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recht wohl sein.«

      »Mein Gott!« Frau Margarete preßt die Hände im Schoß zusammen. »Dann hat Doktor Romberg geschwiegen?« Sie sieht vorwurfsvoll auf die unruhig hin und her schreitende Tochter.

      »Wolltest du noch etwas sagen?« Christiana bleibt vor der Mutter stehen.

      »Ja, Christiana«, spricht die alte Dame weiter. »Ich wollte sagen, daß ihr Doktor Romberg sehr viel Dank schuldig seid.«

      Christianas Augen verengen sich. »Was weißt du eigentlich, Mama?«

      »Was du mir selbst am Telefon sagtest – und – und ich war darauf bei Wolfram .«

      »Du – du warst bei ihm?« Christiana hält mit beiden Händen die Sessellehne umspannt und neigt den Oberkörper etwas vor.

      »Wenn er geschwiegen hat, dann sicher nur meinetwegen.« Frau Margaretes Augen schimmern feucht. »Er war immer ein anständiger Mensch. Nie hat er vergessen, daß ich ihm, dem verwaisten Knaben, ein wenig Mutterliebe geschenkt habe.«

      Christiana streicht sich fahrig über die Stirn. »Und ich dachte – ich glaubte, meinetwegen«, murmelt sie vor sich hin. Dann blitzt es in ihren Augen

      auf.

      »Gleichgültig, weshalb er Martin nicht in die Sache hineingerissen hat«, sagt sie laut. »Du hast recht. Wir sind ihm Dankbarkeit schuldig.«

      Sie dreht sich zurück ins Zimmer und rafft den Hut mit dem dichten Schleier, Tasche und Handschuhe vom Stuhl, wohin sie sie bei ihrem Kommen geworfen hat.

      »Du willst schon wieder gehen?«

      »Ja, laß es dir gutgehen, Mama.« Sie drückt einen flüchtigen Kuß auf die Wange der alten Dame. »Brauchst du Geld?«

      »Nein, nein!« Heftig wehrt Frau Margarete ab. »Ich habe alles, danke. Schick mir den Jungen mal vorbei, bitte, Christiana. Ich muß mit ihm sprechen.«

      »Ich werde es ihm ausrichten, falls ich ihn treffe. Er ist ja meist unterwegs und kehrt erst nachts ins Haus zurück.«

      »Wiedersehen«, flüstert Frau Margarete und schließt die Tür hinter Chri-stiana.

      *

      Professor Becker macht Visite, begleitet von seinem Stab Ärzten. Den Schluß bildet Oberschwester Magda mit Notizblock.

      Von Bett zu Bett geht er, erkundigt sich nach dem Wohlbefinden, hört sich geduldig die Klagen an, tröstet und gibt der Oberschwester seine Anweisungen. Mit ernstem, unbewegtem Gesicht steht Oberarzt Romberg an seiner Seite.

      Mit halbem Ohr hört er die Scherze, die Doktor Freytag hinter seinem Rükken mit den Patienten treibt. Nur Doktor Müller ist ganz Aufmerksamkeit. Er muß gegen ein Gefühl ankämpfen, das dem Haß nicht unähnlich ist. Mit großer Besorgnis betrachtet er Oberschwester Magda. Er bemerkt ihr wächsernes Gesicht, ihre wie im Fieber glänzenden Augen und zum ersten Male, ihre fahrigen Bewegungen.

      Nach Beendigung der Visite folgt er ihr in das Schwesternzimmer. »Oberschwester?«

      Sie fährt schreckhaft zusammen, erkennt ihn und zwingt sich zu einem kleinen Lächeln. »Gott, haben Sie mich erschreckt«, sagt sie und schiebt das Morphiumbuch schnell zur Seite.

      »Sind Sie krank, Oberschwester?« Er begegnet ihren Augen, die tief in den Höhlen liegen. Sein Blick ist voll Teilnahme, und er glaubt ihr nicht, als sie beinahe zornig abwehrt:

      »Ich bin nicht krank. Was haben Sie nur, Sie sehen mich so mitleidig an. Versehe ich meinen Dienst nicht ordentlich?«

      »Doch, sehr gut sogar, Oberschwester, nur…« Er stockt und überlegt sekundenlang, ob er das Recht hat, sich in ihre Angelegenheiten zu drängen.

      »Was wollten Sie sagen, Doktor Müller?«

      »Nur kostet es Sie sehr viel Anstrengung«, stößt er hervor.

      Sie erschrickt bis ins Herz hinein. Wie scharf er beobachtet. Ja, es kostet sie unheimliche Anstrengung, sich in der Gewalt zu haben. Sie trägt so unendlich viel mit sich herum, was sie schier zu Boden drückt. Aber nie, nie würde sie es eingestehen.

