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du nicht einmal eine Zeit ausspannen?«

      »Ausgeschlossen«, wehrt sie sich heftig. »Ich werde gebraucht.«

      Er lächelt vor sich hin. In diesem Falle ist sie ganz seine Tochter. Pflichtbewußt, treu und zuverlässig.

      Er nimmt ihren Arm und begleitet sie bis zu ihrem Wagen, wo Martha bereits mit einem Riesenpaket wartet.

      »Damit du etwas zu essen hast«, sagt sie und legt es auf den Rücksitz des Wagens. »Es sind alles Dinge, die du gern magst. Laß sie dir gut schmecken, Billa – und – komm bald wieder. Wiedersehen!«

      Noch einmal verschwindet Sybilla in Marthas Armen, läßt sich küssen und küßt wieder. Dann trollt sich Martha ins Haus.

      »Wiedersehen, Sybilla«, sagt auch Doktor Sanders und blickt ihr eindringlich in die glänzenden Augen. »Überleg es dir, bitte!«

      Sie nickt und winkt, läßt den Motor anspringen und braust davon.

      Mein Herzenswunsch! Mein Herzenswunsch! Das Wort verfolgt sie auf ihrer ganzen Fahrt. Und sie weiß jetzt schon, daß sie ihm weh tun muß. Herz und Verstand liegen miteinander in einem schweren Kampf!

      *

      »Donnerwetter!« entschlüpft es Doktor Freytag, als er Oberschwester Magda aus dem Mantel hilft und ihn der Garderobenfrau übergibt. »Was ist denn mit Ihnen geschehen? Sie sind

      ja in eine völlig neue Hülle geschlüpft. Hm!« Er schmunzelt und amüsiert

      sich über die rote Welle, die sich bis unter ihr glänzendes Haar ergießt. »So gefallen Sie mir. Kommen Sie, Mag-da.«

      An seinem Arm betritt sie die »Barbarina«, eine intime, elegante Bar, die nur von einem auserlesenen Kreis besucht wird. Für Magda tut sich eine ganz neue Welt auf. Der stimmungsvolle Raum, in indirektes Licht getaucht, die dicken Teppiche, die jeden Laut dämpfen. Die kleine, spiegelnde Tanzfläche.

      Freytag ist in seinem Element. Er ist hier wie zu Hause und gut bekannt. Er wird viel gegrüßt und dankt in fröhlicher, unbekümmerter Art. Seine Augen glänzen wie im Fieber.

      »Was trinken wir?« erkundigt er sich höflich bei ihr, nachdem sie einen kleinen Ecktisch bekommen haben und er ihr ritterlich den Sessel zurechtgerückt hat.

      Sie nickt zu all seinen Vorschlägen und nippt von dem Cocktail, der ihr im Halse brennt und den sie tapfer hinunterschluckt.

      »Vielleicht essen wir eine Kleinigkeit?«

      Auch dazu nickt sie. »Mir ist alles recht«, sagt sie leise, dabei wandern ihre Augen wie trunken umher.

      Er lächelt und hebt ihr sein Glas entgegen. »Trinken wir auf – die Liebe.«

      Sie gibt ihm Bescheid, aber sie zittert dabei. Was ist nur los mit ihr. Wie ausgewechselt ist sie. Alles hat sie hinter sich gelassen –

      »Nun – Magda?« unterbricht er ihren Gedankengang. »Wollen Sie mir nicht auch ein liebes Wort sagen?«

      »Auf die – Liebe«, wiederholt sie gehorsam, und dann schüttelt sie heftig den Kopf. »Sie treiben einen dummen Scherz mit mir.«

      »Aber nein, Magda.« Seine Hand legt sich wie schon einmal besitzergreifend auf ihre Finger. »Haben Sie noch nicht gemerkt, daß ich Sie sehr gut leiden mag?«

      »Mich?« Sie hat ein ungutes Gefühl in sich – und doch kann sie sich nicht aus diesem Traum lösen.

      »Ja – Sie«, sagt er, und langsam dreht sie den Kopf. Tränen glänzen in ihren Augen. Er hat schon viele Frauen weinen sehen, das rührte ihn gar nicht an. Doch die Tränen, die die Frau ihm gegenüber vergießt, die versetzen ihm einen Schock. Ist es nicht ein großes Unrecht, mit ihr zu spielen?

      Nur sekundenlang kämpft er mit diesem Anfall von Anständigkeit, dann hat er sein Gewissen beruhigt. Warum sind die Frauen auch so sentimental? Warum glauben sie immer gleich an die große Liebe?

