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stößt, wenn man im eigenen Innern bis auf den Grund geht. Erkennt die Seele sich selbst, so erkennt sie Gott in sich. Und zu erkennen, was sie selbst ist und was in ihr ist, das ist ihr nur durch das göttliche Licht möglich. »Der Du mich kennst, ich möchte mich erkennen, so wie auch ich erkannt bin.« »Was wäre Dir, Herr, vor dessen Augen der Abgrund des menschlichen Gewissens bloß liegt, in mir verborgen, auch wenn ich es Dir nicht bekennen wollte? Ich würde Dich mir verbergen und nicht mich Dir … Darum vollzieht sich mein Bekenntnis, mein Gott, schweigend von Deinem Angesicht … Ich sage den Menschen nichts Richtiges, was Du nicht zuerst von mir gehört hast; und Du hörst nichts dergleichen von mir, was nicht Du mir zuerst gesagt hättest.« Daraus spricht eine tiefe Skepsis gegenüber einer rein natürlichen Selbsterkenntnis. Da aber nach Augustin die Selbsterkenntnis die ursprünglichste ist und gewisser als alle Erkenntnis äußerer Dinge, so muß es von hier aus als ein ganz vermessenes Unterfangen erscheinen, mit bloß natürlichen Mitteln die verborgenen Tiefen fremder Seelen aufdecken zu wollen.

      d) Zusammenfassung

      Zusammenfassend können wir sagen: Von der christlichen Anthropologie her gesehen enthüllt sich das humanistische Idealbild als Bild des integren Menschen, des Menschen vor dem Fall, aber sein Ursprung und sein Ziel sind außer Acht gelassen, die Tatsache der Erbsünde bleibt ausgeschaltet. Das Menschenbild der Tiefenpsychologie ist das Bild des gefallenen Menschen, ebenfalls statisch und ungeschichtlich gesehen: Seine Vergangenheit und seine Zukunftsmöglichkeiten, die Tatsache der Erlösung bleiben unberücksichtigt. Die Existenzphilosophie zeigt uns den Menschen in der Endlichkeit und Nichtigkeit seines Daseins. Sie fixiert das, was er nicht ist, und wird dadurch abgelenkt von dem, was er immerhin positiv ist, und von dem Absoluten, das hinter diesem bedingten Sein auftaucht.

      2. Pädagogische Konsequenzen

      a) Die Offenbarung als Quelle für die Pädagogik

       (für die menschliche Natur, das Erziehungsziel, Bedingungen und Grenzen des pädagogischen Aktes)

      Ich versuche nun, einige Konsequenzen für eine christliche Pädagogik zu ziehen. Sie wird, ohne die Mittel natürlicher Menschenkenntnis und Wissenschaft zu verschmähen, eifrig bemüht sein, sich des Menschenbildes zu versichern, wie es uns die offenbarte Wahrheit zeichnet. Sie wird die Quellen der Offenbarung dafür heranziehen, wird sich aber auch Rat holen bei den christlichen Denkern, d. h. bei denen, die in der Offenbarung eine Quelle der Wahrheit sahen und eine Sicherung gegen die Irrtümer, denen die natürliche Vernunft ausgesetzt ist. Sie wird sich ferner aus der Offenbarung Aufschluß holen über das Ziel des Menschen, weil alle pädagogische Zielsetzung am letzten Ziel orientiert sein muß. Und auch über den Sinn alles pädagogischen Tuns und seine Grenzen wird sie hier Klarheit bekommen. – Was das Menschenbild angeht, so sollen zu den Andeutungen, die in der Gegenüberstellung zu den früher gezeichneten gegeben wurden, noch einige hinzugefügt werden. Um die Idee des vollkommenen Menschentums zu gewinnen, stehen verschiedene Wege zur Verfügung. Die Spuren der Trinität im Menschengeist sind nur ein Ausgangspunkt. Es ist uns diese Idee in doppelter Gestalt konkret vor Augen gestellt: im ersten Menschen vor dem Fall und in der Menschheit Christi. So sind die Lehren vom Urstand und von der menschlichen Natur des Erlösers besonders wichtig für das Idealbild der menschlichen Natur. Es ist ferner zu beachten, daß die Offenbarung nicht nur ein allgemeines Bild des Menschen zeichnet, sondern die Differenzen der Geschlechter berücksichtigt und auch der Individualität Rechnung trägt. Entsprechend kennt sie außer dem allgemeinen, für alle Menschen gemeinsamen Ziel eine Differenzierung der Ziele, der geschlechtlichen und individuellen Eigenart entsprechend. – Für das Verständnis des pädagogischen Tuns ist grundlegend die Lehre von der Einheit des Menschengeschlechts, der Vererbung der menschlichen Natur von den Stammeltern auf alle folgenden Geschlechter, die Einordnung der Eltern als Werkzeuge der göttlichen Schöpfertätigkeit in der Erzeugung und der göttlichen Führung in der Erziehung: Das ergibt eine (von den Eltern auf die jeweils ältere Generation auszudehnende) Erzieherpflicht auf der einen, eine Erziehungsbedürftigkeit auf der andern Seite. Die Geistnatur des Menschen – Vernunft und Freiheit – verlangen Geistigkeit des pädagogischen Aktes: ein dem stufenweisen Erwachen der geistigen Aktivität Rechnung tragendes Miteinanderwirken von Erzieher und Zögling, bei dem die führende Tätigkeit des Erziehers mehr und mehr der Eigentätigkeit des Zöglings Raum gibt, um ihn schließlich ganz zur Selbsttätigkeit und Selbsterziehung übergehen zu lassen. Grenzen seiner Tätigkeit, deren sich jeder Erzieher bewußt sein muß, sind einmal die Natur des Zöglings, aus der nicht alles und jedes »gemacht« werden kann, seine Freiheit, die sich der Erziehung widersetzen und ihr Bemühen vereiteln kann, schließlich die eigene Unzulänglichkeit: die Beschränktheit der Erkenntnis, die sich z. B. über die Natur des Zöglings, auch bei bestem Willen, nicht restlos Aufschluß verschaffen kann. (Dabei ist besonders daran zu denken, daß die Individualität etwas Geheimnisvolles ist, und ferner, daß mit jeder Generation etwas Neues aufbricht, was der älteren nicht restlos faßbar ist.) Das alles mahnt daran, daß der eigentliche Erzieher Gott ist, der allein jeden einzelnen Menschen bis ins Innerste kennt, der allein das Ziel jedes einzelnen zweifellos vor Augen hat und weiß, welche Mittel dazu dienen, ihn ans Ziel zu führen. Menschliche Erzieher sind nur Werkzeuge in der Hand Gottes.

