er war nun imstande, seinem Geist an geheime Orte zu folgen. Dieses Bildnis sollte ihm der magischste Spiegel sein. Wie es ihm seinen Körper offenbart hatte, so sollte es ihm seine eigene Seele offenbaren. Und wenn der Winter über das Bild käme, stünde er immer noch da, wo der Frühling schwankt, ob er die Schwelle des Sommers überschreiten soll. Wenn das Blut aus dem Antlitz des Bildnisses entwiche und eine weiße, kalkige Maske mit toten Augen hinterließe, hätte er noch immer den Zauber des Jünglings. Keine Blüte seiner Anmut sollte je welken. Kein Puls seines Lebens sollte je schwächer werden. Wie die Griechengötter sollte er stark und schnell und fröhlich sein dürfen. Was kam es darauf an, was dem gemalten Abbild auf der Leinwand geschah? Er sollte unversehrt bleiben, daran lag alles.
Er schob den Schirm wieder auf seinen Platz vor dem Bild und lächelte, als er es tat. Dann ging er in sein Schlafzimmer, wo sein Diener schon auf ihn wartete. Eine Stunde später war er in der Oper, und Lord Henry beugte sich über seinen Stuhl.
Neuntes Kapitel
Als er am nächsten Morgen beim Frühstück saß, trat Basil Hallward ins Zimmer.
Als er am nächsten Morgen beim Frühstück saß, trat Basil Hallward ins Zimmer.
»Ich bin so froh, dass ich dich treffe, Dorian«, sagte er in ernstem Tone. »Ich war gestern Abend da, und man sagte mir, du seist in der Oper. Natürlich wusste ich, dass das nicht sein konnte. Aber ich wollte, du hättest ein Wort hinterlassen, wohin du wirklich gegangen warst. Ich verbrachte eine schreckliche Nacht und fürchtete halb, der einen Tragödie könnte eine zweite gefolgt sein. Du hättest mir telegraieren sollen, sowie du es erfuhrst. Ich las es ganz zufällig in einer späten Ausgabe des Globe, den ich im Klub in die Hand bekam. Ich eilte sofort hierher und war unglücklich, dich nicht zu finden. Ich kann dir nicht sagen, wie bitter weh mir das Ganze tut. Ich weiß, was du leiden musst. Aber wo warst du? Warst du hingegangen, ihre Mutter zu sehen? Einen Augenblick dachte ich daran, dich dort aufzusuchen. In der Zeitung stand die Adresse. Irgendwo in Euston Road, nicht wahr? Aber ich fürchtete, in einen Schmerz einzudringen, dem ich nicht helfen konnte. Die arme Frau! In was für einem Zustand muss sie sein? Und dazu ihr einziges Kind! Was sagte sie zu dem allem?«
»Mein lieber Basil, wie soll ich das wissen?«, fragte Dorian Gray, der aus einem entzückenden bauchigen venezianischen Glas, das mit Goldperlen verziert war, von einem blassgelben Wein kleine Schlucke nahm und äußerst indigniert aussah. »Ich war in der Oper. Du hättest auch kommen sollen. Ich lernte Lady Gwendolen, Harrys Schwester, kennen. Wir waren bei ihr in der Loge. Sie ist ein reizendes Geschöpf; und die Patti sang himmlisch. Sprich nicht über grässliche Sachen! Wenn man über eine Sache nicht spricht, ist sie nie gewesen. Nur der Ausdruck, sagt Harry, gibt den Dingen Wirklichkeit. Hinzufügen möchte ich, dass sie nicht das einzige Kind der Mutter war. Es ist noch ein Sohn da, ein famoser Bursche, glaube ich. Aber er ist nicht beim Theater – Matrose oder so was Ähnliches. Und jetzt erzähle von dir etwas. Was machst du?«
»Du warst in der Oper?«, sagte Hallward. Er sprach sehr leise, sein Ton war schmerzhaft gepresst. »Du gingst in die Oper, während Sibyl Vane in einem schmutzigen Hause auf dem Totenbette liegt? Du kannst zu mir von andern reizenden Frauen sprechen und von dem himmlischen Gesang der Patti, ehe das Mädchen, das du geliebt hast, noch der Ruhe des Grabes übergeben ist, in dem sie schlafen soll? Mensch, Mensch, was für Schrecknisse warten auf ihren kleinen weißen Körper!«
»Hör auf, Basil, ich will das nicht hören!«, rief Dorian aufspringend. »Du musst nicht von geschehnen Dingen mit mir reden. Was geschehen ist, ist geschehen. Was vorbei ist, ist vorbei. Lass das Vergangne!«
