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Rom die zügellosen Prätorianer, die Mörder des Hauptmanns der Leibwache, Ulpianus, Gleiches auch von sich befürchtend, seinen Kopf verlangten. Der Kaiser aber nahm ihn in Schutz und ernannte ihn, außer anderen Auszeichnungen, für das nächste Jahr zu seinem Kollegen im Konsulat, indem er die damit verbundenen Kosten aus der eigenen Kasse bestritt. Um ihn der Wut der erbitterten Prätorianer zu entziehen, erlaubte er ihm, die Zeit seines Amtes außerhalb der Stadt in irgendeinem Teil Italiens zuzubringen. Nach Ablauf derselben erschien er wieder ungefährdet in Rom, erbat sich aber, nunmehr im Alter vorgerückt und überdies an einer Fußkrankheit leibend, vom Kaiser die Erlaubnis, sich von den öffentlichen Geschäften in seine Vaterstadt Nikaia zurückziehen zu dürfen, um dort den Rest seiner Tage in Ruhe zu verleben und die letzte Hand an sein Geschichtswerk zu legen, das er denn auch, auf Befehl seines Genius’ mit den homerischen Worten:

      Hektor aber entrückt Zeus aus den Geschossen, aus dem Staube, weg aus dem tödlichen Kampf, aus Blut und Schlachtengetümmel!

      beendigte.

      So viel vom politischen Leben Dios. Dass unser römischer Senator zu lange nach dem letzten echten Römer gelebt hat, um noch einen Funken altrömischen Stolzes in sich zu fühlen, belegt er selbst überall mit bewundernswerter Naivität durch die sprechendsten Beweise; und doch gehörte er, was freilich nicht viel heißen will, noch zum besseren Teil seiner Mitbürger, und trat sogar hin und wieder, wo es ohne eigene Gefahr geschehen konnte, für das Bessere auf. Sobald es aber galt, der eigenen Sicherheit seine Ehre zum Opfer zu bringen, entblödete er sich nicht, sich gegen die verworfensten Ungeheuer zu kriechender Schmeichelei zu erniedrigen und sich unbedenklich zum Werkzeug ihrer Willkür herzugeben. […]

      Die Schriften, als deren Verfasser er angeführt wird, sind folgende:

      – Das Buch von den Träumen und Wunderzeichen (welche dem Severus Hoffnung auf den Kaiserthron machten)

      – Die Geschichte des Commodus (wahrscheinlich später zum Bestandteil der Römischen Geschichte geworden)

      – Römische Geschichte (das vorliegende Werk)

      – Die Geschichte des Kaisers Trajan (Dieses Werk schreibt ihm das byzantinische Lexikon Suida zu. Diese ließ sich aber eher von Dio Chrysostomus erwarten; doch konnte unser Dio von jenem überkommene Notizen benutzt und bearbeitet haben.)

      – Die Lebensbeschreibung des Philosophen Arrian (ebenfalls laut Suida)

      – Eine Persische Geschichte (Diese ist aber wahrscheinlich durch Verwechslung der Namen die des Dion, welcher von vielen Schriftstellern als Verfasser einer solchen zitiert wird.)

      – Die Reisebeschreibung (als deren Verfasser Suida gleichfalls den Dio nennt, ist ebenfalls eher von Dion Chrysostomos, von dem man weiß, dass er viele Länder bereiste; doch konnte unser Dio die Materialien von seinem mütterlichen Großvater erhalten, vervollständigt und bearbeitet haben.)

      – Endlich wird auch die Getische Geschichte (welche Suida, Jordanes und Freculphus dem Cassius Dio zuschreiben) mit größerer Wahrscheinlichkeit dem Prusäischen Dio zugewiesen.

      Dio schrieb seine Römische Geschichte nach dem Zeugnis der Alten in 80 nach Dekaden eingeteilten Büchern und begann mit der Ankunft des Aeneas in Italien. Die ersten 45 Bücher sind nur noch in Bruchstücken erhalten. […]

      Die Geschichte vor der Kaiserzeit schrieb Dio minder ausführlich, am ausführlichsten aber, wie er selbst berichtet, die Geschichte seiner Zeit. Die vollständige Geschichte Dios, namentlich der vorpompejische Teil, scheint gleich anfangs vernachlässigt worden und nur in wenigen Abschriften vorhanden gewesen zu sein. Selbst Xiphilin, welcher sie entweder in seinem Codex nicht vorfand oder des Auszugs nicht für würdig hielt, verspricht nichts als die Kaisergeschichte. Dass sie aber nach diesem noch vorhanden waren, geht daraus hervor, dass sie von vielen angeführt worden und in den Sammlungen des Constantinus Porphyrogenetos und bei Zonaras1 exzerpiert worden sind. […]

      Bei der Übersetzung habe ich die Sturz’sche Ausgabe zugrunde gelegt. Dass ich die verdienstvolle Übersetzung von Lorenz, soweit sie erschienen ist, verglichen und berücksichtigt habe, wird mir in keinem Fall von Billigen zum Vorwurf gemacht werden.

