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Mörderische Liebe. Heide-Marie Lauterer
Читать онлайн.Название Mörderische Liebe
Год выпуска 0
isbn 9783944587912
Автор произведения Heide-Marie Lauterer
Жанр Языкознание
Серия Vera Roth
Издательство Bookwire
„Das mit deiner Adresse ist mir unerklärlich. Ich habe alle meine Unterlagen in meinem Büro und es war niemand Fremdes hier. Wir sollten den Vorfall nicht überbewerten. Nine geht es gut, sie ist hier sicher. Genau wie Paletti; er steht jetzt in dem Auktionsstall in Glovelier, der ist Tag und Nacht bewacht, da kann sich kein Verrückter einschleichen.“
„Trotzdem – das Gefühl in meinem Bauch – irgendetwas stimmt da nicht.“
„Vera, versprich mir, nicht darüber zu sprechen. Außer mit Gerson natürlich“, fügte sie hinzu. „Ich glaube nicht, dass ein Grund zur Sorge besteht; ich will alles tun, um die Sache aufzuklären. Ich melde mich wieder, wenn ich etwas Neues erfahren habe.“
17
In der Nacht hatte es geschneit, aber jetzt taute es. Vor Schmuddelwetter war ich noch nie zurückgescheut, wenn es ums Reiten ging. Nein, es war etwas anderes. Was genau wusste ich nicht, es kam mir so vor, als ob sich etwas veränderte oder als ob in absehbarer Zeit etwas Unangenehmes geschehen würde. Vielleicht bekam ich eine Erkältung? Das Kratzen im Hals beim Kaffeetrinken deutete darauf hin.
Nur gut, dass ich es heute Morgen nicht eilig hatte, Fango kam es auf fünf oder zehn Minuten nicht an, im Gegenteil, Tom hatte mir erzählt, dass er sich nach dem Einstreuen noch einmal hinlegte und ein Nickerchen machte, warten müssen kam in seinem Wortschatz bestimmt nicht vor.
Mein mulmiges Gefühl hing schon eher damit zusammen, dass sich die Mönchhofstraße bei einer Temperatur knapp über dem Gefrierpunkt in eine holprige Rutschbahn verwandelte, deren Glätte nur durch die vielen Schlaglöcher entschärft wurde. Angespannt und ängstlich überholte ich die radelnden Mütter, die ihre Kleinen entweder auf dem Kindersitz oder im Anhänger zur Kita radelten. Richtig gefährlich wurde es, wenn, wie gerade jetzt, ein Mountainbiker das Mutter-Kind-Gespann überholte und auf die Fahrbahn hinauswitschte! Um Haaresbreite hätte er meinen Wagen gestreift. Das rote Ampellicht an der Berliner Straße verordnete mir eine Verschnaufpause. Fango genoss vermutlich gerade sein Nickerchen. Grün! Jetzt floss der Verkehr wieder. Über der Neckarbrücke hatten die orangefarbenen Lastwägen der Stadtwerke haufenweise Salz auf die Fahrbahn gestreut und ich kam gut voran.
15 Minuten später stand ich vor Fangos Box und rief seinen Namen, er lag langgestreckt im sauberen Stroh. Als er mich bemerkte, ging ein Zucken durch seinen Körper, er spitzte die Ohren und schaute aufmerksam in meine Richtung. Dann brummelte er mir freundlich zu, doch er machte keinerlei Anstalten aufzustehen. Leg dich zu mir, schien er zu sagen, doch dieser Aufforderung wollte ich wirklich nicht nachkommen!
Um mich aufzuwärmen, mistete ich Fangos Box aus. Kaum hatte ich angefangen, mit der Mistgabel im Stroh herumzustochern, gab sich Fango einen Ruck, streckte die Vorderbeine aus und wuchtete seine 600 Kilo in die Höhe. Ausmisten tat gut, es half mir in fast jeder Lebenslage. Vor allem dann, wenn ich mich klamm oder wütend fühlte. Ich kam wieder in Schwung, lud meine aufgestauten Beklemmungen auf die Karre und kippte sie auf den Misthaufen – weg damit! Auf geheimnisvolle Weise verflüchtigten sich bei der körperlichen Arbeit meine bösen Vorahnungen, und meine Energieströme kamen wieder in Fluss.
Fangos Fell striegelte ich im Schnellverfahren – er trug eine Winterdecke, sein dünnes Fell war nicht verklebt, das erleichterte das Putzen. Fango benahm sich wie ein braver Junge, stand ruhig und gab auf Kommando die Hufe.
Hier am Putzplatz hatte es früher immer eine Gelegenheit für einen Plausch gegeben. Doch in letzter Zeit war es öfter vorgekommen, dass außer mir und Tom, der um diese Zeit mit Stallarbeiten und Füttern beschäftigt war, keine Menschenseele auftauchte.