»Du nennst gestern die Vergangenheit?«
»Was hat der Verlauf der Zeit damit zu tun? Nur oberflächliches Volk braucht Jahre, um eine Empfindung loszuwerden. Ein Mensch, der Herr über sich selbst ist, kann einem Schmerz so leicht ein Ende machen, wie er einen Genuss finden kann. Ich habe keine Lust, meinen Empfindungen preisgegeben zu sein. Ich will sie nutzen, sie genießen und sie beherrschen.«
»Dorian, das ist grässlich! Es hat dich etwas völlig gewandelt. Du siehst genauso aus wie der wundervolle Jüngling, der Tag für Tag in mein Atelier kam, um mir für sein Bild zu sitzen. Aber damals warst du einfach, natürlich und liebevoll. Du warst das unverdorbenste Menschenkind in der ganzen Welt. Ich weiß nicht, was jetzt über dich gekommen ist. Du sprichst, als ob du kein Herz und kein Erbarmen in der Brust hättest. Das ist alles Harrys Einfluss, ich sehe es.«
Der Jüngling errötete, trat ans Fenster und blickte einige Augenblicke auf den grünen, blitzenden, von der Sonne übergossenen Garten. »Ich verdanke Harry sehr viel«, antwortete er schließlich, »mehr als dir. Du warst es, der mir die Eitelkeit beigebracht hat.«
»Ich bin gestraft dafür, Dorian – oder werde eines Tages dafür gestraft werden.«
»Ich weiß nicht, was du meinst, Basil!«, rief er aus und drehte sich um. »Ich weiß nicht, was du willst. Was willst du?«
»Ich will den Dorian Gray wieder, den ich gemalt habe«, sagte der Künstler traurig.
»Basil«, antwortete der Jüngling, trat zu ihm und legte ihm die Hand auf die Schulter. »Gestern, als ich erfuhr, dass Sibyl Vane sich getötet habe …«
»Sich getötet! Großer Gott! Ist das sicher?«, schrie Hallward auf und blickte ihn entsetzt an.
»Mein lieber Basil! Du nimmst doch nicht an, dass es ein gemeiner Zufall war? Natürlich hat sie sich selbst getötet.« Der Ältere barg das Gesicht in den Händen. »Wie furchtbar«, flüsterte er, und ein Schauder durchlief ihn.
»Nein«, sagte Dorian Gray, »es ist nichts Furchtbares daran. Es ist eine der großen romantischen Tragödien unserer Zeit. In der Regel führen Leute vom Theater das trivialste Leben. Sie sind gute Ehemänner oder treue Gattinnen oder sonst etwas Langweiliges. Du weißt, was ich meine – Philistertugend und dergleichen. Wie anders war Sibyl! Sie lebte ihre schönste Tragödie. Sie war immer eine Heldin. Am letzten Abend, an dem sie spielte – an dem Abend, wo du sie sahst –, spielte sie schlecht, weil sie die Liebe als Wirklichkeit kennengelernt hatte. Als sie ihre Unwirklichkeit kennenlernte, starb sie, wie Julia gestorben ist. Sie floh wieder ins Land der Kunst. Etwas von Märtyrertum umschwebt sie. Ihr Tod hat die ganze pathetische Nutzlosigkeit des Märtyrertums, all seine verschwendete Schönheit. Aber wie gesagt, du darfst nicht glauben, ich hätte nicht gelitten. Wenn du gestern in einem bestimmten Augenblick gekommen wärest – vielleicht um halb sechs Uhr oder dreiviertel sechs –, hättest du mich in Tränen gefunden. Selbst Harry, der hier war, der mir die Nachricht tatsächlich gebracht hat, hat keine Ahnung, was ich durchgemacht habe. Ich litt unsäglich. Dann verflog es. Ich kann eine Empfindung nicht wiederholen. Niemand kann es, außer den Sentimentalen. Und du bist sehr ungerecht, Basil. Du kommst hierher, mich zu trösten. Das ist sehr lieb von dir. Du findest mich getröstet und wirst wütend. Ist das dein Mitgefühl? Du erinnerst mich an eine Geschichte, die Harry mir von einem Philantropen erzählte, der zwanzig Jahre seines Lebens sich bemühte, einen Missstand zu heben oder die Abänderung eines ungerechten Gesetzes zu erwirken – ich weiß nicht mehr genau. Schließlich hatte er Erfolg, und nichts kann größer sein als seine Enttäuschung. Er