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übte deine Erscheinung den außerordentlichsten Einfluss auf mich aus. Du herrschtest über mich, über meine Seele, mein Hirn und all meine Kraft. Du wurdest für mich die sichtbare Verkörperung des unsichtbaren Ideals, das wir Künstler nicht los werden wie einen köstlichen Traum. Ich betete dich an. Ich wurde eifersüchtig auf jeden, mit dem du sprachst. Ich wollte dich ganz für mich haben. Ich war nur glücklich, wenn ich mit dir zusammen war. Wenn du von mir fort warst, lebtest du noch immer in meiner Kunst und warst da … Natürlich ließ ich dich davon nie etwas ahnen – es wäre unmöglich gewesen. Du hättest es nicht verstanden, ich verstand es kaum selbst. Ich wusste nur, dass ich der Vollkommenheit von Angesicht zu Angesicht gegenübergestanden, und dass die Welt sich meinen Augen wundervoll erschlossen hatte – zu wundervoll vielleicht, denn in so wahnsinniger Anbetung liegt Gefahr – die Gefahr, dass sie aufhört, und die Gefahr, dass sie bleibt … Wochen und Wochen vergingen, und ich verlor mich mehr und mehr in dir. Dann kam eine neue Wendung. Ich hatte dich als Paris in funkelnder Rüstung gemalt und als Adonis im Jagdgewand mit blitzendem Jagdspieß. Mit schweren Lotosblumen bekränzt hast du am Bug der Barke Hadrians gesessen und auf das grüne, trübe Wasser des Nils gesehn. Du hast dich über den stillen Teich einer Waldlandschaft Griechenlands gebeugt und in dem schweigenden Silber des Wassers das Wunder deines eigenen Bildes erblickt. Und es war alles gewesen, wie die Kunst sein soll, unbewusst, ideal und entfernt. Eines Tages – eines verhängnisvollen Tages, denke ich manchmal, beschloss ich, ein wundervolles Bild von dir, wie du wirklich bist, zu malen, nicht in der Tracht vergangener Zeiten, sondern in deinen eignen Kleidern und deiner eignen Zeit. Ob es der Realismus der Aufgabe oder das bloße Wunder deiner eigenen Erscheinung war, die sich so unmittelbar ohne Dunst und Schleier vor mich hinstellte, kann ich nicht sagen. Aber ich weiß, als ich daran arbeitete, schien jede Schicht Farbe, die ich auftrug, mein Geheimnis zu enthüllen. Ich bekam Angst, andere könnten die Abgötterei, die ich mit dir trieb, herausfinden. Ich empfand, Dorian, dass ich zu viel gesagt hatte, dass ich zu viel von mir selbst hineingelegt hatte. Damals entschloss ich mich, das Bild nie ausstellen zu lassen. Du schienst etwas betroffen; aber damals gewahrtest du nicht alles, was es für mich bedeutete. Harry, dem ich davon erzählte, lachte mich aus. Aber das beirrte mich nicht. Als das Bild vollendet war und ich allein vor ihm saß, fühlte ich, dass ich recht hatte … Nun, nach ein paar Tagen verließ es mein Atelier, und sowie ich den unerträglichen Zauber seiner Gegenwart los war, schien mir, ich sei töricht gewesen, dass ich irgendetwas darin hatte finden wollen, außer dass du sehr schön bist und dass ich gut malen kann. Selbst jetzt kann ich mich des Gefühls nicht gut erwehren, dass es ein Irrtum ist, zu glauben, die Glut, die man im Schaffen verspürt, zeige sich je leibhaftig in dem Werke, das man geschaffen hat. Die Kunst ist immer abstrakter, als wir glauben. Form und Farbe sagen uns etwas von Form und Farbe – weiter nichts. Mir will oft scheinen, die Kunst verbirgt den Künstler weit mehr, als sie ihn offenbart. Und als mir daher von Paris aus dieser Vorschlag gemacht wurde, beschloss ich, dein Porträt solle das Hauptstück meiner Ausstellung werden. Es fiel mir nie ein, du könntest die Erlaubnis versagen. Ich sehe jetzt, dass du recht hast. Das Bild darf nicht gezeigt werden. Du darfst mir nicht zürnen, Dorian, um deswillen, was ich dir gesagt habe. Ich habe es einmal zu Harry gesagt und wiederhole es: Du bist dazu geschaffen, angebetet zu werden.« Dorian Gray holte tief Atem.

      Die Farbe kehrte in seine Wangen zurück, und ein Lächeln spielte um seine Lippen. Die Gefahr war vorüber; für diesmal war er gerettet Aber er konnte sich nicht enthalten, unendliches Mitleid mit dem Maler zu empfinden, der ihm eben dieses seltsame Bekenntnis abgelegt hatte, und er sann darüber nach, ob er selber je von der Persönlichkeit eines Freundes so beherrscht werden könnte. Lord Henry hatte den Reiz, sehr gefährlich zu sein. Aber das war alles. Er war zu gescheit und zu zynisch, um wirklich geliebt zu werden. Würde es je einen Menschen geben, den er so seltsam abgöttisch verehrte? War das eins von den Dingen, die das Leben für ihn in Bereitschaft hielt?

