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wusste nichts von ihren bisherigen Begegnungen und schon gar nichts vom Ausspähen an der Grenze zwischen den beiden römischen Territorien am Rhenus.

      „Könnt ihr euer beiderseitiges Treiben etwas einschränken? Mir liegt nicht allzu viel an einer Feindschaft zwischen euch…“ warf der Legat zwischen die sich Reizenden.

      „Herr, du kannst doch nicht Willens sein, diesen Halunken von einem Treverer noch einmal entweichen zu lassen…“ Gerwin erschien aufgebracht.

      „Was schlägst du dann vor, Gerwin?“

      „Binde ihm einen Strick um den Hals und lass den Kerl vom Carnifex so lange und so weit hochziehen, dass sich sein Hals streckt… Haucht der Kerl dann seinen letzten Zug aus, haben wir eine Ratte weniger in der Meute deiner Verfolger… Du solltest nicht vergessen, Scribonius Rufus Dank zu sagen, damit der weiß, welcher Dummheit seines treuen Hundes er den neuerlichen Fehlschlag verdankt… Vielleicht nimmt der Scribonius dann das Ende des Strickes in seine Hand und zieht so lange daran, bis dieser Treverer für immer zu Krähen aufhört…“

      Das genau war der Augenblick, in dem Tutor seine erneute Gelegenheit wahrnahm, dem erwünschten Urteil des Germanen zu entgehen.

      Er stürzte um den Tisch herum auf den Legat zu, kniete sich vor diesen und umfasste dessen Füße. In dem er auf unverkennbare Weise um dessen Schutz ersuchte, rief er: „Nein, Herr, nur dass nicht! Nicht zu den Brüdern! Noch einmal gelingt mir nicht, sie zu täuschen! Diesmal hängt mich selbst Rufus… Nichts und Niemand könnte und würde mir zur Seite stehen! Nein Herr, schick mich nicht zurück!“

      In diesem Moment krachte des Legat Knie seitlich an den Kopf des Treverers, der sofort nach Hinten umkippte und in einer Umnachtung landete.

      Tutor umfing die Schwärze einer flüchtigen Bewusstlosigkeit, die er sehr schnell abzuschütteln vermochte. An seine Ohren drangen Worte, die erst dröhnten, dann leiser wurden und letztlich fast sanft klangen.

      „Meinst du nicht, dass der Kerl uns noch einmal nutzen könnte?“ vernahm Tutor des Legats Frage und stellte sich vorsichtshalber weiterhin bewusstlos.

      „Was kann der Bursche schon für einen Nutzen bringen? Verlogen und feige, wie der Kerl ist… Du gewährst ihm erneut deine Gunst, Herr, und der Kerl entkommt zu Scribonius Rufus. Dort schmiedet er doch sofort einen neuen Plan, dich zur Strecke zu bringen. Unterbreitet er dies dem Statthalter, wird der doch umgehend zustimmen und erneut den Treverer beauftragen… Der Gauner fällt sofort wieder in die Gunst seines Herrn und du schwebst erneut in Gefahr…“ wagte Gerwin als Bedenken nachzuschieben.

      „Aber Gerwin, erinnere dich…“ rief Verginius Rufus aus. „… Scribonius Proculus ist bereits aus dem Ringen raus. Den haben wir fest in der Hand. Begehrt dieser auf, landen die Geständnisse, die ich verwahre, sofort bei seinem Bruder… Ich kann mir nicht vorstellen, dass Scribonius Rufus ihm dann noch einmal verzeiht…“

      „Das mag sein Heer, doch Tutor ist in einer Freiheit, die er nicht verdient und wem gibt er die Schuld an seinem Scheitern? Doch wohl dir und mir, Herr! Wem also gilt seine Aufmerksamkeit? Was glaubst du, wird der Kerl Scribonius Rufus wohl berichten…“

      „Du bist aber auch wieder einmal begriffsstutzig, mein junger Hermundure…“ warf der Legat Gerwin an den Kopf.

      „Wieso?“ Diese Antwort war von Überraschung und Verunsicherung getragen. Tutor spürte es deutlich.

      „Es ist doch unser Vorteil, wenn Tutor den nächsten Angriff führt.“ belehrte der Legat.

      „Seine Denkweise, sein Vorgehen kennen wir doch? Oder meinst du, der Kerl kann über seinen Schatten springen und plötzlich in einer Art vorgehen, die wir nicht vorauszusehen in der Lage sind? Pah, der Kerl ist doch ein Idiot… Wir geben ihm einen angeblichen Auftrag und schwören ihn erneut ein! Dann lassen wir ihn fliehen… Du bekommst das schon hin! Alles Andere läuft dann in unserem Sinne…“

      „Herr, wenn der Kerl jedoch zum Fliehen zu dämlich ist… Dann dabei auch noch umkommen sollte?“

      „Dann haben wir eine Sorge weniger und auch keinen Schaden, nur…“

      „Herr, was meinst du?“ fragte Gerwin erneut, Unsicherheit spüren lassend.

