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eine Frage der fehlenden bzw. nicht in ausreichender Quantität vorhandenen Körpersubstanz ist28 29, weniger eine der Qualität, nämlich der Beschaffenheit des Insektenfleisches, falls man da überhaupt von Fleisch sprechen kann. Was man aber wohl tun sollte, denn immerhin gelten z.B. geröstete Grillen, namentlich in Honig getaucht, Wüstenbewohnern als ausgesuchte Delikatesse. Was mag daran schmecken, wenn nicht Fleisch? Und was soll das gestorbene Fleisch, wenn nicht verzehrt, tun, als verwesen und demnach stinken. Außer der Chitinpanzer, was immerhin eine weitere Möglichkeit wäre, verhinderte den Luftaustausch.

      So ein Chitinpanzer scheint ja eine ganz vortreffliche Einrichtung. Wenn z.B. die unbestritten in totem wie in lebendem Zustand stinkenden Mäuse auch einen Chitinpanzer trügen, bliebe diesen Nagetieren wohl so einiges Missgeschick in ihrem Leben erspart. Man könnte sich die Verzweiflung von Katzen und Bussarden angesichts eines solchen Mäuseschutzes vorstellen. Natürlich könnte man sich genau so gut ausmalen, wie die Natur mittels ihres unparteiischen Vorrats an bildnerischer Fantasie dann auch den Chitinmäusen Feinde geschaffen hätte, z.B. in Form der Säbelzahnkatze oder des Bohrbussardes, vermutlich scheußlicher Kreaturen, angesichts derer der Gedanke an Tierschutz uns wieder einmal noch etwas verrückter erscheint. Auch ist meines Erachtens höchst fraglich, ob eine Säbelzahnkatze es zu einer solchen Karriere als Kuschel- und Kindersatztier hätte bringen können wie die Hauskatze mit ihrem zwar auch schon nicht zu unterschätzenden, jedoch meist diskret versteckten Gebisses. (Es ist übrigens bemerkenswert: meist ist in der Tierwelt das Zeigen des Gebisses als Drohung zu verstehen; die Menschen haben sich ihr Zähnefletschen als Lächeln umgedeutet.) Wer indes schon einmal den verzweifelten Gesichtsausdruck einer z.B. von Kindern zwangsgestreichelten Katze gesehen hat, mag den Tieren ein bisschen Verteidigungsfähigkeit durchaus gönnen. Der Evolution hat es ja interessanterweise gefallen, Wehrhaftigkeit sowohl als Schwert wie auch als Schild zu gestalten, was vielfach zu der irrigen Annahme geführt hat, es gebe (wie man auch von nützlichen und unnützlichen Tieren zu sprechen geruht hat) angreifende, also böse, und sich verteidigende, vulgo friedliche, brave Kreaturen. (Wenn man sich mal überlegt, dass Krokodil und Nachtigall recht nah miteinander verwandt sind – man könnte auch Schildkröte und Schwalbe nennen –, falls das denn wirklich stimmt mit der Abstammung der Vögel von den Dinosauriern, das hätte man sich so zu Zeiten von Linné auch nicht ausgemalt, oder? Ja, manchmal könnte es einem fast so vorkommen, als kultiviere die Natur eine Art Humor.)

      In der Tat weiß man nichts von Schildkröten, die ihre Gegner unter ihren Panzern zu Tode quetschen. Man weiß ja überhaupt so wenig, und fast täglich werden noch neue Tierarten entdeckt (während andere stillschweigend aussterben). Aber so ganz einfach scheint es doch nicht zu sein, auch ein Elefant kann einen Störenfried schon ganz schön plattmachen, beispielshalber. Zumindest wäre es merkwürdig, wenn es in diesem Fall einmal einfach und klar wäre. Die real existierende Welt neigt leider selten zur Eindeutigkeit.

      Die Sache mit den Katzenalternativen bringt mich übrigens zu einem schon früher angeschnittenen Punkt zurück.30 Gesetzt, ER hätte gekonnt wie er wollte und nicht dauernd auf die darwinschen Regeln Rücksicht nehmen müssen, dann wären ja wohl auch Ausnahmen von der Viererregel bei Wirbeltieren möglich gewesen, wodurch dann auch der Dichter Wunsch nach Pegasus und dem der Alten nach Zentauren zu befriedigen gewesen wäre.

      Denn – es gibt ja auch interessante Reminiszenzen; also z.B. mindestens zwei Frauen, die ich kannte, litten an ständigen Entzündungen, Furunkeln und anderen Beschwerden just an dieser Stelle, an der der Schwanz bei Säugetieren zu sitzen pflegt. Der Körper schien hier etwas zu wollen, war irgendwie nicht einverstanden mit der offensichtlichen Lücke. Oder es hatte sich eine Schwachstelle gefunden.