      »Es ist mir überaus erstaunlich, Dorian«, sagte Hallward, »dass du das dem Bild angesehn haben sollst. Sahst du es wirklich?«

      »Ich sah etwas an ihm«, antwortete er, »etwas, das mir sehr seltsam vorkam.«

      »Und nun hast du doch nichts mehr dagegen, dass ich das Bild ansehe?«

      Dorian schüttelte den Kopf. »Du musst es nicht von mir verlangen, Basil. Es wäre mir nicht möglich, dich vor dem Bilde stehn zu sehen.«

      »Aber doch ein andermal?«

      »Niemals.«

      »Nun, vielleicht hast du recht. Und nun leb wohl, Dorian. Du bist die einzige Person in meinem Leben gewesen, die wirklichen Einfluss auf meine Kunst hatte. Alles Gute, was ich vollbracht habe, danke ich dir. Ah! du weißt nicht, was es mich gekostet hat, dir all das zu sagen, was ich gesagt habe.«

      »Mein lieber Basil«, sagte Dorian, »was hast du mir gesagt? Nichts weiter, als dass du fühlst, du bewunderst mich zu sehr. Das ist nicht eben sehr schmeichelhaft.«

      »Es sollte keine Schmeichelei sein – es war ein Bekenntnis. Jetzt, da ich es abgelegt habe, ist es mir, als hätte ich etwas verloren. Vielleicht sollte man nie seiner Anbetung in Worten Ausdruck geben.«

      »Es war ein Bekenntnis und eine Enttäuschung.«

      »Ja, aber was erwartetest du, Dorian? Du sahst doch nichts anderes an dem Bilde, oder? Es war nichts anderes an ihm zu sehn?«

      »Nein; es war nichts anderes zu sehen. Warum fragst du? Aber du solltest nicht von Anbetung sprechen. Das ist Torheit. Du und ich sind Freunde, Basil, und wir wollen es immer bleiben.«

      »Du hast Harry zum Freund«, sagte der Maler traurig.

      »Oh, Harry«, sagte der junge Mann und lachte hell auf. »Harry verbringt seine Tage damit, Dinge zu sagen, die unglaublich sind, und seine Nächte, Dinge zu tun, die unwahrscheinlich sind. Gerade die Art Leben, wie ich es führen möchte. Aber doch, glaube ich, würde ich nicht zu Harry gehn, wenn mich etwas bekümmerte. Ich ginge eher zu dir, Basil.«

      »Du wirst mir wieder sitzen?«

      »Unmöglich! «

      »Du vernichtest mein Dasein als Künstler mit deiner Weigerung, Dorian. Niemand ist je zwei Idealen im Leben begegnet. Wenige haben eines getroffen.«

      »Ich kann es dir nicht erklären, Basil, aber ich darf dir nie wieder sitzen. Es ist etwas Verhängnisvolles um das Bildnis eines Menschen. Es hat sein eigenes Leben in sich. Ich werde zu dir kommen und Tee mit dir trinken – das wird ebenso schön sein.«

      »Für dich schöner, fürchte ich«, sagte der Maler in schmerzlichem Ton. »Und nun leb wohl. Ich bin traurig, dass du mich das Bild nicht noch einmal sehn lassen willst. Aber ich kann’s nicht ändern. Ich verstehe völlig, was für eine Empfindung du dabei hast.«

      Als er das Zimmer verlassen hatte, lächelte Dorian Gray. Armer Basil! wie wenig er den wahren Grund ahnte! Und wie seltsam es war, dass es ihm fast wie durch Zufall gelungen war, anstatt sein eigenes Geheimnis zu verraten, dem Freunde das seine zu entreißen! Wie viel erklärte ihm dieses seltsame Bekenntnis! Die absurden Eifersuchtsanwandlungen des Malers, seine wilde Hingebung, seine ausschweifenden Bewunderungshymnen, die Stimmungen seltsamer Schweigsamkeit – das alles verstand er jetzt, und er wurde traurig. Es schien ihm etwas Tragisches um eine Freundschaft zu sein, die so von der Romantik gefärbt war. Er seufzte und klingelte. Das Bild musste unter allen Umständen versteckt werden. Er konnte sich nicht noch einmal einer solchen Gefahr der Entdeckung aussetzen. Es war Wahnsinn von ihm gewesen, das Bild auch nur eine Stunde lang in einem Zimmer zu lassen, in das jeder seiner Freunde kommen konnte.

      Zehntes Kapitel

      Als sein Bedienter eintrat, blickte er ihm fest ins Auge und überlegte sich, ob es ihm wohl eingefallen sei, hinter den Schirm zu blicken. Der Mann stand da, ohne sich zu rühren, und wartete auf seine Befehle. Dorian zündete sich eine Zigarette an, schlenderte durchs Zimmer zum Spiegel und blickte hinein. Er konnte Viktors Gesicht völlig deutlich darin sehn. Es war wie eine ruhige Maske der Unterwürfigkeit. Da war nichts zu befürchten, da nicht. Aber er hielt es für das Beste, auf der Hut zu sein.

      In sehr leisem Ton sagte er ihm, er solle die Wirtschafterin hereinrufen

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