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rafft sie allen Mut zusammen und stellt sich ihm in den Weg. »Warum meiden Sie mich?« fragt sie ihn geradeheraus.

      »Aber ich bitte Sie, gnädiges Fräulein«, wehrt er unmutig ab. »Ich habe meine Arbeit. Habe ich es an der nötigen Höflichkeit fehlen lassen?«

      Sie kräuselt ein wenig die Lippen. Er sieht auf ihren Mund. Es ist ein weicher, zärtlicher Mund – sinnt er. »Höflichkeit?« spricht jetzt dieser Mund bitter. »Einmal waren Sie kameradschaftlich zu mir. Da gefielen Sie mir bei weitem besser.«

      Vor diesen klaren Blauaugen schlägt er den Blick nieder. »Verzeihen Sie mir, ich bin undankbar.« Ein Zug von Qual erscheint in seinen Zügen. »Ich weiß selbst, daß ich im Umgang mit Menschen, die es herzensgut mit mir meinen, nicht den richtigen Ton mehr finde. Glauben Sie mir«, stößt er zerknirscht hervor, »ich leide selbst darunter.« Und plötzlich tritt ein Leuchten in seine Augen. Nur meine Arbeit macht mir Freude. Sie wissen nicht, was es für mich bedeutet, schaffen zu dürfen.

      Plötzlich ergreift er ihre Hand. Sie fühlt seine heißen Lippen auf ihrem Handrücken. »Ich bin Ihnen wirklich sehr, sehr dankbar.«

      Ehe sie nur ein Wort der Erwiderung findet, hat er kehrtgemacht und geht den Weg zurück. Sie sieht ihm hilflos, aus umschatteten Augen nach. »Dankbar! Dankbar!« flüstert sie todtraurig.

      Wenn er doch endlich merkt, daß ich ihn liebe, daß ich an seiner Seite stehen möchte, ihn aufrichten, wenn er niedergedrückt ist, ihn trösten will, wenn man ihm weh tut. Ihm immer wieder sagen dürfen, daß ich an ihn glaube.

      Mutloser denn je kehrt sie in die Stille ihres Zimmers zurück.

      *

      Marion Wendland hat Frank Bendler noch einmal mit ihren verlorenen Liebkosungen und ihrer widerwillig gewährten Umarmung besänftigen können. Als er sie endlich allein gelassen hat, eilt sie ins Badezimmer, wäscht sich und richtet sich wieder her. Dann kehrt sie in ihr Wohnzimmer zurück und wartet. Jedes Ge­räusch läßt sie hochschnellen und wieder zurücksinken, wenn es eine Täuschung war.

      Warum kommt William nicht? Jede Minute wird zur Qual. Das Warten macht sie immer unruhiger, immer nervöser. Schließlich sinkt sie auf ihr Bett und fällt in einen schweren Schlaf.

      William Reincke sitzt in dieser Nacht fast bis zum Morgengrauen vor dem Kamin, stochert mit dem Eisenhaken in der Glut herum und bringt sie immer wieder zum Entfachen. Seine Gedanken arbeiten mit der Präzi­sion eines Uhrwerkes.

      Am Abend betritt er die Bar »Zum Blauen Engel«. Er steuert auf Marion Wendland zu mit der Miene eines völlig zerschmetterten Menschen.

      »Verzeih mir, Marion«, bittet er reumütig. »Ich habe es verschlafen, total verschlafen.«

      Lange sieht sie ihn prüfend an. Sie ist blaß, erschreckend blaß.

      »Ich dachte es mir«, erwidert sie besänftigt. »Aber es war eine furchtbare Nacht, William«, klagt sie.

      »Du bist wirklich nicht mehr böse?«

      »Wirklich nicht«, bestätigt sie und greift zu der Sektflasche, wie stets, wenn er in der Bar ist.

      Nein! Sie kann ihm nicht böse sein. Sie liebt ihn. Seit dieser langen nicht enden wollenden Nacht weiß sie es genau.

      »Vielleicht könnte ich dich einmal besuchen?« schlägt sie vor, aus Angst, Frank Bendler könnte hier im Hause abermals hinter ihr herspüren.

      Einmal möchte sie wirklich glücklich sein. Einmal dem Mann angehören, der ihr Herz zum Schwingen gebracht hat.

      »Du würdest wirklich –?« fragt er stockend, und als sie lächelnd nickt, neigt er sich tiefer zu ihr. »Ich hole dich in den nächsten Tagen ab, Marion.« Dabei denkt er an den Brief, der auf seinem Schreibtisch liegt und worin Ulrich Karsten seine Rückkehr meldet.

