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viel Wärme. Er weiß gar nicht, wie herzlich er sie empfängt. Aber ihr beginnt das Herz rascher zu schlagen. »Treten Sie ein, bitte. Ich bin gerade in einer verteufelten Stimmung.«

      Er reißt die Tür zu seinem Wohnzimmer auf und zwingt sie mit sanfter Gewalt in einen der hellen Sessel.

      Dann holt er etwas Trinkbares herbei, und sein Gang ist auf einmal beschwingt.

      »Es ist wirklich merkwürdig, Doktor Sanders«, beginnt er und gibt sich gar keine Mühe, seine Freude zu verbergen. »Immer, wenn ich mir vereinsamt vorkomme, dann tauchen Sie wie ein guter Schutzengel auf.«

      »Haben Sie einen Schutzengel nötig?« fragt sie verwundert zurück. »Ich hatte bis jetzt den Eindruck, daß Sie sehr gut ohne einen solchen auskommen können.«

      Er dreht sein Glas zwischen den Fingern, ehe er es an den Mund setzt. »Manchmal trügt der Schein.« Er hebt ihr das Glas entgegen. »Aber – lassen wir das. Das ist unwichtig. Ich bin sehr erfreut über Ihren Besuch. Auf Ihr Wohl, Doktor Sanders.«

      »Danke!« Behutsam stellt sie das feingeschliffene Glas auf die Tischplatte zurück. »Warum sprechen Sie sich nicht einmal aus, Doktor Romberg? Sie verschließen alles in sich – und ich fürchte, das ist nicht gut für Sie.«

      »Es gibt gar nichts zu verschließen«, wehrt er sich. Er will kein Mitleid, auf gar keinen Fall von einer Frau.

      »Und doch sprachen Sie von einem Schutzengel?« beharrt sie eigensinnig, ihn dabei nicht aus den Augen lassend.

      Wieder lächelt er ihr zu, diesmal ein wenig hochmütig. »Wenn ich von einem Schutzengel sprach, dann in anderer Weise als Sie glauben, Doktor Sanders. Ich gebe zu, daß ich mich soeben nach Unterhaltung sehnte.« Er springt auf und durchmißt das Zimmer. »Verflixt nochmal«, stößt er ärgerlich über sich selbst hervor, »jetzt beginne ich schon sentimental zu werden.«

      Er wirft sich wieder in seinen Sessel und blickt, unsicher geworden, zu ihr hin. »Sie haben mich schon sehr oft in Stimmungen gesehen, die für mich als Arzt nicht gerade vorbildlich sind.«

      »Ärzte sind auch nur Menschen«, wirft sie behutsam ein. »Es ist eine allgemein verbreitete Ansicht, daß ein Arzt keine menschlichen Schwächen haben darf. Zuerst sind die Patienten von einer schier übergroßen Dankbarkeit, doch gelingt es ihnen, die geringste Schwäche festzustellen, fallen sie über ihr Idol wie wilde Tiere her, und sie scheuen sich nicht, es zu zerreißen.«

      »Was wollen Sie damit sagen, Doktor Sanders?« Interessiert hat er sich vorgebeugt. Noch selten hat er sie so bestimmt und so viel sprechen hören.

      »Daß kein Arzt, auch der tüchtigste nicht, von übler Nachrede verschont wird«, entgegnet sie rasch, und ihre großen Augen sehen ihn offen an.

      »Und dieser – dieser Arzt bin ich?« fragt er, etwas atemlos.

      Langsam löst sich ihr Blick aus dem seinen. »Ich habe ganz allgemein gesprochen«, sagt sie gleichmütig.

      »Schade«, bedauert er und läßt eine Pause eintreten.

      »Was ist – schade?«

      »Schade«, er legt sich wieder bequem auf seinen Platz zurück. »Ich dachte, ich könnte mich mit Ihnen wie mit einem guten Kollegen unterhalten – offen und ehrlich.«

      »Das können Sie – ganz bestimmt meine ich es ehrlich mit Ihnen.«

      »Sehen Sie, Doktor Sanders«, bestätigt er mit einem guten Lächeln. »Das wußte ich doch.«

      »Sie vergessen dabei nur eins .«

      »Was denn?« fällt er ihr sehr schnell in die Rede.

