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Jahren vergiftete! [* Vgl. A. de Vignys Drama »Chatterton«, nach »Hernani« das bedeutendste romantische Drama in Frankreich] So offenherzig wie Chatterton war der schottische Fälscher Macpherson nicht, dessen Ossianlieder niemals an einem geheimnisvollen Orte gefunden worden waren, nicht aus dem dritten Jahrhunderte und aus dem Gälischen stammten, sondern – wie schon Hume vermutete – eigene Dichtungen Macphersons sind. Wie auch die Tragödie Shakespeares, die William Henry Ireland ihm zuschob, eine eigene Dichtung des Jünglings war, der, nachdem London sich an dem neuaufgefundenen Drama Shakespeares erbaut hatte, seine Verfasserschaft eingestand. (Vgl. Curt Müller in der »Vossischen Zeitung« vom 15. Juli 1912.) –

      Aus Deutschland sind ein paar ähnliche Fälle von »Einfühlungen« in fremde Werke bekannt. Allerdings den falschen »Wanderjahren« des süßen Pustkuchen [* Vgl. Michael Holzmanns Buch »Aus dem Lager der Goethegegner«. («Deutsche Literaturdenkmale des 18. und 19. Jahrhunderts«. Nr. 129, Seite 29 ff.)] war die Eigenart Goethes, dessen damals noch nicht erschienene »Wanderjahre« von dem stümpernden Pfarrer ersetzt werden sollten, zu wenig aufgeprägt, als daß der Betrug nicht sehr rasch hätte durchschaut werden können. In Stil und Darstellung war Goethe manches abgesehen; aber Stellen, wie I,161, wo sich Äußerungen über Goethe finden, machten dessen Autorschaft von vornherein unglaubhaft [* Andere Stellen bei Holzmann a. a. D.] Glücklicher war Hauffs Claurennachahmung im »Mann im Monde«: sie gilt gewöhnlich als Parodierung des unerquicklichen Modeschriftstellers, ist aber doch eher ein Roman, der gerade mit den Mitteln des zu Verspottenden die stärksten Wirkungen erzielt. Als Parodie auf die unselige Manier Claurens können zwei Arbeiten von Herloßsohn gelten, eine satirische Posse »Der Luftballon« und »Löschpapiere aus dem Tagebuche eines reisendenTeufels«, die unter dem Namen Heinrich Clauren erschienen. (Leipzig 1827.) Diese Claurenparodie Herloßsohns besteht aus drei Teilen: 1. Erzählungen, 2. Silvesternachtbilder, 3. Nachtgedanken Schmuel Baruch Froschs. Nur der dritte Teil ist interessant nicht nur deshalb, weil er, wie Herloßsohn selbst mitteilt, von der österreichischen Zensur in einer Zeitschrift nicht zum Druck zugelassen wurde, da man eine Satire auf Juden darin sah, sondern auch wegen des aggressiven Inhaltes, einer scharfen Satire auf Tieck und seine Schule. Eine Dame aus dieser Schule hält eine Vorlesung über die Barbarei der Zeit, die an Müllner, Houwald, Grillparzer und Raupach Gefallen gefunden habe. Müllner tritt plötzlich in die Versammlung und hält eine Kapuzinerpredigt voll persönlichster Bosheiten, z. B.:

      »Der Tieck nennt ihre Werke all schlechten Plunder,

       Und wie Kriegszeichen, schwarz und rot,

       Hängen seine Didaskalien herunter.

       Seine Shakespeare-Theorie steckt er wie eine Rute

       Drohend im Dresdner Theater aus;

       Das dortige Theater ist ein Trauerhaus,

       Die ganze deutsche Poesie schwimmt in ihrem Blute....

       Über den Raupach schreit er Weh und Ach,

       Und der Houwald und Grillparzer

       Meint er, wären ein Mulatte und ein Schwarzer....«

      »Die Abenteuer und Erzählungen in Callot-Hoffmannscher Manier« von B. S. Ingemann (übersetzt von Dr. Bartels; Leipzig 1826) atmen weit mehr den Geist Fouqués (dessen »Galgenmännlein« in der Erzählung »Das hohe Spiel« kopiert ist) als den Hoffmanns; und »Skizzen in der Manier des seligen A. G. Meißner«, herausgegeben von Adolf von Schaden (3 Bände, Augsburg 1827 – 1829), beweisen, daß der Vielschreiber jede gerade in Gunst stehende Manier, die des «Rochus Pumpernickel« ebenso wie die der »Sappho« fixfingerig nachzubilden sich erdreistete, mochte sie ihm wesensverwandt sein oder nicht. Er ist der Typus des skrupellosen literarischen Freibeuters, den niemals innere Notwendigkeit dazu trieb, mit fremder Eigenart sein arges Spiel zu treiben. –