Ulm, den 28. Januar 1831 D. Leonhard Tafel

      1 Der byzantinische Kaiser Konstantinos VII. Porphyrogenetos (912–959) war selbst wissenschaftlicher Schriftsteller und förderte in besonderem Maße die Entstehung fremder Werke, darunter eine Exzerptsammlung antiker Werke, durch die auch viele Fragmente von Cassius Dio überliefert sind. Johannes Zonaras war ein hoher Hofbeamter in Byzanz im 11. Jh., der unter anderem eine Weltchronik von der Erschaffung der Welt bis 1118 n.Chr. verfasste. Er benutzte für die Römische Geschichte Cassius Dio als Vorlage, doch lagen auch ihm zum Teil nur Auszüge vor.

      CASSIUS DIOS RÖMISCHE

      GESCHICHTE

      BRUCHSTÜCKE AUS DEN ERSTEN 34 BÜCHERN

      NACH DER ZEITFOLGE GEORDNET

      1. Einleitung Dios in seine Geschichte

      Ich werde bestrebt sein, die denkwürdigen Taten der Römer in Krieg und Frieden so zu beschreiben, dass weder einer von ihnen [den Römern], noch die anderen etwas Notwendiges vermissen sollen.

      2. Ich las fast alles, was über sie [die Römer] geschrieben worden ist, nahm aber nicht alles auf, sondern nur, was ich ausgewählt habe. Dass ich mich aber eines, sofern die Gegenstände es erlaubten, gefälligen Vortrags befleißigte, darf keinen Verdacht gegen dessen Treue erregen, was anderen [Geschichtsschreibern] schon passiert ist; denn ich ließ mir beides möglichst angelegen sein. Ich beginne in der Zeit, da die Überlieferung von dem Land, das wir bewohnen, Licht gewinnt. Das Land, in welchem die Hauptstadt der Römer erbaut ist, …

      3. Roms Ursprung.

      Aeneas also kam aus Makedonien nach Italien, welches früher Argessa, dann Saturnia, von Kronos (denn der griechische Kronos heißt bei den Römern Saturnus), hierauf, nach einem gewissen Auson, Ausonia, später Tyrrhenia hieß. In der Folge wurde von einem Italus, oder von einem der von Hercules weggetriebenen Geryonischen Stiere, der von Rhegion nach Sizilien in das Flachland des Eryx, Königs der Elymer, eines Sohnes von Neptun, hinüberschwamm, das Land Italien genannt. Denn die Tyrrhener nennen den Stier Italus. So erhielt denn das Land den Namen Italien, über welches zuerst Picus, dann sein Sohn Faunus König war. Als Hercules mit den übrigen Stieren des Geryon dahin kam, zeugte er mit Faunus’ Gemahlin den Latinus, welcher über die dortigen Einwohner herrschte und ihnen allen den Namen Latiner gab.

      55 Jahre nach Hercules kam der erwähnte Aeneas, nach der Eroberung Trojas, nach Italien und zu den Latinern; er legte bei Laurentium, das auch Troja heißt, nächst dem Flusse Numicius an, und mit ihm sein Sohn von Creusa, Ascanius bzw. Iulus [genannt]. Als hier seine Gefährten die mondförmige Unterlage ihrer Mahlzeit, aus Brotrinden bestehend (denn sie hatten keine Tische), verspeisten, und ein weißes Mutterschwein, aus seinem Schiffe auf den nach ihm benannten Albanerberg entsprungen, daselbst 30 Junge warf – zum Vorzeichen, dass seine Söhne in 30 Jahren im Besitz des Landes und der Gewalt sein würden – beschloss er, eingedenk eines Götterspruchs, seine Irrfahrt, opferte das Schwein und traf Anstalt, eine Stadt zu gründen.

      Latinus wehrte es ihm zwar; aber im Krieg besiegt, gab er Aeneas seine Tochter Lavinia zur Gemahlin. Aeneas baute jetzt eine Stadt und nannte sie Lavinia. Als aber Latinus und der König der Rutuler, Turnus, im Krieg, einer jeweils durch den anderen, gefallen waren, wurde Aeneas König. Nachdem aber auch Aeneas zu Laurentium im Krieg gegen dieselben Rutuler und den Tyrrhenerkönig Mezentius geblieben war und seine Gemahlin Lavinia schwanger hinterlassen hatte, kam sein Sohn von Creusa, Ascanius, zur Herrschaft. Dieser überwand Mezentius, da er keine Friedensbotschaft annahm, sondern einen jährlichen Tribut aus ganz Latium verlangte, in einer entscheidenden Schlacht. Nach genau 30 Jahren ging das Vorzeichen des Mutterschweins in Erfüllung, und die Latiner begnügten sich, zu größerer Macht angewachsen, nicht mehr mit Lavinia, sondern bauten

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