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sind häufig zusammen, draußen in der Reincke’schen Villa, um Lieselotte Reinckes Teetisch versammelt, und niemals wird die Vergangenheit auch nur mit einem Wort berührt.

      »Übrigens«, wendet Lieselotte Reincke sich an den jüngsten Bruder ihres Mannes, den sie von jeher

      sehr gut leiden mochte. »In den nächsten Tagen kommt Marlies zu Besuch. Wirst du dich ihrer ein bißchen annehmen?«

      Entsetzt hebt William die Hände. »Um Gottes willen, diese freche Göre?«

      »Erlaube mal, Wulli«, kampfbereit richtet sich die reizende Frau empor. »Die ›freche Göre‹ ist jetzt achtzehn Jahre alt, hat ihr Abitur mit Auszeichnung bestanden und –«

      »– und ist übrigens nur dazu auf der Welt, anderen Leuten das Leben zu vergällen«, ruft William händeringend ein. »Nee, meine Liebste, ohne mich. Ich habe schrecklich viel Arbeit.«

      Eva-Maria Harris und Ulrich Karsten haben sich von den anderen ­entfernt. Sie gehen Seite an Seite durch den blühenden, duftenden

      Park. Schweigen herrscht zwischen ihnen.

      Es ist kein bedrückendes Schweigen, und doch tut Eva-Maria das Herz weh. Sie kommt dem Mann, der einen Eisenpanzer um sich gelegt hat, nicht näher.

      »Es ist soweit«, unterbricht Karsten die Stille, und Eva-Maria zuckt leicht zusammen, wie stets, wenn diese wohllaute Männerstimme an sie gerichtet ist. »In zwei Tagen eröffne ich mein Büro, und dann geht das Schuften wieder los.«

      »Sie haben ein so großes Geheimnis um dieses Atelier gemacht«, zwingt sie ihre Stimme zu gleichmäßiger Freundlichkeit. »Ich bin direkt gespannt darauf.«

      Er sieht sie von der Seite her an. »Natürlich komme ich nicht drum herum. Ich muß ein kleines Fest geben. Werden Sie meiner Einladung folgen?«

      »Mit der größten Freude«, sagt sie innig. Aber er bemerkt es nicht. »Vielleicht ist dann gerade mein Onkel Charly hier. Er hat sich zu Besuch angesagt.«

      Karsten streicht mit der Linken behutsam über einen blühenden Strauch. »Wissen Sie auch, Eva-Maria, daß er mir einen sehr netten Brief geschrieben hat, damals, als ich von aller Schuld freigesprochen wurde?«

      »Nein!« stößt sie erstaunt hervor. »Das ist mir nicht bekannt. Kein Wort hat er davon an mich geschrieben.«

      »Er hat mich eingeladen«, erklärt Karsten weiterhin.

      »Und – werden Sie die Einladung annehmen?«

      »Es geht leider nicht, so gern ich auch möchte«, gesteht er ihr. »Es wartet zunächst viel Arbeit auf mich.«

      »Das verstehe ich. Haben Sie schon Personal engagiert?« erkundigt sie sich.

      »Ja!« Er sagt es geradezu mit Genugtuung. »Alles Strafentlassene, Menschen, die einmal gestrauchelt sind und sich bemühen, ehrlich zu werden und es zu bleiben. Rechtsanwalt Rauh hat sie mir vermittelt.«

      Sie ist gerührt. Wie sehr muß er damals unter dem Makel gelitten haben.

      »Wollen Sie gutmachen, was man Ihnen selbst antat?« spricht sie mit großer Wärme.

      »So ungefähr«, sagt er, und seine Stimme klingt dabei gepreßt. »Ich habe gelitten, wie selten ein Mensch. Auch ich war nahe am Abkratzen, seelisch war ich sowieso auf dem Hund. Mir hat ein selbstloser Freund die Hand geboten und eine goldene Brücke in ein neues Leben gebaut. Was wäre aus mir geworden, hätte ich keine Hilfe von außen bekommen?«

      Plötzlich fühlt sie seine Hand auf ihrer Schulter.

      »Auch Ihnen verdanke ich unendlich viel. Wenn ich auch nicht darüber spreche. Ich glaube, ich sagte Ihnen schon einmal, wie unendlich dankbar ich Ihnen und allen bin, die mir hilfreich beistanden.«

      »Ach, das war eine Selbstverständlichkeit«, wehrt sie ab. »Sie müssen sich nur hüten, nicht alle Frauen mit Marion Wendland zu vergleichen.«

      »Ich hasse – die Frauen«, stößt er grimmig hervor, und sie erschrickt, denn seine Augen blitzen wie blanke Kiesel hinter den halbgeschlossenen Lidern.

