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schüttelt seine Hände ab. »Laß mich, bitte, laß mich«, keucht sie. »Ich bin dir nur ein Werkzeug gewesen. Du hast dir von mir Ampullen geben lassen, die du niemals an ambulante Patienten gegeben hast. Du hast mich belogen, schamlos belogen. Oh …«

      Sie läßt sich zurückfallen und weint hemmungslos weiter.

      »Du bist verrückt«, sagt er brutal. »Stell dich nicht so an. Ich bin froh, daß du endlich dahintergekommen bist. Nun brauch ich mich nicht mehr zu beherrschen. Das Theaterspielen ist mir langsam auf die Nerven gegangen.«

      Ihre Augen hängen mit einem verzweifelten Ausdruck an seinem Mund, der so leichtfertig zu ihr spricht und der sie so heiß geküßt und damit ihr Gewissen eingeschläfert hat.

      »Du bist ein – Scheusal –«, sprüht es aus ihr. »Du bringst mich ins Zuchthaus. Das hast du gewollt. Du – du hast auch die Gerüchte um Doktor Romberg ausgestreut. Ich – ich verachte dich.«

      Hart pressen sich seine Arme um sie. Sein Atem streift sie. Dicht sind seine blauen Augen mit den dunklen Wimpern vor ihr.

      »Du wirst mich nicht verraten, Liebling.« Es klingt zärtlich wie immer. »Du wirst weiterhin an meiner Seite bleiben – und mir helfen. Wir finden einen Weg, falls das Morphiumbuch kontrolliert werden sollte. Hörst du? Begehe keine Dummheiten, die uns beide vernichten könnten. Liebst du mich?«

      Er sucht ihren Mund. Sie sträubt sich, aber nach und nach bricht ihr Widerstand zusammen. Willenlos überläßt sie sich seinen Liebkosungen. Ausgelöscht ist der Wille. Sie ist nur noch liebende Frau, nichts als liebende, hingebungsvolle Frau.

      *

      Diesmal trifft Sybilla Sanders ihren Vater während der Sprechstunde an. Sie wartet geduldig bei Martha in der Küche, die ihr wie immer soviel zu erzählen hat.

      Endlich erscheint er und strahlt über das ganze Gesicht. »Können wir essen, Martha?« erkundigt er sich und führt seine Tochter auf die Veranda, wo im Sommer alle Mahlzeiten eingenommen werden.

      Sybilla möchte am liebsten den Grund ihres Kommens sofort mit ihm besprechen. – Aber sie läßt ihn erst essen. Sie selbst stochert auf ihrem Teller herum.

      »Na, Mädel, keinen Appetit?« erkundigt er sich gemütlich. »Die Martha ist zwar ein Biest, aber kochen kann sie, das muß der Neid ihr lassen. Nun lang schon zu, Billa. Blaß genug siehst du aus.« Er legt Messer und Gabel aus der Hand. »Hast du einen besonderen Grund, mich aufzusuchen?«

      Ihre klaren Augen weichen seinem forschenden Blick nicht aus. »Ja, Papa. Ich möchte etwas mit dir besprechen, was mir sehr am Herzen liegt.«

      Wenig später bringt Martha den Mokka und serviert ihn auf der Veranda.

      Ihre Zigaretten glühen, und Doktor Sanders fordert sie auf: »Nun, Sybilla, was gibt es?«

      Nachdenklich sieht Doktor Sanders dem Rauch ihrer Zigarette nach, ehe sie zögernd beginnt: »Du sprachst neulich davon, die Praxis aufzugeben«, »dir zu übergeben«, verbessert er sie rasch.

      Sie sinkt ein wenig mutlos in sich zusammen. »Würdest du sie auch einem jungen, tüchtigen, sehr tüchtigen Arzt überlassen, Papa?«

      Groß, fast flehend sind ihre Augen auf ihn gerichtet. Doktor Sanders kennt sich in den Menschen aus. Auch in seinem Kind.

      »Was für ein Arzt ist das?« fragt er zunächst ganz sachlich.

      Sybilla wird lebhaft. »Es ist unser Oberarzt, Doktor Romberg. Du kannst mir glauben, er wäre der geeignete Mann, dein Nachfolger zu werden. Er ist wirklich unheimlich tüchtig.«

      Doktor Sanders lächelt in sich hinein. Kleine dumme Sybilla! Wie schlecht kannst du dich verstellen.

      »Soso«, sagt er und nagt an seiner Unterlippe. Dann trifft sie ein rascher Blick. »Und was spielt dieser Doktor Romberg sonst für eine Rolle in deinem Leben?«

      »Gar keine – Papa.–«

      »Und das soll ich dir glauben?« Er steht auf und tritt an die weitgeöffnete Tür, die in den Garten hinabführt. Von dorther sagt er: »Warum bist du nicht ehrlich zu mir?«

      Schweigen!