      Ihre Blicke begegnen sich und halten sich fest. Soll ich ihm sagen, daß ich viel älter bin als er? Langsam zieht er ihre Hand an seine Lippen, und sie muß sich beherrschen, ihm nicht über das blonde Haar zu streicheln.

      »Wollen wir tanzen?« fragt er, ihre Verwirrung nicht beachtend.

      Willig, noch etwas unsicher, folgt sie seiner Führung. Wie lange ist es her, daß sie über das Parkett geglitten ist? Sie spürt, wie er sie fest, ganz fest in seinen Arm nimmt und schmiegt sich willig hinein. Einmal spürt sie, wie sein Mund leicht ihr Haar berührt, und sie zuckt zusammen.

      »Haben Sie Angst vor mir, Magda?« Seine Augen sind zärtlich, alles ist Zärtlichkeit an ihm und strömt zu ihr über.

      »Nein – oder doch«, stammelt sie, und er lacht belustigt auf.

      »Ich bin doch kein Wolf, der kleine Mädchen frißt«, neckt er sie und bemerkt mit Genugtuung, wie sie ihn anstrahlt, wie langsam jeder Widerstand in ihr zusammenbricht.

      »Und jetzt wollen wir essen.« Er dirigiert sie nach Beendigung des Tanzes an den Tisch zurück. Er selbst bedient sie mit aller Aufmerksamkeit, nachdem er den Kellner weggeschickt hat. Die besten Bissen von den kleinen raffinierten Sachen, die er bestellt hat, legt er ihr vor. Noch nie ist sie so verwöhnt worden. Sie fühlt sich ­eingehüllt in seine Fürsorge wie in einen schützenden Mantel.

      »Gehen Sie denn überhaupt nicht aus?« fragt er und läßt dabei den Sekt in die schmalen Gläser fließen.

      »Nein! Ich habe ja keine Zeit«, antwortet sie.

      Er hebt entsetzt die Hände. »Brr! Immer nur arbeiten, nein.« Er schüttelt sich. »Man muß auch Entspannung haben.«

      »Dann mache ich Spaziergänge.«

      »Ist nicht mein Fall. Ich fahre lieber mit dem Wagen irgendwohin und laufe dann ein wenig.«

      »Ja – erst einen Wagen haben.«

      »Dann fahren Sie eben mit mir.«

      Ungläubig sieht sie ihn an. »Morgen werden Sie vergessen haben, daß es eine Oberschwester Magda gibt, die Sie einmal ausgeführt haben. Ich weiß noch nicht einmal, warum. Aus einer Laune heraus? Oder – aus Mitleid?«

      »Sie sind ein ungläubiger Thomas«, sagt er gemacht streng. »Sie glauben mir wirklich nicht, daß Sie mir gefallen und daß es mir Freude macht, mit Ihnen zu tanzen?«

      »Wirklich?«

      »Ja – ganz bestimmt.« Er sagt das mit solcher Überzeugung, daß auch ihr letzter Zweifel erlischt, zumal sich noch seine Hand über den Tisch zu ihr hintastet.

      Jetzt erst gibt sie sich mit innerer Bereitschaft ungetrübt dem Neuen hin. Sie lacht über seine drolligen Erzählungen, und er weiß interessant zu plaudern. Sie trinkt, sooft er sein Glas gegen das ihre erhebt. Sie sieht alles wie durch einen rosaroten Schleier. Sie ist glücklich, wie sie es noch nie in ihrem Leben war.

      Auch zur Tanzfläche folgt sie ihm mit Vergnügen. »Wissen Sie auch, daß ich eine sehr begabte Spitzentänzerin bin?« scherzt sie.

      Er sieht sie betroffen an. »Spitzentänzerin – und Oberschwester. Wie reimt sich das zusam-

      men?«

      Sie lacht hellauf. »Ich tanze mit Vorliebe auf den Spitzen der Schuhe meiner Tänzer, haben Sie das noch nicht gemerkt?«

      »Ach, so meinen Sie das.« Er stimmt in ihr Lachen ein. »Davon habe ich nichts gemerkt. Im Gegenteil – Sie tanzen wie eine Elfe.«

      »Vielen Dank für das Kompliment«, gibt sie fröhlich zurück.

      Nachdenklich malt sie mit dem Zeigefinger imaginäre Figuren auf das Tischtuch. »Es muß Ihnen doch viel an mir liegen, Herr Doktor, daß Sie so kurz nach dem Tode ihres Schwagers mit mir hierher gegangen sind.«

      In seine Augen tritt ein unruhiges Flimmern. »Ich habe mich mit meiner Schwester überworfen.« Und als er ihr erschrockenes Gesicht gewahrt, winkt er ab. »Das – gibt sich wieder.

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