Скачать книгу

Er sagt es sehr gedehnt. »Sie sind ein Dummerchen, Marion.«

      Sie wird anderweitig in Anspruch genommen und er beobachtet sie scharf. Dann steht sie wieder vor ihm. »Sekt?« erkundigt sie sich, und er nickt. Wie immer bringt sie zwei Gläser. Sie trinken sich zu.

      »Sie fragen nicht einmal, was aus dem Mann geworden ist?« kann er die Frage nicht länger zurückhalten.

      »Nun?«

      »Es war ein armer, kranker Teufel, den ich im nächsten Krankenhaus abgeliefert habe. Zuerst wollte ich hinter Ihnen herfahren, dann fiel mir noch rechtzeitig die Pflicht dem Kranken gegenüber ein.«

      Groß, unergründlich sieht sie ihn an. Ihre Lippen bewegen sich, als wolle sie etwas sagen, aber sie unterläßt es. Im Krankenhaus! Lieber Gott! Hat ihre Phantasie ihr einen Streich gespielt? Dann war es Ulrich Karsten sicher nicht.

      »Wie hieß denn der Mann, dessen Sie sich so liebevoll angenommen haben?« erkundigt sie sich, und es klingt mehr höflich als teilnehmend.

      »Keine Ahnung!« Wieder dieses lauernde Forschen hüben und drüben. Sie atmet heimlich auf.

      »Sie müssen doch eine sehr schlechte Meinung von mir haben, William«, nimmt sie nach kurzer Pause das Gespräch wieder auf. Jetzt lächelt sie.

      »Wie kommen Sie darauf, Marion Wendland –«

      Ein erschreckter Laut läßt ihn verstummen. Aus geweitete Augen sieht sie ihn an. »Was haben Sie denn? Sie sehen auf einmal ganz verstört aus. Sind Sie mir böse, weil ich mich nach Ihrem Namen erkundigt habe?« Er sieht harmlos wie immer aus.

      »Ich bin weder böse noch verstört.« Sie gibt sich alle Mühe, ihrer Stimme Festigkeit und den alten Klang zu geben. »Sind Sie nun zufrieden, daß Sie endlich meinen Namen kennen?«

      »Sehr«, sagt er und strahlt sie an. Er hebt sein Glas und trinkt ihr zu. »Auf Ihr Wohl, Marion Wendland.« Sie trinken stumm.

      »Wann fahren wir wieder aus?« erkundigt er sich nach einer Weile.

      Marion Wendland fühlt, wie das Blut wieder ruhig zum Herzen fließt.

      »Wann Sie wollen, aber nur nicht wieder bei einem solchen Sauwetter.«

      »Warten wir, bis der erste Schnee fällt«, schlägt er fröhlich vor. »Dann nehmen wir den Schlitten. Sie glauben nicht, wie wunderschön das ist.«

      »Sie sind ein Romantiker«, sagt sie teils ablehnend, teils angesprochen.

      »Ich glaube, Sie würden sich doch freuen, wenn Sie meinen Vorschlag annehmen.«

      »Ich glaube es auch«, sagt sie überlegend, und dann schließt sie frei­mütig: »Wenn ich es mir genau überlege, dann freue ich mich darauf.«

      Er nickt ihr erfreut zu, lauscht mit Hingabe der Musikkapelle und hat den Wunsch, sie im Arm zu halten, und sei es auch nur für einen kurzen Tanz. Als er seine Bitte in Worte kleiden will, drängen sich neue, lärmende Gäste dazwischen. Er hockt auf seinem Hocker, läßt sich das Glas füllen und stürzt den Inhalt meist in einem hastigen Zug hinunter.

      »Wollen wir ein Glas Sekt zusammen trinken?« hört er neben sich eine Stimme. Er wendet sich halb um und erkennt Frank Bendler.

      »Warum nicht?« erwidert er gutgelaunt, und so sitzen sie nebeneinander, friedlich nach außen hin, innerlich liegt jeder auf der Lauer.

      Bendler ist von einer wohlwollenden Überlegenheit, die Reincke auf die Nerven fällt.

      »Was versprechen Sie sich eigentlich von Ihren häufigen Besuchen, die doch ausschließlich Fräulein Marion gelten«, geht Bendler geradewegs auf sein Ziel los. Reincke wird im Nu hellwach. Blitzschnell überlegt er.

      »Eine gemütliche Stunde in Gesellschaft einer schönen Frau«, gibt Reincke gelassen zurück. »Als Geschäftsmann finde ich Ihre Frage einigermaßen töricht, entschuldigen Sie, aber Sie können es letzten Endes Ihren Gästen nicht verbieten, eine Ihrer Bardamen reizvoll zu finden, besonders Fräulein Marion.«

      Ärgerlich beißt Bendler sich auf die Lippen. »Und wenn Marion in festen Händen ist?« wirft er wie nebenbei hin.

