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auf andere Gedanken kommen.

      Nicht mehr an Lars Magnusson denken!

      Aber er wollte sie wiedersehen, und er hatte sich über sie erkundigt.

      Tat man das nicht nur bei Menschen, an denen man ein wirkliches Interesse zeigte?

      Roberta machte den Fernseher aus, weil es keinen Sinn hatte. Es gelang ihr nicht, sich mit irgendeinem Krimi oder Liebesroman abzulenken, Selbst bei Dokumentarfilmen, die sie normalerweise sehr gern sah, schweiften ihre Gedanken ab. Sie konnte sich auf nichts konzentrieren, weil sie immerfort an Lars Magnusson denken musste. Und das war mehr als bedenklich …

      *

      Sandra Münster und ihre Mutter Marianne von Rieding unternahmen nicht mehr viel miteinander. Und auch die geselligen Kaffeestunden, in denen sie über Gott und die Welt redeten, gab es kaum noch, Sandra bedauerte das sehr. Andererseits freute sie sich für ihre Mutter. Die verbrachte mittlerweile die meiste Zeit mit ihrem Ehemann Carlo Heimberg. Und das war gut so. Es war auch rührend anzusehen, wie liebevoll und zärtlich die beiden miteinander umgingen.

      Früher hatten sie kaum Zeit zusammen verbringen können, weil Carlo beinahe wie ein Getriebener weltweit unterwegs gewesen war. Das war bei einem international arbeitenden bekannten Architekten normal. Und wenn es sich dann auch noch um jemanden handelte, der beinahe alle bedeutenden Architekturpreise gewonnen hatte, ging es überhaupt nicht anders. Hier und da hatte Marianne ihren Mann begleitet. Doch meist war es ihr zu anstrengend gewesen, zumal auch die Zeit, die sie und Carlo miteinander verbringen konnten, immer sehr knapp bemessen gewesen war. Und was hatte sie beispielsweise von New York, wenn sie dort die meiste Zeit allein unterwegs sein musste? Das machte keinen Spaß.

      Mittlerweile hatte sich vieles verändert. Freilich waren die Gründe dafür nicht zu prickelnd.

      Es wäre alles so weitergegangen mit Carlo, immer auf der Überholspur, hätte man nicht einen Herzschaden entdeckt. Er war in buchstäblich letzter Minute am offenen Herzen operiert worden. Und der Professor hatte ihm deutlich klargemacht, dass sein Leben jetzt ein anderes sein musste. Carlo hatte es verstanden, aber so richtig umgehen konnte er damit noch nicht, und es war wirklich sehr gut, dass er ständig seine Frau an seiner Seite hatte. Marianne war niemals von seiner Seite gewichen, nicht im Krankenhaus, nicht in der Reha, und auch jetzt versuchte sie, immer für ihn da zu sein und ihm dabei zu helfen, mit seinem neuen, ungewohnten Alltag umzugehen. Leicht war es nicht. Und Sandra bewunderte ihre Mutter manchmal für deren Ausdauer. Sie hätte schon so manches Mal die Nerven verloren. Carlo war ein wunderbarer Mensch, aber jetzt war er nicht immer zu ertragen. Hoffentlich war es bald vorbei. Noch war er geschwächt und musste sich schon allein deswegen Grenzen setzen. Aber auch wenn es ihm besser gehen würde, könnte er sein altes Leben nicht einmal mehr annähernd führen. Und ein Schmalspur-Architekt wollte er nicht sein. Er konnte es sich einfach nicht vorstellen, plötzlich kleine Einfamilienhäuser bauen zu sollen. Das schon, aber wenn es sich dabei um einen ganzen Komplex handelte wie beispielsweise um den Sonnenwinkel.

      Sandra hätte schon einige Fragen an ihre Mutter, aber sie wollte nicht immer nur über dieses eine Thema reden. Irgendwann wurde man müde davon. Das Leben ging weiter, und auch bei ihr geschah einiges, von dem ihre Mutter nichts wusste. Und das war es halt, was ihr so sehr fehlte, dieser beinahe tägliche Austausch, der ja auch möglich war, wenn man praktisch Tür an Tür wohnte.

      Heute hatten sie auf jeden Fall Zeit füreinander, und das würde Sandra sehr genießen. Nach dem Tod ihres Vaters hatte Sandra viele Jahre allein mit ihrer Mutter verbracht, und so etwas prägte einen Menschen, da gab es eine enge Bindung.

      Carlo war hinunter zu Frau Doktor Steinfeld in die Praxis gegangen, und dorthin musste Marianne ihren Mann nicht begleiten.

      Sie unterhielten sich über Manuel und die Zwillinge, und Marianne beobachtete, wie ihre Tochter beinahe gierig Schokolade in sich hineinstopfte. Sie überlegte einen Augenblick, ob sie etwas sagen sollte. Es ging sie schließlich nichts an. Sandra war erwachsen.