      b) Die Grundhaltung des katholischen Erziehers

       (ehrfürchtige Scheu vor der gegebenen Natur und ihrem Bildungsgesetz; ungebrochen-vertrauensvolle gegenseitige Zuwendung als Bedingung des Verstehens; Verantwortung vor Gott und Gottvertrauen; Hinführung des Kindes zu dieser Einstellung)

      Es ist klar, welche Grundhaltung sich daraus für den katholischen Erzieher ergibt. Zunächst eine tiefe Ehrfurcht und heilige Scheu vor den jungen Menschen, die ihm anvertraut sind. Sie sind von Gott geschaffen und tragen eine göttliche Bestimmung in sich. Jedes willkürliche Eingreifen wäre ein Hineinpfuschen in Gottes Plan. In der menschlichen Natur und in der individuellen Natur jedes einzelnen liegt ein Bildungsgesetz, dem der Erzieher sich anpassen muß. Zur Kenntnis der menschlichen Natur, auch zur Kenntnis des jugendlichen Menschen als solchen, liefert ihm die Wissenschaft (Psychologie, Anthropologie, Soziologie) wichtige Hilfsmittel. Aber der individuellen Eigenart kann er nur durch lebendigen seelischen Kontakt nahe kommen: Der eigentümliche Akt des Verstehens, der die Sprache der Seele in ihren verschiedenen Ausdrucksformen (Blick, Miene und Gebärde, Wort und Schrift, praktisches und schöpferisches Tun) zu deuten weiß, kann in die Tiefen eindringen. Aber der Weg ist für ihn nur frei, wenn die Seele sich ungehemmt ausspricht, wenn der ursprüngliche Entfaltungs- und Gestaltungsprozeß von innen nach außen nicht durchbrochen ist. Beim völlig unbefangenen Kind haben wir dieses ungebrochene Strömen des Lebens. Bei ihm sind Auge und Mienenspiel und unbekümmertes Wort der ungetrübte Spiegel der Seele. Aber heute sind schon die Kleinsten, die wir in die Schule bekommen, keineswegs alle mehr solche unbefangenen Kinder. Viele sind schon in sich selbst zurückgescheucht, nach außen abgekapselt; sie können oder wollen sich nicht mehr frei entfalten und äußern; der Blick des Erziehers prallt an einer Wand ab. Hier muß er erst wieder aufschließen, was verschlossen ist. Keine Willkür wird das erreichen. Nur der Blick der Liebe – der heiligen, verantwortungsbewußten, echten Erzieherliebe –, der das Kind nicht aus den Augen läßt, wird schließlich einmal eine Bresche entdekken, durch die er eindringen und am Ende die Mauern zum Einstürzen bringen kann. Aber vielleicht geschieht es häufiger, daß der Erzieher durch ungeeignetes Vorgehen solche Abkapselung selbst verschuldet. Wenn die Seele, die sich in selbstverständlichem Vertrauen geöffnet hat, auf Mißdeutung und Mißverstehen oder auch auf kalte Gleichgültigkeit stößt, dann schließt sie sich zu. Aber auch da, wo sie statt unbefangener Zuwendung bewußte Beobachtung spürt, ein planmäßiges Eindringenwollen. Oder wo sie Eingriffe in ihr Inneres wittert, vor denen sie sich schützen möchte. Der Erzieher braucht die Kenntnis der Kindesseele. Aber nur Liebe und ehrfürchtige Scheu, die nicht gewaltsam aufzubrechen sucht, was verschlossen ist, kann sie ihm öffnen.

      Das Kind kennen heißt auch etwas von der Zielrichtung spüren, die in seine Natur gelegt ist. Man kann Menschen nicht zu einem für alle gleichen Ziel, nach einem allgemeinen Schema bilden. Der Eigentümlichkeit des Kindes Raum zu geben ist ein wesentliches Mittel, um der inneren Zielrichtung auf die Spur zu kommen. Aber die Tätigkeit des Erziehers wird dadurch nicht ausgeschaltet. Wenn er nur »wachsen läßt«, wird er seiner Aufgabe nicht gerecht. Wenn der Keim sich zum vollendeten Gebilde, zu seiner

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