Als ich den Sattel aus meinem engen Spind wuchtete, hörte ich Hufgetrappel. Die neue Stallnachbarin, die ich auf mein Alter, Ende Zwanzig, schätzte, führte ihren Friesen um die Scheune herum. Er schonte seinen rechten Vorderfuß und der Tierarzt hatte wohl ein paar Minuten schrittführen verordnet. Bestimmt kein Vergnügen bei dieser Kälte, dachte ich. Ich hätte sie gerne gefragt, was mit ihrem Schwarzen los war; doch als sie das dritte Mal an mir vorbeilief, ohne Notiz von mir zu nehmen, rief ich ihr nur ein „Guten Morgen“ zu. Auf einmal blieb sie stehen und bellte: „Bring drei Säcke Mash!“ Dann richtete sie ihre Blicke aus zusammengekniffenen Augen wie Pfeile auf mich. „Nicht mal im Stall kann man in Ruhe telefonieren!“ Mürrisch zog sie den Stöpsel aus dem rechten Ohr. „Ich habe mit meinem Mann gesprochen! Wollten Sie irgendetwas von mir?“
„Nein“, sagte ich und versuchte mir ihren Mann vorzustellen. Mit Gerson würde ich so nicht sprechen. Ob ich mich entschuldigen musste, weil ich sie gestört hatte? Aber ich sah die beiden nur noch von hinten. Die Frau hatte ihren Stöpsel wieder ins Ohr gesteckt und gab weiter ihre Bestellungen auf.
Ich legte Fango die Trense an, zog den Sattelgurt nach, was mit einen giftigen Blick mit zurückgelegten Ohren quittiert wurde und ging mit ihm in Richtung Reithalle. Neugierig betrachtete er den Schnee auf dem kleinen Rasenstück und versuchte, seine Nase hineinzustecken. Seine Laune war nicht besonders gut, vor jeder Schubkarre stockte er und legte die Ohren an. In der Halle lag noch ein leichter Dieselgeruch, Tom war gerade mit dem Planer durch den Sand gefahren, es würde ein paar Minuten brauchen, bis sich der Gestank verzogen hatte.
„Steh!“ Fango hielt am Aufsteige-Bänkchen in der Mitte der Reithalle an, ich stieg die drei Stufen hinauf, schob meinen Fuß in den Steigbügel und schwang mich in den Sattel. Gerade als ich die Zügel aufnehmen wollte, sprang mein Handy an: Dadada Dam, auf maximaler Lautstärke. Fango schien auf so eine Abwechslung nur gewartet zu haben. Er reckte seinen Hals auf und machte einen Satz vorwärts. Mechanisch schloss ich die Beine, was mich vom Herunterfallen bewahrte, doch Fango nahm meinen Beinschluss als Flucht-Signal. Alles ging rasend schnell, lass los, dachte ich, einfach loslassen, dann ist es vorbei – da packte mich nackte Angst – Nein! schrie es in mir, nimm endlich die Zügel kürzer, so kurz wie möglich, zieh ihn in eine Volte, Vera, mach endlich was!
In der Mitte der langen Seite kamen wir zum Stehen. Fango schnaubte und blickte wild um sich, mein Herz klopfte und ich gab langsam die Zügel nach. Fango entspannte sich und ich klopfte ihm den Hals. „Alles klar, Junge, du hast ganz recht, telefonieren und reiten passen nicht zusammen.“
Zu unserer Beruhigung ließ ich ihn eine Runde Schritt am langen Zügel gehen. Wer hatte mich eigentlich angerufen? Vorsichtig kramte ich nach meinem Handy und schaute auf das Display. Eine Schweizer Nummer – Iris! Ich musste sie zurückrufen, sie war so schwer zu erreichen, vielleicht hatte sie etwas über die mysteriösen E-Mails herausgefunden. Fango benahm sich wieder wie ein braver Junge, er würde mir einen kurzen Anruf nicht übel nehmen.
„Hallo Vera, gut, dass du dich meldest! Ich muss dir etwas Schreckliches sagen, etwas, womit ich niemals gerechnet hätte!“
Augenblicklich bereute ich, dass ich sie angerufen hatte. Mit meiner Konzentration war es mit einmal vorbei, wahrscheinlich musste ich Fango in der kleinen Halle frei laufen lassen, damit er sich austoben konnte, mit mir war jetzt nichts mehr anzufangen. „Was gibt es?“, sagte ich gepresst.
„Paletti ist tot!“
Ich verstand sie nicht gleich. „Wer ist tot?“
„Paletti, Nines Hengst, er ist tot zusammengebrochen, während des Trainings für den Stationstest.“
„Iris, sag bitte, dass das nicht wahr ist!“
„Doch, es ist leider so. Und das Schlimmste – wir wissen nicht, woran er gestorben ist – er war kerngesund und in einem ausgezeichneten Trainingszustand. Vera, hör mir zu! Sein Tod kann irgendwie mit den Mob Mails in Zusammenhang stehen.“
„Du meinst, jemand hat ihn umgebracht?“
„Ich weiß es nicht, es gibt auch Vermutungen, dass es ein unbekannter Virus gewesen sein könnte, jedenfalls steht der ganze Auktionsstall erst mal unter Quarantäne.“