      „Scribonius Rufus würde in diesem Fall wohl einen anderen Mann beauftragen, uns zu Fall zu bringen… Will er die Macht am Rhenus, will er vielleicht auch noch das Imperium Gallicum, was ihm die Gallier mit der großen Zahl ihrer Krieger schmackhaft machten, dann muss er uns, speziell mich, beseitigen… Nimmt er einen Anderen für seine Pläne, wissen wir nicht wer der Kerl ist, was er für Fähigkeiten besitzt, welcher Mittel er sich bedienen würde und hätte vielleicht zu viele leichtere Ansätze… Bei Tutor wissen wir fast alles oder gibt es etwas, was uns entgangen sein könnte?“

      Verginius Rufus zeigte eine Entschlossenheit und Überzeugung, die Gerwin vorgab, zu beeindrucken.

      Noch immer lag Tutor zu des Legat Füßen und schien in seiner Ohnmacht vor Schmerz zu stöhnen.

      „Herr, ich habe dennoch Bedenken…“ wagte Gerwin einen scheinbar letzten Vorstoß.

      Der Legat merkte erneut auf und war geneigt, Gerwins Worte zu übergehen. Er sprühte Gift aus. „Gerwin, es reicht!“

      „Herr und wenn er sich nun an meinen Stamm wendet? Das gleiche Spiel, das wir ihm angedeihen lassen, könnte er doch auch mit unserem Kriegsherzog umsetzen, wenn er mich dabei benutzt?“

      Die Antwort war überraschtes Schweigen. Es verging Zeit.

      „Pah, dafür ist der Kerl zu blöd! Da kommt der Treverer nie darauf…“ Der Legat lachte aus vollem Hals.

      Des Legat Urteil war niederschmetternd, beleidigend und von den schon lange lauschenden Ohren des Treverers aufgenommen worden.

      „Herr, es wird ihm leicht fallen, mich als Verräter meines Stammes hinzustellen und Gaidemar, der ohnehin schon in Zorn auf mich verfallen ist, zu einem Bündnis zu gewinnen… Schon zu lange verweile ich bei dir und habe sämtliche Aufforderungen zur Rückkehr verstreichen lassen, als dass mir mein früherer Pate je würde verzeihen können… Er wird glauben, ich verriet meinen Stamm für das glorreiche Leben bei dir, für den Luxus, den du mir bietest“

      „Pah, Gerwin, Unsinn! Hole einen Eimer Wasser, damit wir den Kerl erwecken können… Nun geh schon!“ Verginius Rufus zeigte sich unwillig.

      Gaurus saß vom Anfang bis Ende des Vorgangs still in seinem Korb und verfolgte das Vorgehen aufmerksam. Ihm war aufgrund mancher Mimik nicht verborgen geblieben, welches diabolische Spiel der Legat und der Hermundure trieben. Der Treverer dagegen konnte Gerwins Minenspiel nicht sehen, denn er lag mit dem Rücken zum Hermunduren und selbst wenn er, bei seiner Lage, ein Auge öffnen könnte, würde er nicht ohne das Drehen des Kopfes auch nur ein Lächeln des Legats, geschweige denn vom Hermunduren, einfangen können.

      Auch der Treverer erkannte, dass manches, was seine Ohren vernahmen, ihm nicht geheuer erschienen. Das sie ihn als zu beschränkt erkannten, bekümmerte Tutor nicht. Die Empfehlung zur Flucht wollte er sich merken… Was er verstand war die Befürchtung, dass sich sein Statthalter eines neuen Mannes bedienen könnte, den diese verfluchten Hunde nicht kennen würden… Deshalb konnte er nachvollziehen, warum sie mit dem Angebot einer Flucht spielten…

      Trotzdem ergab sich ein Widerspruch zwischen der Möglichkeit zur Flucht und den für ihn wichtig erscheinenden Hinweis auf des Hermunduren Paten. War da wirklich ein Mann, der Zorn auf den Hermunduren empfand? Stimmte diese Aussage, dann konnte er sich doch den Zorn des Mannes zu Nutze machen… Er merkte sich jede Einzelheit, nur warum erwähnten sie in seiner Anwesenheit diese Gefahr?

      Tutor grübelte nur wenig darüber nach, sah er sich mit seiner Aufmerksamkeit doch für das Zuhören gebunden. Trotzdem begriff er, dass sie wirklich davon ausgingen, dass er noch immer bewusstlos war.

      Eine Prüfung mittels eines Blickes, ob diese Vermutung stimmen könnte, schied aus. Also musste er den Worten vertrauen. In dem er glaubte, den Besinnungslosen bis zur Vollendung gespielt zu haben,

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