      Da dreht er sich um. Er sieht, wie ihr Kopf gesenkt ist und ihre Schultern zucken. Billa weint? Das ist ungeheuerlich.

      »Aber Kind, mein Gott, warum weinst du denn?«

      Unter Tränen sieht sie zu ihm auf. »Ich – ich liebe ihn, Papa. Aber er – er weiß es nicht. Er ist ein wundervoller. Kamerad. Für ihn bin ich nur die Helferin, die gute Chirurgin.«

      Zart streicht er über ihr braunglänzendes Haar. Leise erwidert er: »Ach – so ist das.«

      Wieder Stille. Sanders hat seinen Platz wieder eingenommen. Nur Sybillas leises, trauriges Weinen ist zu vernehmen.

      »Und – und was erhoffst du dir davon, wenn ich diesem – diesem Doktor Romberg die Praxis überlasse?«

      Sie sieht ihn verzweifelt und ratlos an. »Ich weiß es nicht, Papa. Ich weiß nur, daß ich ihm helfen muß. Laß dir erzählen .«

      Und Sybilla spricht von den jüngsten Vorgängen im Krankenhaus und den Folgen.

      »Wenn er so tüchtig ist, wie du sagst«, beginnt Sanders, als Sybilla

      geendet hat, »wird er niemals hierherkommen. Hast du dir auch überlegt, daß du ihn dann nicht mehr täglich sehen kannst?«

      »Ja – ich habe es mir überlegt«, antwortet sie.

      »Meinst du, daß aus Dankbarkeit Liebe wird?«

      Sie schüttelt heftig den Kopf. »Ich will weder Dankbarkeit noch Mitleid, Papa. Dazu bin ich viel zu stolz. Wenn wir füreinander bestimmt sind, dann wird uns das Schicksal auch zusammenbringen. Ich liebe ihn, ich möchte ihm helfen. Bitte, Papa, überleg es dir. Du bekommst eine großartige Hilfe.«

      Er schüttelt den Kopf. Wenn die Frauen lieben, sind sie alle gleich. Sie verlieren den Kopf und handeln nur nach ihrem Herzen. Und er hat geglaubt, seine gescheite Sybilla wäre davon ausgeschlossen.

      »Gut, mein Kind«, sagt er nach langer Pause. »Schick mir diesen Wunderknaben. Ansehen darf ich ihn mir doch. Und…« er droht ihr mit der Hand, »gefällt er mir nicht, dann schicke ich ihn dir postwendend wieder ins Krankenhaus zurück. Einverstanden?«

      Sie nimmt seine Hand, und sie zittert dabei. Ihre Augen reden eine eigene Sprache.

      »Das wirst du bestimmt nicht tun, Papa.« Jetzt leuchten ihre Augen vor Glück und Freude. »Er wird dir gefallen, denn er ist Arzt von deiner Art.«

      Und dann leidet es sie nicht mehr auf ihrem Platz. Sie springt auf, umhalst ihn und küßt ihn, wohin sie gerade trifft.

      Energisch befreit er sich von ihr. »Sachte, sachte, Kind, wenn dich einer deiner Patienten so sähe, du lieber Himmel, wo bliebe dann der Respekt?«

      *

      Margarete Freytag hat es vorgezogen, anstelle des Luxus in der Villa ihrer Tochter Christiana, in einer netten Etagenwohnung zu leben.

      Wohn- und Eßzimmer hat sie mit all den Dingen gemütlich eingerichtet, die sie an ihre glückliche Ehe erinnern. Gute Gemälde und wertvolle Radierungen schmücken die Wände. Die Möbel sind dunkel, schwer und sorgfältig gepflegt.

      Im Wohnzimmer hat sie sich im Erker ein gemütliches Plätzchen eingeräumt, mit Blumen, einer Polsterbank mit lustigen Bezügen und einem Rundtisch mit zwei Sesseln davor.

      Sie sitzt steif emporgerichtet auf der Bank und blickt ängstlich auf die hohe Gestalt der Tochter, die in ihrer Trauerkleidung noch schöner und interessanter aussieht.

      »Es war nicht gut, daß du weggefahren bist«, sagt sie endlich, die lastende Stille unterbrechend. »Martin macht mir Sorgen. Er läßt sich nicht bei mir sehen – wie ist die Sache verlaufen? Warum laßt ihr mich in einer so grauenhaften Ungewißheit?«

      »Du übertreibst,

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