      Aber sie war die Mutter, und sie fand, dass es ihr zustand, eine Bemerkung zu machen.

      »Sandra, hör bitte auf, Schokolade in dich hineinzustopfen. Man kann es kaum mit ansehen, und ehrlich, du hast ganz schön zugelegt. Aber das ist ja auch kein Wunder, wenn man dir zusieht.«

      Sandra legte das Stück Schokolade, in das sie gerade beißen wollte, auf den Tellerrand, blickte ihre Mutter an. Dann begann sie zu lachen. »Mama, da musst du dir überhaupt keine Sorgen machen. Ich werde weiter an Gewicht zulegen, und das ist ganz normal, ich …, ich bin nämlich … schwanger.«

      Marianne wollte gerade etwas trinken, sie setzte die Tasse ab.

      »Du bist … bitte was?«

      Sandras Lachen verstärkte sich. »Du hast richtig gehört, Mama. Felix und ich werden ein Kind haben.«

      Marianne schnappte nach Luft. »Ja, aber …, warum erfahre ich das so nebenbei?«, wollte sie wissen und wusste nicht, ob sie jetzt wütend sein sollte oder nicht.

      Die nächsten Worte ihrer Tochter besänftigten sie sofort.

      »Mama, weil wir erst einmal die kritische Zeit abwarten wollten. Wie du weißt, habe ich bereits zwei Fehlgeburten erlitten. Erinnere dich bitte, wie enttäuschend das jedes Mal für uns war. Diesmal scheint alles gut zu gehen, und du kannst dir nicht vorstellen, wie glücklich Felix und ich sind.«

      »Und was sagen die Kinder?«, wollte Marianne wissen.

      »Die erfahren es in den nächsten Tagen, Felix und ich möchten es ihnen gemeinsam sagen. Ich denke, sie werden sich ebenfalls freuen. Nun ja, Manuel wird mit einem kleinen Geschwisterchen nicht viel anfangen können. Aber er ist ein sehr liebevoller Junge, und ich denke, er wird sich um das Baby kümmern, und unsere Zwillinge werden auf jeden Fall glücklich über das Geschwisterchen sein.«

      Marianne erholte sich allmählich von ihrer Überraschung und begann sich zu freuen. Sie war mit Herz und Seele Großmutter, das war sie auch für Manuel, obschon Felix ihn mit in die Ehe gebracht hatte. So ein kleines, hilfloses Wesen, das man so richtig bemuttern konnte …, das war ein schöner Gedanke.

      Dann allerdings kam Carlo ihr in den Sinn, sie dachte an ihr Leben mit ihm, in dem alles offen war. Würde dann die Zeit für ein neues Enkelkind bleiben?

      Sandra hatte ihre Mutter beobachtet, bemerkt, wie deren Gesichtszüge sich immer mehr verdüsterten.

      »Mama, freust du dich nicht?«

      Um Gottes willen, an so etwas durfte Sandra nicht denken. Natürlich freute sie sich, und das sagte sie ihrer Tochter auch.

      »Deinem Gesicht ist es nicht anzusehen, Mama.«

      Marianne seufzte, und sie trank erst einmal einen Schluck Kaffee, um ihre Gedanken zu ordnen.

      Marianne wusste, wie werdende Eltern waren, die legten jedes Wort auf die Goldwaage, und ihre Tochter war ganz besonders empfindlich.

      Sandra und sie waren immer ehrlich zueinander gewesen, und daran sollte sich jetzt auch nichts ändern.

      »Wie du weißt, denken Carlo und ich ja darüber nach, aus dem Herrenhaus auszuziehen. Wenn ich allerdings an das neue Enkelchen denke …«

      Sandra hielt überhaupt nichts davon, dass ihre Mutter und Carlo wegziehen wollten. Das war nicht neu, ihre Mutter hatte keine Bindung an das Herrenhaus, den ganzen Besitz einschließlich der Felsenburg. Und das lag ganz bestimmt daran, dass ihr verstorbener Großvater sie zu seinen Lebzeiten nie hatte sehen wollen. Seine Schwiegertochter und seine Enkelin waren für ihn tabu gewesen, und mit seinem Sohn hatte er gebrochen, als der es gewagt hatte, eine Bürgerliche zu heiraten.

      Nach seinem Tod waren sie und ihre Mutter auf einmal die Erbinnen gewesen, und während es ihr gefiel, sie sehr stolz auf das prächtige Anwesen war, war ihre Mutter nie so richtig heimisch geworden. Und jetzt, da sie mit Carlo die Möglichkeit hatte, sich überall auf der Welt niederzulassen und ganz entspannt mit ihm zu leben, interessierte sie der Erlenhof noch weniger.

      Aber der sehnsuchtsvolle Ton in der Stimme ihrer Mutter

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