      In der Tat habe ich einmal eine halbe Nacht wachgelegen und überlegt, erstens ob und zweitens warum es nicht wirklich sechsbeinige Krokodile oder Chamäleons gibt. Es würde am Gesamtbild dieser Kreaturen absolut kaum auffallen geschweige denn stören. Sage ich so, mit meiner geringen Kenntnis schon über das Außen-, gleich gar Innenleben der Chamäleons. Z.B. zweifelte ich vor kurzem in einer Unterhaltung zunächst eisern an, dass diese so wandelbaren Tiere in der Türkei vorzukommen pflegen. Bis mich dann ein Blick ins Lexikon – ich wählte aus den diversen, die ich besitze, den Großen »Meyer« – eines besseren belehrte. In der Türkei! Dabei hatte ich diese Geschöpfe immer über die Äste im oberen Drittel eines tropischen Regenwalds spazieren sehen, in meiner Vorstellung. Denn in der Realität habe ich sie überhaupt nur in den Terrarien von Zoologischen Gärten studieren können, und da hingen die Biester immer fast bewegungslos unter der ultravioletten Lampe und schienen irgendwie übel zu nehmen. Wenn sie dann grämlich ein Auge verdrehen, erinnern sie an ältliche Verwandte. Natürlich darf ich an dieser Stelle nicht unterlassen an die Geschichte mit der Handtasche zu erinnern, die zwar auf den ersten Blick wie aus Krokodilleder wirkt, aber in Wahrheit aus Chamäleonleder hergestellt worden ist. Zwangsläufig ändert die Tasche je nach Standort, an dem man sie abgestellt hat, oder nach dem Kleid respektive Übergewand, dem sie nahe ist, indem die Trägerin sie in der Hand hält, ihre Farbe. Das ist hübsch anzusehen (und spart Kosten, die die Beschaffung einer größere Handtaschenkollektion sonst verursachen würde), und mit dem Charakter der Tasche nicht Vertraute sollen sich immer wieder höchst überrascht geäußert haben.

      Ich komme aber im Interesse der allgemeinen Verständlichkeit wieder zurück auf den Hund, der zwar sprachlich tatsächlich in einer fliegenden Variante vorkömmt, die sich jedoch bei näherer Betrachtung als gar nicht verwandt erweist. Also der normale Haushung31 ist es, der mich zu einem Vorschlag an die Natur oder die Geningenieure? – inspirierte dergestalt, dass man den beliebten Freund des Menschen doch mit einer dritten Achse und daran anmontierten Flügelchen ausrüsten könnte. So brauchte man seinem Liebling dann abends nur das Fenster aufzumachen, ihn aufs Fensterbrett zu setzen und »husch« zu sagen, und der beste Kamerad des Erdenbürgers würde zu seinem abendlichen Ausflug aufbrechen, ohne dass man selbst ihn begleiten müsste (was in diesem Fall ja zugegebenermaßen auch noch erheblich aufwendiger als der obligatorische Abendspaziergang wäre). Wie Karlsson vom Dach.

      Ja, da steht er nun der Gedanke, und schon kommen die Bedenken ob der Kontraindikationen dieser neuerlichen Bequemlichkeit. Natürlich wäre es eine einschneidende Reform für die Hundebesitzer. Schon auch eine Bereicherung des Stadtbildes (wobei man vielleicht zunächst nur für eine Stadt die Lizenz zum Fliegen ausgeben sollte, eine bisher in touristischer Hinsicht benachteiligte, die dann die entsprechende Attraktion in der Werbung herausstellen und Scharen von Sensationssüchtigen damit anlocken könnte. Dabei fällt mir ein, dass noch im Jahr 1999 im saarländischen Marpingen drei eher jüngere Damen öffentlich behaupteten, ihnen erscheine die Jungfrau Maria und übermittle ihnen Botschaften, die sie an mehreren aufeinander folgenden Sonntagen in einem Wald auf ein transportables Diktiergerät aufsprachen und den zu Abertausenden erschienenen Pilgern und Neugierigen anschließend über eine eigens installierte Lautsprecheranlage vorspielten. Vielleicht wären also auch in einem solchen Falle die touristischen Chancen gar nicht so gering, ob man nun die entsprechenden Hunde vorrätig hätte oder auch nur ein paar entsprechende Anzeigen veröffentliche). Auch böte dieses Hundemodell natürlich sowohl für den Schnepfen- als auch den Moorhuhnjäger32 erhebliche Erleichterungen, wohingegen die Engländer es bei der Fuchsjagd vermutlich aus Fairnessgründen nicht zum Einsatz brächten. Aber die übrigen Folgen! Stellen Sie sich vor, wie ein Briefträger von einem ganzen Rudel von hyänen-harpyienhaft flatternden und infernalisch kläffenden Dackel durch seinen Zustellbezirk verfolgt wird. Das sind dann wahrlich gefährliche Briefschaften. Allein, so etwas könnte man eher als Nebensache ansehen gegenüber dem, was dann mit der Hundeköttel geschähe, die dann nicht mehr nur in Kontakt mit den Schuhen der Passanten geriete, sondern auch mit deren Hüten, um Schlimmeres gar nicht zu erwägen oder zu erwähnen.

      Nein, da lassen wir doch alles lieber so, wie es ist.

      (Die Einführung neuer Bequemlichkeiten hat ja oft mehr Schattenseiten als lichtvolle. Aber gemeinerweise scheint es so eingerichtet zu sein, dass Menschheit das immer erst merkt, wenn es spät ist. Die Erfindung des Automobils löste jene verhängnisvolle Entwicklung aus, in deren Verlauf den Leuten zunächst die Beine verkümmerten und schließlich ganz abfielen, die Einführung des warmen Essens führte zu ähnlichen Erscheinungen bei den Zähnen, die Beherrschung des Feuers beim Fell – na ja, und so weiter usw. Der gerade einmal ein paar Jahrzehnte im

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