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Mein Haus - eine Burleske. Peter Hesselbein
Читать онлайн.Название Mein Haus - eine Burleske
Год выпуска 0
isbn 9783347089020
Автор произведения Peter Hesselbein
Жанр Контркультура
Издательство Readbox publishing GmbH
Dann kamen die Mexikaner, die Japaner, die Russen, die Volen, die Ungarn, die Spanier, die Couscouserien, die Afrikaner, was weiß ich, wer sonst noch. Nur Franzosen kamen nie. Schade eigentlich.
Zunächst vermehrten sich so die ausländischen Lokale, dann verminderten sich allmählich die Restaurants mit gutbürgerlicher Küche. Etwa gleichzeitig entstanden die Fastfood-Etablissements, also sozusagen die Amerikaner. Und irgendwann gab es keine einheimischen Gaststätten mehr, sozusagen gar keine. Nicht einmal mehr Wienerwald. Ok, Bratwurstbuden, die gab es noch.
Gerade nur um die Ecke bei den Restaurants, da findet sich eine andere Spielart der Diversifikation. Dort stoßen wir schnell auf die mehr oder weniger offen werbenden und reichlich vorhandenen Etablissements, die gleichgeschlechtlich liebendes Publikum ansprechen. Oder Lederliebhaber. Oder Gummibegeisterte. Oder Ichwillliebergarnichtdrandenken. Zwar schätze ich es, wenn die allermeisten freiwilligen sexuellen Tätigkeiten juristisch nicht verfolgt werden, schließlich soll jeder nach seiner Façon unglücklich werden dürfen. Trotzdem wäre es mir etwas dezenter lieber. Es gibt da durchaus Ähnlichkeiten mit bei den gastronomischen45 Betrieben, finde ich: das »Besondere« sollte irgendwie ein wenig in der Minderheit bleiben. Es wäre mir lieber, wenn das Normale seinen Platz behielte, es noch eine Mitte gäbe. Irgendwie zeigt diese Umgangsweise mit dem »anderen« auch, dass es eben nicht – noch nicht, nicht mehr, nie – akzeptiert ist, dass die Gesellschaft eben nicht damit leben will. Wer hat das doch gleich mal gesagt: erst wenn man in Deutschland einen Juden wieder einen Juden nennen darf (und nicht einen jüdischen Mitbürger oder etwas ähnlich Verlogenes), werden wir die Juden nicht mehr als Juden wahrnehmen, sondern als Menschen46. So auch bei den Homos. Und den Moslems. Und allen anderen Negern. Glaube ich.
Geht das eigentlich nur mir so, oder hatten Sie sich die Sache mit der sexuellen Befreiung auch irgendwie anders vorgestellt? Nun gut, die wenigsten Sachen im Leben werden ja nun genauso, wie man es sich einmal vorgestellt hat. Das kann dann natürlich mindestens an drei Ursachen liegen: am Vorher, am Hinterher oder an einem selbst.47 Und: Vorher war es ja auch nicht besser. Aber jetzt ist es eben auch nicht besser.
Wenn Sie sich vielleicht noch erinnern können an die Zeit vorher, so wissen Sie natürlich um diese miefigen, heimlichtuerischen Verhältnisse, als man sich die Neigungen bestimmter Mitmenschen höchstens unter vorgehaltener Hand zuflüsterte und ihnen im Alltag etwas beschämt, doch irgendwie be- oder verschämt entgegentrat. Verschwiemelt, um ein Modewort zu benutzen.
Aber was die sogenannte sexuelle Revolution jetzt aus allem gemacht hat, ist nicht gerade viel erfreulicher. Gab vielleicht mal eine kurze Phase der tatsächlich (aber wohl nur von einer Minderheit) in Liebe und Lust ausgelebten Sexualität. Folgte der aber doch ganz schnell die Kommerzialisierung und Pornographisierung, die vollständige Einvernahme durch Werbung und Mode. Heute ist die hochsexualisierte Stimmung ja geradezu zum normalen Level geworden. Ein junges Mädchen, das nicht bereitwillig seinen Körper zu Markte trägt, gilt als altmodisch, und der Begriff »innere Werte« ist zur Lachnummer geworden. Werte gibt es überhaupt nur noch äußerlich. Im Sinne von Wertsachen. Ist das nun die erhoffte Freiheit, oder hat mal wieder aus Versehen jemand der Büchse der Pandora den Deckel gelüpft (oder sonst etwas falsch gemacht)?
Ich bin ja manchmal auch geneigt zu glauben, dass die Leute, die für diesen ganzen Kram verantwortlich sind – vielleicht ist es ja auch wirklich nur ein einziger – überfordert sind, um es einmal vorsichtig auszudrücken. Völlig überfordert, oder fahrlässig. Vielleicht auch Böswillig.
Demiurg – war das das Wort? Um nicht Schlimmeres vermuten zu müssen.