      »Sie irren.« Das klingt scharf und abweisend. »Es kostet mich nicht mehr Kraft als gewöhnlich. Unser Beruf ist nicht leicht – und meine Nerven sind ziemlich stabil.«

      »Ihre Nerven könnten doch eines Tages der Überbelastung nicht standhalten.«

      Sie sieht ihn empört an. »Sie werden standhalten, darauf können Sie sich verlassen .«

      Als er sich zu ihr neigt, seine Hand auf ihre Schulter legt, und seine Stimme mit einem zärtlichen Unterton getränkt ist, verwirrt es sie völlig.

      »Oberschwester – Magda«, sagt er beschwörend, »Sie haben einen Freund in mir gefunden, einen Freund, der es aufrichtig mit Ihnen meint. Können Sie sich nicht von Freytag lösen?«

      Sie läßt den Kopf hängen. Tiefe Scham brennt in ihr. Er hat sie erkannt! Er weiß um ihr Verhältnis zu Martin! Und gerade vor ihm hätte sie es verborgen, wenn Martin selbst nicht so leichtsinnig und unbekümmert wä-

      re.

      Sie nimmt allen Mut zusammen und legt den Kopf etwas zurück. Ihre Augen flammen. »Auf den Gedanken, daß ich ihn liebe, sind Sie wohl noch nicht gekommen?«

      »Doch, Magda«, erwidert er ruhig, obgleich er alles andere als ruhig ist. »Das habe ich mir gedacht, aber diese Liebe bringt Ihnen kein Glück, obwohl ich Ihnen dieses Glück von Herzen gönne.«

      »Mit welchem Recht sind Sie so um mein Seelenheil besorgt?« spottet sie. Sie rettet sich hinter diesen Spott, weil alles an ihr zittert.

      Sein ernster, ausdrucksvoller Mund verzieht sich zu einem kleinen wehmütigen Lächeln. »Ich könnte Ihnen allerhand darauf erwidern. Zum Beispiel, daß ich es herzensgut mit Ihnen meine – und vielleicht auch, daß ich Sie liebe.«

      Nun hat er es sich entreißen lassen, das Geständnis seiner Liebe. Vor der Wirkung seiner Worte fährt er zusammen. Sie legt den Kopf auf ihren Arm und weint leidenschaftlich und verzweifelt. Ratlos steht er vor diesem Schmerzensausbruch.

      Dieser Mann liebt sie? Gütiger Himmel! Und sie hat es nicht gewußt, nicht geahnt. Sie ist an seinem guten Herzen vorübergegangen und hat sich einem Menschen ergeben, der verloren ist. Ja, sie weiß es genau. Martin Freytag ist verloren. Er peinigt sie, ja, er quält sie rücksichtslos. Immer mehr Ampullen verlangt er von ihr, und sie kann sie ihm nicht verweigern. Sie zittert vor einer Kontrolle, sobald sie nur Professor Becker auftauchen sieht.

      Sie ist eine Verlorene – und hätte so glücklich, so unsagbar glücklich in der Liebe dieses treuen, zuverlässigen Mannes sein können.

      Verspielt!

      »Magda«, tröstet er die bitterlich Weinende und fährt ihr behutsam über die zuckenden Schultern. »Magda!«

      Sie kann seine Stimme nicht mehr hören. Sie will nicht – sie will nicht – !

      Sie reißt den Kopf empor, so daß seine Hand zur Seite fällt. »Schweigen Sie – und lassen Sie mich allein, bitte, lassen Sie mich allein«, schreit sie ihm entgegen.

      Er hebt ihr Kinn empor, ohne auf ihre Abwehr zu achten.

      »Magda«, sagt er beschwörend. »Ich verstehe alles, hören Sie? Ich bin Ihr Freund. Denken Sie immer daran .«

      »Gehen Sie – gehen Sie«, jammert sie mit versagender Stimme, und da verläßt er sie. Ihm ist traurig und weh ums Herz.

      *

      Doktor Romberg befindet sich in einer fürchterlichen Stimmung. Überall grinst ihn das Mißtrauen an. Sogar von den Patienten strömt es ihm zu. Es ist zum Verzweifeln.

      Er geht hinüber zum Fenster und reißt den Vorhang zur Seite. Weit öffnet er die Flügel und zieht den süßen Duft der Blumen in die Nase.

      Langsam kommt Doktor Sybilla Sanders den Weg vom Hauptgebäude entlang. Sie winkt ihm von weitem zu.

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