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Stunde ging mir schnell vorbei. Am Schluß sprang der Dekan auf und sagte: »Nun müssen wir Fräulein Stein aber ein Glas Wasser verschaffen.« Er eilte selbst durchs Haus, um etwas herbeizuholen, obgleich ich durchaus nicht schwach oder erfrischungsbedürftig war. Nun kamen noch die beiden Nebenfächer; für jedes war eine halbe Stunde vorgesehen. Professor Witkop fragte so »schöngeistig«, daß ich mich vor Husserl schämte. Ich gab aber die gewünschten Antworten, und der Examinator machte Husserl nachher das Kompliment, man hätte doch gleich die philosophische Schulung gemerkt. Er prüfte sogar 40 Minuten, so daß der Dekan schließlich unterbrach und sagte: »Herr Kollege, wir wollen Fräulein Stein doch nicht länger als nötig quälen.« Die Geschichtsprüfung war nur noch ein kleines Anhängsel. Als mir ein Name nicht einfallen wollte, soufflierte Husserl. Um 8Uhr durfte ich mich entfernen. Die Herren blieben zur Beratung über das Ergebnis zurück. Unten in der großen Halle warteten Erika und Ingarden. Jetzt erschien auch der Pedell auf der Bildfläche, den ich bisher noch gar nicht zu sehen bekommen hatte. Er beglückwünschte mich: »Summa wird es wohl mindestens geworden sein. Das ist ja gar nicht anders möglich nach dem Urteil, das Husserl unter die Arbeit geschrieben hat.« Er bekam sein Trinkgeld, obwohl er nichts für mich getan hatte.

      Für den Abend waren wir zu Husserls eingeladen. Wir wußten aber, daß es dort nur etwas Süßes geben würde, so wollten wir noch vorher irgendwo ein Nachtessen nehmen. Ingarden schlug zwar vor, darauf zu verzichten, da wir aber nicht darauf eingingen, führte er uns zu einem Restaurant in der Nähe. Hier wollte er sich verabschieden. Es kam heraus, daß er kein Geld hatte. Sein Monatswechsel war noch nicht eingetroffen, und vom alten Monat war nichts mehr übrig. »Es ist doch selbstverständlich, daß Sie heute mein Gast sind«, sagte ich. Als wir mit dem Essen fertigwaren, schob ich ihm heimlich mein Geldtäschchen zu und ließ ihn für uns alle bezahlen.

      Nun war es aber reichlich spät geworden. Bei Husserls warteten schon alle auf uns. Frau Husserl und Elli hatten einen prächtigen Kranz aus Epheu und Margariten gewunden. Der wurde mir statt eines Lorbeerkranzes aufgesetzt. »Wie eine Königin«, sagte der kleine Meyer ganz begeistert. Husserl strahlte vor Freude. Der Dekan selbst hatte das Prädikat »Summa cum laude« vorgeschlagen. Es war wohl nach Mitternacht, als wir uns verabschiedeten. Es ging keine Straßenbahn mehr. Wir mußten im Stockfinstern den Weg zu Fuß machen. Wegen der Fliegergefahr war ja immer alles völlig abgedunkelt. Ingarden begleitete uns bis vor unser Häuschen. Er hatte gehört, daß ich am 1.Oktober wiederkäme, und war ganz glücklich, daß er dann nicht mehr allein in Freiburg sein werde.

      Drinnen wurde die junge Frau wach, als wir hereinkamen. Ich hatte noch den Kranz auf. »So müßte man sie photographieren«, sagte sie, »solange noch der Glücksstrahl da ist. Sonst hat sie immer so ein schaffig's Gesicht.«

      Am Morgen telegraphierte ich nach Hause, um das Ergebnis und die Stunde meiner Ankunft zu melden. Dann reisten wir ab. Ich weiß nicht mehr, warum Erika nicht mehr mit nach Göttingen fahren konnte. Ich erinnere mich nur, daß ich allein dort ankam. Frau Reinach erwartete mich, ich nahm aber ein Zimmer in Gebhards Hotel am Bahnhof, weil ich am nächsten Morgen schon weiterfahren mußte. Dann fuhren wir in einer Taxe zum Steinsgraben.

      Ende der Aufzeichnungen

      Der Aufbau der menschlichen Person

       Inhaltsverzeichnis

       I. Die Idee des Menschen als Grundlage der Erziehungswissenschaft und Erziehungsarbeit

       A. Theorie und Praxis – Metaphysik, Erziehungswissenschaft, Erziehungsarbeit

       I. Pädagogisch wirksame Menschenbilder der Gegenwart

       II. Das Menschenbild der christlichen Metaphysik

       B. Objektiver Zusammenhang von Menschentum und Erziehung

       II. Anthropologie als Grundlage der Pädagogik

       I. Verschiedene Anthropologien und ihre pädagogische Bedeutung

       II. Wahl der Methode

       III. Erste vorbereitende Analyse des Menschen

       III. Der Mensch als materielles Ding und als Organismus

       I. Der Körper als materielles Ding

       II. Der Mensch als lebendiger Organismus

       IV. Das Animalische

       1. Tierische Bewegung; Triebcharakter

       2. Empfindsamkeit; Innensein; Tierseele und -leib; Affektleben, Charakter

       3. Species und Individualität beim Menschen und beim Tier

       4. Rück- und Ausblick

       5. Das tierische Lautmaterial im Vergleich zum menschlichen: Affektlaute, Signale, Melodisches

       6. Struktur der Seele: Aktuelles seelisches Leben (äußere und innere Sinne; Gefühle und Triebe; Gesinnungen); Potenzen und Seele

       7. Tierseele und Körper; Problem der substanzialen Form; Charakteristik der Tierseele nach Thomas

       8. Verhältnis der gewonnenen Abgrenzung des Animalischen zu Thomas; das Problem von Species – Idee – Individuum im Zusammenhang mit dem Problem der Genesis der Species und der Seinsgebiete

       V. Das Problem der Entstehung der Arten – Genus, Species, Individuum

       I. Philosophie und positive Wissenschaft: Verfahren der exakten Wissenschaften; Verfahren der beschreibenden Naturwissenschaften; Gegensatz des wissenschaftlichen und des natürlichen Weltbildes; philosophische Deutung und Kritik des wissenschaftlichen Verfahrens und ihre methodischen Erfordernisse

       II. Das Problem der Entstehung der Arten

       VI. Das Animalische im Menschen und das spezifisch Menschliche

       I. Das Animalische

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