      »Mich – auch?« Ihre Lippen beben dabei.

      »In Ihnen sehe ich keine Frau – nur einen guten Freund.«

      »Wollen wir zu den anderen zurückkehren«, schlägt sie vor. Ihre Stimme kommt ihr selbst fremd vor.

      Für den Rest des Tages bleibt sie still und in sich gekehrt. Sie bricht auch zuerst auf. Karsten denkt nicht daran, ihr seine Begleitung anzubieten. Höflich und dankbar, mehr ist er nicht zu ihr.

      Marlies Ehrhardt, die Nichte Lieselotte Reinckes, einziges, verwöhntes Kind ihres wohlhabenden Bruders, hält ihren Einzug mit sehr viel Gelächter.

      Sogar William Reincke wird aus seiner Ruhe aufgescheucht und nicht gerade freundlich gesinnt, verläßt er sein Studierzimmer.

      »Was starrst du mich denn so an, Wulli?« fragt sie herausfordernd.

      »Erstens starre ich dich nicht an, und zweitens bin ich ›Onkel‹ Wulli«, gibt er gereizt zurück und nimmt die gereichte Hand zum Willkommensgruß auf.

      »Welch irrsinnige Idee, zu dir ›Onkel‹ sagen zu müssen«, mault Marlies und schüttelt den Kopf, daß die Locken lustig um die Stirn fliegen. »Du bist viel zu jung dazu.«

      »Ich bin uralt, merke dir das«, verweist er sie und bückt sich zu dem Dackel Blondi. »Wie der Herr, so’s Gescherr. Dein Hund führt sich genauso kratzbürstig auf wie du.« Er macht eine spöttische Handbewegung zu seiner Schwägerin hin, die ihn

      nur auslacht. »Und so was hat nun das Abitur gemacht. Das ist ein frecher Fratz in meinen Augen.«

      »Ach geh«, Lieselotte wischt sich die Lachtränen aus den Augen. »Du bist unausstehlich, Uli. Sei lieb und begleite uns in Marlies Zimmer.«

      »Damit du nicht einseitig wirst«, läßt Marlies sich energisch vernehmen, nimmt ihren Terrier auf und drückt ihn William in den anderen Arm.

      Er wirft einen anklagenden Blick zur Decke, trottet aber ergeben mit den beiden sich ankläffenden Hunden hinter den Arm in Arm gehenden fröhlich schwatzenden Frauen her.

      Die kleine Karawane verschwindet in Marlies’ Zimmer, und damit ist zunächst Waffenstillstand und Ruhe eingetreten.

      *

      Ulrich Karstens Atelier, mit künstlerischem Schwung und Können geschaffen, hat augenblicklich durch Sesselgruppen, Blattgewächse, hohen, prächtig gefüllten Blumenvasen einen ganz privaten Charakter erhalten.

      Alle sind sie gekommen, die Karsten eingeladen hat. Es ist ein kleiner, auserlesener Kreis.

      Auch Eva-Maria Harris ist Gast an diesem Abend. Sie trägt ein Kleid in der Farbe ihrer Augen, schlicht, elegant, und sie sieht wie ein wunderschönes, soeben aus dem Rahmen gestiegenes Gemälde darin aus.

      Zart und zerbrechlich steht sie neben der prachtvoll gewachsenen Gestalt des Hausherrn. Er ist zweifellos die interessanteste Erscheinung unter den anwesenden Herren. Man sieht ihm an, daß er sehr viel durchgemacht hat.

      Doch seine Höflichkeit, seine Umgangsformen, sind vollendet. Aber man wird nicht recht warm mit ihm. Er ist eine respektvolle Erscheinung – doch ohne Herz, wie es scheint.

      Gegen Mitternacht trifft ein verspäteter Gast ein.

      Charly Harris!

      Eva-Maria fliegt auf ihn zu, wirft sich in seine Arme und weint vor Wiedersehensfreude.

      »So, hast du meine kurze Nachricht gefunden, Onkel Charly?« stammelt sie und ist überglücklich, als sie an seiner Schulter lehnt. Gibt es noch einen Menschen auf der Welt, der sie so gut versteht wie der geliebte Onkel Charly?

      »Du bist doch ganz außer Rand und Band«, sagt er gerührt und hält sie etwas von sich. »Und wie du wieder aussiehst, Kind.«

      Schön – setzt er in Gedanken hinzu

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