      »Daß ich – daß ich eine Frau bin.«

      »Tatsächlich.« Er tut ganz erstaunt. »Das habe ich wirklich vergessen, das heißt, das habe ich soeben festgestellt.«

      Sie errötet, und ihre Augen irren seitwärts. »Mir ist aber nicht lachhaft zumute .«

      »Verflixt nochmal«, stimmt er ihr ernster werdend bei, »mir auch nicht.«

      »Ich bin aus einem ganz bestimmten Grund zu Ihnen gekommen«, nimmt sie nach einer Weile das Gespräch wieder auf, da er ganz in Gedanken versunken ist und ihre Gegenwart scheinbar vergessen hat.

      Überrascht hebt er den Kopf. »Sie wollen etwas von mir?« Mißtrauen erwacht in ihm. Aber als er ihre schönen, klaren Augen auf sich gerichtet sieht, schämt er sich dieser Regung.

      »Nein – oder doch.« Sie schweigt, von seinen hellen Augen irritiert und verwirrt. »Warum schaffen Sie sich keine eigene Praxis?« steuert sie ohne Übergang auf ihr Ziel los. Und sie überrascht ihn damit. Unklare Gefühle beherrschen ihn.

      »Weil meine Tätigkeit hier im Krankenhaus nicht nur interessant, sondern auch ungemein lehrreich ist.« Er macht eine knappe Handbewegung. »Was erzähle ich Ihnen das, Doktor Sanders. Das wissen Sie doch selbst. Ich könnte Sie dasselbe fragen.«

      Sie lächelt vor sich hin, und dieses Lächeln macht sie ungemein jung und anmutig.

      »Sie sagen ganz richtig: Man kann sehr viel lernen. Ich habe noch sehr viel zu lernen, während Sie bereits alles wissen.«

      »Oh,, du heilige Einfalt!« Er hebt beschwörend beide Hände in die Luft. »Ich weiß, daß ich nichts weiß«, schließt er philosophisch.

      »Doch«, spricht sie unbeirrt weiter. »Das weiß auch Professor Becker, sonst würde er Ihnen nicht sein ganzes Vertrauen schenken.«

      »Wie lange noch?« wirft er kurz hin.

      Und sofort steht der bekümmerte Ausdruck in seinen Zügen. »Sie kennen doch das Gerücht, das im Krankenhaus kursiert.«

      »Allerdings«, gesteht sie offen. »Ich würde an Ihrer Stelle dagegen ankämpfen.«

      Er macht eine mutlose Bewegung mit der Schulter. »Solange ich nicht offen angegriffen werde, hüte ich mich. Wer sich verteidigt – klagt sich an, besagt ein altes Sprichwort.«

      »Sie könnten diesen aufreibenden Zustand sofort beenden.«

      »Womit, bitte?« Etwas wie Belustigung steht in seinen Augen.

      Aber sie läßt sich nicht beirren.

      Tapfer fährt sie fort: »Dadurch, daß

      Sie sich eine eigene Praxis anschaffen.«

      Er lacht hell heraus. »Wie Sie das sagen! Als würden sie einfach auf der Straße liegen und man brauchte sich nur zu bücken, und schon hat man sie.«

      »Sie brauchen sich nicht einmal zu bücken, Doktor Romberg.« In ihren Augen funkeln goldene Tupfen.

      »Wie meinen Sie?«

      »Sie brauchen sich nur in meinen Wagen zu setzen und mit mir ein paar Kilometer zu fahren. Dort wäre eine wunderschöne Landpraxis für Sie – oder?« Etwas wie Angst springt in ihr auf. »Oder haben Sie keine Lust aufs Land zu gehen?«

      Auf einmal hatte er begriffen. Er starrt sie entgeistert an. Sein Atem geht heftig. Sekundenlang sieht es aus, als wolle er emporspringen. Doch das Gegenteil geschieht. Kraftlos sinkt er tiefer in seinen Sessel.

      »Das raten Sie mir?« keucht er förmlich, kaum vernehmbar.

      Aber sie hat es doch verstanden. »Ja, das rate ich Ihnen, Doktor Romberg«, wiederholt sie mit größter Gelassenheit. »Sie reiben sich hier auf. Sie meinen, diese versteckten Angriffe könnten Sie nicht aus der Ruhe bringen. Sie irren sich. Sie werden daran zugrunde gehen. Sie sind jetzt schon reichlich nervös. Sie werden zuletzt das Zutrauen zu sich selbst verlieren.«

      Er hebt die Lider und blickt mitten hinein in ihre schönen, jetzt angstvoll geöffneten Augen.

      »Und wohin wollen Sie mich entführen?« versucht er zu scherzen, dabei ist es ihm bitter ernst.

      »Zunächst zu meinem Vater«, erklärt sie mit ruhiger Gelassenheit. »Er möchte Sie unbedingt kennenlernen.«

      Er

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