      Diesen Vorwurf wird man der geschicktesten und feinstem Beobachtungsgeiste erflossenen deutschen Nachahmung eines fremden Dichterwerkes nicht machen können; Willibald Alexis' »Walladmor«, weniger sein »Schloß Avalon«, erweist wohl am zutreffendsten, bis zu welchem Grade sich ein Autor in die Gedankengänge eines Vorläufers einlesen und einleben konnte. Man darf es dem Berliner Dichter, der die Entstehungsgeschichte «Walladmors« selbst in späteren Jahren dargestellt hat (Erinnerungen von Willibald Alexis. »Aus dem 19. Jahrhundert.« IV. Band. Seite 266 ff.), glauben, daß sein Beginnen nicht Spekulationsgier entsprang, sondern einer teufelsmäßigen Lust, zu beweisen, wie leicht und genau man Scott nachahmen könne. Es war nur literarische Ehrlichkeit von ihm, wenn er, nachdem die ersten zwei Bände des »Walladmor« die größte Spannung erregt hatten und fast ausnahmslos als Werk des Briten galten, in dem dritten durch offensichtliche Verhöhnung des Ganzen selbst die Schleier lüftete und seine wahren Absichten enthüllte. Daß Scott, anders als Clauren, wegen der Verwendung seines Namens keine Klage erhob, sondern selbst in einer Rezension die humoristische Täuschung günstig anerkannte, mochte vielleicht Alexis den Mut geben, vier Jahre nach dem »Walladmor« (der 1823 erschienen war) sein »Schloß Avalon« wieder unter Scotts Namen erscheinen zu lassen. Aber diesmal wurde eine ähnlich große Wirkung nicht mehr erzielt, wenn auch die Täuschung des Publikums vollkommen gelang. 1837 hat dann Gutzkow unter Bulwers Namen seine »Zeitgenossen« erscheinen lassen, und der »Verlag der Klassiker« war unaufrichtig genug, in allen gelesenen Zeitungen immer wieder zu annoncieren, daß er das Buch von Bulwer um große Summen zur alleinigen Veröffentlichung angekauft habe. Karl Buchner hat das Verdienst, die Unterschiebung sehr rasch aufgedeckt zu haben (vgl. »Hamburger literarische und kritische Blätter der Börsenhalle« 1837, Nr. 1353-1354). Der Kuriosität halber sei angeführt, daß auch unter Grillparzers Name eine ihm nicht angehörige Broschüre geht. Sie heißt »Die Stadttheatergrille« (Hamburg, Fritz Schuberth, 1857) und erschien gelegentlich der Erstaufführung der Birch-Pfeifferschen »Grille« im Hamburger Stadttheater. – –

      Es ist kaum ein Zweifel, daß Alexis Hermann Schiff bewog, das an Balzac zu erproben, was ihm mit Scott so sehr gelungen war. Nur übersah der Balzacparodist, daß er seinen Witz an einem Dichter übte, der in Deutschland noch völlig unbekannt war. Dadurch war von vornherein verhindert, die tieferen Absichten Schiffs zu durchschauen. Eine dichterische Manier zu parodieren, kann nur dort einen Sinn haben, wo das Original selbst Populäritat genießt. Statt also Balzac zu verspotten, wäre es damals weit angebrachter gewesen, ihn erst, wie er war, den deutschen Lesern vorzustellen. Bis sich diese in seiner Denk- und Dichtweise zurechtgefunden hätten, wäre es an der Zeit gewesen, diese nach- oder weiterzubilden.

      Übrigens war für Schiff nicht nur Alexis' Vorbild maßgebend, wenn er unter Balzacs Namen Eigenes veröffentlichte. Dieser hatte ja Ähnliches getan, als er »L'Elixir de longue vie« für eine verschollene Phantasie Hoffmanns ausgab [*Vgl. Artur Sakheims Buch »E. Th. A. Hoffmann«, Seite 33. ] Und auch sonst war in Frankreich gerade damals die Mode der literarischen Mystifikation verbreitet. Im April 1829 erschienen in Paris «Les soirées de W. Scott par M. Jakob bibliophile«. Damals begann der Geschmack an historischen Romanen nachzulassen, nur Scott behauptete noch immer sein Ansehen. In der Vorrede behauptete nun Jakob, daß er eine Sammlung historischer Skizzen herausgebe, die Scott in Paris, als er 1825 dort war, in mehreren Abendgesellschaften erzählt habe.

      Das war unwahr: tatsächlich hat sich Jakob (Pseudonym für Paul Lacroix) nur mit viel Verständnis in Scotts Romane eingelesen und sie als fruchtbarer Nachahmer auszunützen gewußt. In demselben Jahre 1829 hat Jules Janin mit seinem »L'âne mort et la femme guillotinée« (in der deutschen bei Frankh erschienenen Übersetzung beruht der Titel «Der tote Esel und die guillotinierte Frau« auf einer Oberflächlichkeit: es handelt sich um keine Frau, sondern um ein Mädchen) Viktor Hugos Kunst in genialer und durchdringender Weise nachgebildet. Man war (vgl. »Blätter für literarische Unterhaltung« 1830. Nr. 172) in Verlegenheit, ob hier eine Nachahmung oder eine Persiflage von »Le dernier jour d'un condamné« vorliege. Diese Streitfrage ist nicht leicht zu entscheiden. Man hat immer das Gefühl, daß Janin vorhatte, den grausigen Stoff Hugos zu ironisieren, daß ihn aber unter dem Schreiben das Mitleid mit seinen eigenen poetischen Gestalten erfaßte und er dann, allen Sarkasmus über Bord werfend, ernst und ergreifend wurde.

      Dieses reizvolle Buch war für Schiff von der größten Bedeutung. Auch er schwankt zwischen den beiden Gegensätzen des Ergriffenseins mit den Schicksalen seiner Personen und der unbezähmbaren

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