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keine Schuld beim Hermunduren für die Verluste?“ stieß der Legat nach.

      „Herr, wenn ich in meiner Jugend einen solchen Angriff geplant und geführt hätte, wäre ich nicht Pilus Prior sondern Primus Pilus oder Legat oder was weiß ich… Der Junge hat ein großartiges Vermögen, Mut und Verstand!“ Gaurus Blick schweifte zu Gerwin, dann zu Viator und dort fand er eine Bestätigung im angedeuteten Nicken.

      „Gut, dann trauern wir um unsere tapferen Gefährten…“ bestimmte der Legat.

      2. Das Schweigen der Toten

       66 nach Christus - Herbst (7. December)

       Imperium Romanum – Exercitus Germania Superior

      Legat Verginius Rufus mochte weder Trauerfeierlichkeiten noch zeigte er sich, bei derartigen Anlässen, den Göttern besonders zugeneigt. Er besaß seit längerer Zeit ein besonderes Verhältnis zu den ‚Dei Consentes’.

      Nicht das er Jupiter oder den übrigen Göttern der erlauchten Runde irgendetwas übelnahm… Er glaubte nur nicht an deren Wirken, wie es jeder halbwegs guter Römer zu tun vorgab.

      Verginius Rufus bestritt nicht die Notwendigkeit des Götterglaubens, verstand aber nicht, dass irgendwelche ‚göttlichen’ Erscheinungen sein Leben bestimmten. Eher billigte er den Einflüssen der Natur, seinem Willen, seiner Sturheit und Beharrlichkeit zu, dieses Leben angenommen zu haben.

      Wie sollten zwölf Götter, und auch wenn es deren noch mehr wären, in jedem Augenblick des Lebens aller Römer, jeden Gedanken und jede Handlung lenken können… Schließlich hatte er selbst erfahren, dass es mehr als Römer auf dieser Welt gab. Jeder dieser Menschen gab vor, an irgend einen Gott zu glauben…

      Die Römer an sich waren klug genug, fast Jedem seinen Gott zu lassen… Taten sie dies, weil sie davon überzeugt waren, dass es nur einen Gott geben konnte und sich dieser nur in den unterschiedlichsten Formen und unter abweichenden Namen zeigte? Wobei dieses ‚Zeigen’ wohl eher nur Wenigen beschieden schien, zumindest zu Lebzeiten…

      Verginius Rufus glaubte auf seine Art. Bei den Göttern ging es doch genau darum. Doch warum sollte er auf Übernatürliches hoffen? Sein Glauben beruhte auf Hören, Sehen und Spüren.

      Irgendwann, in seinem jüngeren Leben, stieß er auf den Widerspruch, der sich aus der Vielzahl der Götter ergab. Welchem Gott lohnte es sich zu huldigen? Jedem Gott, das würde kaum gelingen… Welcher der Götter stach hervor, dass sich eine Huldigung anbot? Er dachte lange darüber nach und entschloss sich allen Göttern zu huldigen. Nicht einem Einzigen, nicht einem oder mehreren Besonderen, sondern einzig den ihm bekannten und auch unbekannten Göttern in einer einzigen, in sich geschlossenen Einigkeit als Ganzes und damit allen gleichermaßen in deren Bekanntheit.

      Merkwürdigerweise erlangte er damit Ruhe in seinem inneren Wesen. Er zeigte keinen Abscheu, hing aber auch nicht huldvoll an der Priester Mund. Die geforderte Unterordnung erbrachte er, legte keinen Wert darauf, Andere auf seinen Standpunkt aufmerksam zu machen und ließ sich auf keinen Fall in derartige Streitgespräche ein.

      Verginius Rufus war, auch in dieser Hinsicht, ein Römer mit Verstand, darüber hinaus brachte er Verständnis Anderen gegenüber ein und billigte jedem Mann, Weib oder Kind den eigenen Glauben zu.

      Er hielt auch nichts davon, mit den Göttern, unter dem von vielen Römern ausgenutzten ‚göttlichen Gebens und Nehmens’, ein Geschäft einzugehen… Was sollte es bringen, übernatürliche Kräfte zu einem geschäftlichem Abkommen zu verleiten? Ich gebe dir dies und will dann das von dir… Wie sollte dies im wirklichen Leben greifen? Er fand keine Entsprechung, dafür aber den einen Gott, der ihn selbst und nur ihn beschrieb. Es war sein eigener ‚Genius’!

      Welch kluge Männer besaß Rom, dass ihm dieser einzige Gott, der die Gesamtheit aller Götter in sich ebenso vereinte, wie alle guten und weniger guten Eigenschaften, die ihn, Lucius Verginius Rufus, und nur ihn selbst, auszeichneten…

      Diesem Gott huldigte er in seinem weiteren Leben und erkannte, nach weit über fünfzig Lebensjahren, eine gute Wahl getroffen zu haben. Durch diesen Prozess seiner Suche fand er den Mittelpunkt seines Wesens im Inneren seiner körperlichen und auch geistigen Erscheinung. Sein Gott hieß ‚Genius’!