      »Den Eindruck hatte ich bisher nicht«, entgegnet Reincke.

      »Ich würde jedenfalls etwas vorsichtiger sein«, sagt Bendler hitzig, und Reincke fällt in dröhnendes Gelächter.

      »Sie kommen mir wie ein Kindermädchen vor, Herr… Herr –«

      »Bendler«, verneigt dieser sich.

      »… Herr Bendler. Haben Sie als Besitzer dieser wirklich reizenden Bar nicht mehr zu tun, als auf den Umgang Ihrer Angestellten zu achten?«

      Scheußlicher Zustand! – denkt Bendler zornig. Ich muß eine klare Bahn zwischen Marion und mir schaffen. Sie muß sich auch nach außen hin zu mir bekennen.

      Dieser Gedanke tröstet ihn etwas, und er sagt, bedeutend besänftigt: »Sie haben recht, Herr Reincke. Ich habe mich nicht sehr taktvoll benommen. Natürlich können Sie Fräulein Marion verehren. Aber mehr nicht, denn ich liebe sie und will sie zu meiner Frau machen.«

      Beinahe wäre Reincke hell herausgeplatzt, aber er beherrscht sich. Ihm tut der Mann sogar leid, der mit todernstem Gesicht von seiner Liebe spricht, von der er, Reincke, ja schon lange weiß.

      Gespannt betrachtet Bendler den nachdenklichen Reincke. Was hat er von diesem Mann zu befürchten? Verbirgt er hinter dieser Gleichmütigkeit nicht ganz etwas anderes?

      Er sieht von seinem Glas auf, direkt in die dunklen Augen Reinckes hinein. »Nehmen Sie mich überhaupt ernst?« fragt er mit echter Bewegung. »Nehmen Sie etwa an, der Alkohol habe mir die Zunge gelöst?«

      »Warum soll ich Sie nicht ernst nehmen?« fragt Reincke kein bißchen mehr verärgert zurück. »Die Liebe muß man durchaus ernst nehmen, sonst versündigt man sich gegen sie.«

      Bendler blickt bewundernd auf den Mann, den er eben noch glühend zu hassen meinte, als Nebenbuhler, als Gegenspieler.

      »Sie sind ein feiner Kerl«, sagt er aus diesen Erwägungen heraus. »Ich hoffe, sehr glücklich mit Marion zu werden.«

      Armer Mann – denkt Reincke nur und leert sein Glas in einem Zuge. »Es ist spät geworden. Das Bett lockt.« Er reicht Bendler die Hand. »Gute Nacht!«

      Er verneigt sich gegen Marion Wendland, die unruhig die beiden nicht aus den Augen gelassen hat, und die ihr Blut bis in die Schläfen hämmern hört. »Gute Nacht, Marion, angenehme Ruhe. Ich komme demnächst wieder vorbei.« –

      Am Abend des nächsten Tages sitzt Reincke still am Lager Ulrich Karstens. Ohne Regung ruht Karstens Kopf in den Kissen. Die Augen hält er starr zur Decke gerichtet.

      »Was habe ich eigentlich alles ausgeplaudert«, unterbricht der Kranke die wohltuende Stille. Reincke fährt leicht zusammen. Er war so ganz seiner Überlegungen hingegeben.

      »Laß uns später darüber sprechen, alter Junge«, erwidert Reincke, nur von dem Gedanken beseelt, dem Freund nicht weh zu tun. »Du mußt zu Kräften kommen. Mir scheint, du hilfst wenig dabei. Du hast nicht den rechten Willen, Uli. Wirf doch alles ab, was dich bedrückt. Alles wird gut werden.«

      »Alles wird gut werden«, wiederholt Karsten, und sein Mund verzieht sich ungläubig. »Wenn das so leicht wäre.«

      »Menschenskind«, sagt Reincke in beschwörendem Ton. »Du hast so gute Freunde, mehr als du glaubst. Du bist doch nicht verlassen, wie du dir eingebildet hast Es gibt ein paar Menschen, die an dich glauben. Das sollte dir Auftrieb geben.«

      »Die gute Milli Bothe«, erinnert sich Karsten.

      »Und Eva-Maria Harris, vergiß nicht«, erinnert Reincke ihn.

      »Woher kennst du denn die Frau?« verwundert Karsten sich.

      »Nur dem Namen nach, Milli Bothe spricht so gern über dich und überhaupt von allem, was mit dir zusammenhängt. Sie erzählte

Скачать книгу