      Er selbst holt ihn vom Flugzeug ab. Er findet Karsten gut erholt, aber die Schwermut ist noch nicht von ihm gewichen.

      »Prachtvoll siehst du aus, alter Knabe.« Reincke trommelt dem Freund begeistert auf den Rücken. »Komm, Lieselotte wartet mit dem Tee auf uns. Verdammte Kälte. Ob es wohl einmal Frühling wird?«

      »Ich denke doch, Uli«, lacht Karsten und ist voll Freude, in das vertraute, ehrliche Gesicht des Freundes blicken zu können.

      Karsten erzählt, und Reincke hört zu, dabei lenkt er den Wagen durch den Verkehr, über die Straßen, und biegt in die breite Einfahrt zum Reincke’schen Grundstück ein.

      Bald sitzen sie bei einem Glas Sherry in weichen Sesseln und warten, bis sie zum Tee gerufen werden. Reincke ist auf einmal sehr schweigsam geworden, bis Karsten stutzig wird. »Hast du was?«

      »Ja«, sagt William entschlossen. »Du mußt mir einen Gefallen tun, Uli.«

      »Jeden«, kommt es bedenkenlos zurück.

      »Gut, Uli. Morgen nachmittag bekomme ich Besuch. Du sollst dich im Nebenzimmer aufhalten. Ich brauche zu dieser Unterhaltung einen Zeugen.«

      »Ist klar«, entgegnet Karsten nun doch etwas verwundert. Aber William war schon immer für Überraschungen. »Um wieviel Uhr?«

      »Um fünf Uhr. Du verhältst dich natürlich still«, gibt er Karsten noch Anweisung. »Es hängt sehr viel für mich davon ab «

      Am nächsten Nachmittag hält Reincke mit seinem Wagen unweit von Marion Wendlands Wohnung.

      Sie ist pünktlich und sieht entzückend aus.

      »Wie schön du aussiehst«, sagt er ehrlich begeistert. Wieder spürt er diesen schmerzhaften Stich in der Herzgegend, aber dann wird sein Gesicht hart und verschlossen.

      Schweigsam fahren sie dahin. »Eigentlich wollten wir ja eine Schlittenpartie machen«, spricht sie und bricht damit die Stille.

      »Ist es so nicht auch schön?«

      »Oh, doch.«

      Sie ist begeistert, als sie durch den verschneiten Park vor dem Portal der Reinckeschen Villa halten. Niemand von den Dienstboten ist zu sehen. Reincke hat gut vorgearbeitet.

      Er ist aufmerksam und fürsorglich zu ihr, geleitet sie mit einer gewissen Feierlichkeit in das behagliche Wohnzimmer, rückt ihr am Kamin, wo bereits ein entzückender Teetisch gedeckt ist, einen bequemen Sessel zurecht. »Du darfst dich ganz wie zu Hause fühlen«, ermuntert er sie, und sie schmiegt sich wie ein Kätzchen in die weichen Polster, sieht mit unergründlichen Augen in die Kaminglut und dann auf zu ihm. Plötzlich streckt sie ihm beide Arme entgegen, die er sich willig um den Hals schlingen läßt.

      »Ich liebe dich«, flüstert sie, und ihre Küsse werden immer heißer.

      Reincke hebt sie auf und trägt sie hinüber zu dem breiten Lager, läßt sie in die Kissen gleiten und setzt sich neben sie.

      »Weißt du das ganz genau?« forscht er atemlos.

      »Ganz genau. Ich liebe dich – nur dich –«, flüstert sie betörend.

      »Marion«, er neigt sich tief über ihr schönes, gespanntes Antlitz. »Was war mit Ulrich Karsten?«

      Ihre Augen weiten sich vor Schreck. Sie liegt halb in seinem Arm und rührt sich nicht. Jetzt ist die Stunde gekommen, wo man Rechenschaft von ihr fordert. Sie weiß, daß sie diesen Mann, den sie wirklich liebt, nur durch die Wahrheit an sich fesseln kann.

      »Ich war seine Verlobte«, gesteht sie. »Aber – ich habe ihn nie geliebt.«

      Er atmet schwer, läßt aber die weitgeöffneten Augen nicht aus seinem Blickfeld.

      »Und wie war das damals, Marion? Wer hat John Unger erschossen?«

      Sie sieht ihn verzweifelt an. Sie möchte aufspringen und davonlaufen, aber sein Blick lähmt sie, und sein Arm hält sie fest umfangen. »Sag mir die Wahrheit, Marion. Wenn du mich liebst, sag mir die Wahrheit.«

      Ihr Haupt sinkt in die Kissen. Ihr Körper wird geschüttelt.

      »Ich

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