Kann aber auch sein, dass man es besser doch ein Stückchen niedriger hängt, dann wäre wieder die Gesellschaft Schuld dran. Oder so. Wie alles nach zarten Hoffnungen, vielversprechender erster Blüte schließlich zur Reife gelangt und dann anfängt zu welken oder zu faulen. – Nein, klingt eher doch nicht nach explizit politischen Gründen.
Falls jetzt überhaupt jemand Schuld ist. Ist an allem jemand Schuld? Und was, wenn nicht? Das wären doch einmal wirklich interessante Fragen.48
Bei meinen Ausflügen in die Nachbarschaft49 deprimiert mich trotzdem dieses Nebeneinander von Geldmacherei und Armut, Gier und Verlorenheit, meist schon nach kurzer Zeit. Um den Zustand meiner Stadt steht es nicht zum Besten. Mit diesem Wissen war ich ja auch schon ausgegangen.50 Aber ich wohne nun einmal da. Wie in meinem Haus auch. Man muss sich schicken.
Manchmal, so an sonnigen Tagen, sieht alles natürlich wieder viel netter aus und ich fühle mich im Grunde genommen sauwohl51 zwischen den netten Leuten und den hübschen Gebäuden. An solchen Tagen begegne ich auch netten Menschen. Also an ein Mal kann ich mich erinnern, das muss ich Ihnen erzählen: ein Säugling, oder zumindest ein noch ziemlich kleines Kind, es saß in seinem Wagen neben der Mutter, die sich um Einkäufe oder so etwas kümmerte. Auf einmal begann zu mich zu fixieren und zu lächeln; ich lächelte zurück, kurz, blicke dann anderswohin. Als mein Blick ihn wieder streifte, strahlte er mich mit der ganzen Kraft seiner wenigen Monate an, lange, lange, bis es mir fast peinlich wurde. Dann legte er sich ein wenig zurück in seinem Gefährt, und ich bemerkte, dass er die Hände zufrieden über dem Bauch gefaltet hatte, wie ich es auch immer tue, wenn ich schlafe (wie man mir oft gesagt hat). Und lächelte weiter, zufrieden wie ein Honigkuchenpferd, mich noch manchmal aus dem Augenwinkel anschauend. In diesem Moment dachte ich mir, dass es vielleicht doch Seelenwanderung gibt, aber – dann müsste das ja schon während der Restlaufzeit beginnen, ginge das denn?
Irgendwann kehre ich dann auch immer nach Hause zurück. Dort fühle ich mich im Grunde genommen gut. Oder immer noch am besten.
Trotzdem hätte ich der Tante jetzt gerade nicht noch mehr vom Hause zeigen wollen, und so traf es sich glücklich, dass sie danach auch gar nicht fragte oder noch Anstalten machte das Haus zu betreten, sondern mich zielsicher durch einige Straßen in die nächste Konditorei zog um Käsesahnetorte zu bestellen und Kaffee zu trinken (Kaffö sagt sie immer, mit ganz kurzem »ö« wie in »Höcker«52, das klingt irgendwie mürrisch). Ich habe ein Bier getrunken, glaube ich.
Ich trinke meistens ein Bier.53
1 Das mit ersten Büchern ist ja sowieso so eine Sache. Sind sie nun die stärkeren – also gegenüber den zweiten – oder, wie heute oft, werden sie erst nach dem Tod des Autors veröffentlicht, oder frühestens, wenn er einen Namen hat? Ich kannte ja mal einen, der las überhaupt nur Erstlinge. Wobei – wer weiß schon von den wirklichen Erstlingen? Die sind doch meistens in frühen Jahren vernichtet worden.
2 Sollte es Ihnen aber wirklich nicht gefallen, empfehle ich, hier im Anfang das eine oder zu überschlagen. Geflissentlich. Weiter hinten gibt es weniger Fäkalitäten und sonstige Unappetitlichkeiten. (Ich zögere, es Ihnen zu verraten: je weiter hinauf im Haus, umso Ätherischer geht es zu. Und ganz unten, da kann ich nur sagen huuu; aber so ist am Ende für alle etwas dabei. Oder für jeden. Oder für alle und jeden – suchen Sie es sich aus (ich will nicht allzu weit vorgreifen).
3 Weinbergkirschen und Weinbrandschnecken. Fällt mir da unwillkürlich ein. Kann man was für seine Einfälle?
4 Calabrese: mit Zwiebeln, Paprika und scharfer Salami.
5 Natürlich ist die Frage der Lage bei Immobilien ganz wichtig, das versichert einem schon der mieseste Makler (Makler – das wäre auch noch so ein Thema). Dass mein Haus – Gott ja – nun gerade hier stehen muss, das habe ich auch längere Zeit für langweilig gehalten. Wollte ja lieber indieWelthinaus, so Inseln des ewigen Frühlings oder, ja, eine Zeitlang hat es mich auch sehr nach La Réunion gezogen, diesem Übersee-Departement. Rein rechtlich gesehen ein Frankreich wie Lothringen oder die Normandie, ein kleines Hotel de Ville, die Marseillaise flattert leise vor dem Rathaus im Wind, die Gendarmen schlendern über die Märkte in der etwas leichteren Tropenuniform, mit kurzen Hosen und so,