      Aber die Trauer um die gefallenen Gefährten, das Erweisen der Ehre musste sein! An dieser Notwendigkeit ging kein Weg vorbei.

      Ob Gerwin das wusste? Sicherlich kaum! Dennoch wagte er es, den Arm des Legat zu ergreifen und diesen in ein jämmerliches Grubenhaus zu bitten.

      Verginius Rufus sah einen aufgebahrten Toten. Also trat er näher und erkannte das Antlitz.

      Der Hermundure hatte bisher kein Wort über den Verlust dieses Mannes gesprochen… Inzwischen kannte er die Verbindung zwischen Gerwin, Amantius und Aulus Ligurius Crito. Er wusste, was der frühere Pilus Prior seiner Legion für Gerwin bedeutete… Dennoch ließ sich der junge Hermundure diesen Verlust nicht anmerken und auch keiner der lebenden Gefährten sprach über diesen Tod.

      „Wirst du ihm seine Ehre zurückgeben?“ hörte der Legat hinter sich leise gesprochene Worte. „Er war zu keinem Zeitpunkt seines Lebens ein feiger Mann, der sein Leben wegzuwerfen beabsichtigte, weil ihn ein dummer, ehrgeiziger Versager in eine Pflicht zwang, die er freiwillig nie eingegangen wäre.“ fügte Gerwins Stimme leise an. „Aulus war mutig genug dem Mann zu begegnen, dem er seinen Untergang in Roms Legionen verdankte. Er traf Gaidemar, meinen Paten und Kriegsherzog meines Stammes! Er traf ihn in dessen Haus, auf dessen Land und war bereit, sich dessen Recht zu beugen… Nie sah ich Aulus zögern, wenn es galt, einen richtigen, einen notwendigen und wahrhaften Kampf auszuführen… Es war für ihn selbstverständlich, mit Paratus, Viator und Sexinius den Keil in die gegnerische Formation zu treiben.“

      Gerwin zögerte. „Ich sah ihn nicht von meiner Position aus und griff deshalb erst ein, als ich Paratus in Bedrängnis bemerkte. Paratus konnte ich, so wie Viator im Vorbeirauschen, vor einer Gefahr im Rücken bewahren, für Aulus aber kam ich zu spät!“ Die Stimme des Jungen verschwand im Schmerz.

      Erneut gefasst, erreichte den Legat die zuvor schon ausgesprochene Frage: „Wirst du ihm seine Ehre zurückgeben?“

      „Ja, das werde ich!“ Sie schwiegen, bis Verginius Rufus sprach.

      „Ich mag kluge und bescheidene Männer. Gaurus ist ein solcher Mann, aber auch ein sturer Bock, den man gelegentlich mit einer Peitsche streicheln muss, damit er begreift!“ Der Legat kratzte sich am vom Helm befreiten Kopf. „Crito war klüger. Sein eigentlicher Verbündeter war die Zeit. Nicht das er zögerte, wenn Schnelligkeit der Handlung gefordert war… Er neigte dazu, jede Entscheidung gut zu durchdenken. Entschloss er sich einmal, und das geschah nur auf Grund überzeugender Argumente, absoluter Notwendigkeiten oder im Zwang einer unglücklichen Lage, dann folgte er seinem Willen mit Härte, Unbeugsamkeit und Zielstrebigkeit…“ Der Legat wandte sich Gerwin zu.

      „Welcher meiner übrigen Pilus Prior, diesen verfluchten, mir aufgeschwatzten Primus Pilus einbegriffen, sollte ich dem Tribun Titus Suetonius an die Seite stellen? Ich überschätzte nicht Crito, sondern unterschätzte die Disziplin dieses guten Mannes und seine Hingabe an Rom… Zu spät erkannte ich den Hass, der den Tribun zur Rache antrieb…“

      Verginius Rufus schien verlegen. Vor ihm stand sein Diener, den er längst als treu und zuverlässig erkannte, der ihm mehrfach das Leben erhielt und sich dabei nicht scheute, das Eigene dafür einzusetzen… Dieser junge Hermundure wog als Kämpfer nicht nur mehrere gute Männer auf, er war klug und bedächtig, mutig, entschlossen und letztlich sogar fähig, ein Gefecht zu organisieren sowie den Sieg zu gewinnen…

      „Als du mir Crito als deinen Gefährten präsentiertest, erkannte ich meinen Fehler! Nicht Crito war die falsche Wahl, sondern Titus Suetonius! Crito hätte mir die Sklaven gebracht, aber nicht gewütet, wie es Titus tat… Crito wäre auch deinem Kriegsherzog nicht in die Falle gerannt…“ Der Legat schien in Erinnerungen einzutauchen.

      „Als er dich auf der Flucht wahrnahm, zerbrach in ihm ein Traum, den ich kannte… Er war es, der mir die verfluchte Frage stellte, warum ausgerechnet

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