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Gowin.

      Vor dem Elften brannte am Boden ein kleines Feuer in einer Messingschale – wohlriechende Harze, Zedernäste …

      Ich hielt das Papier über die Flammen … Es lohte auf, zerfiel in Asche.

      »Du bist jetzt der dreizehnte,« sagte ich zu dem kleinen Doktor. »Dich ernenne ich zu meinem Nachfolger …«

      Und ich gab ihm den unteren Teil des Papiers, den ich in der Hand vor der Glut bewahrt hatte. »Hier – verwende Gowins Millionen für den Wang-Bund …!«

      In dem faltigen klugen Gesicht zuckte kein Muskel.

      »Wie du befiehlst, Bruder,« sagte er nur, nahm den Papierstreifen, setzte sich wieder, und … ich war diese Sorge los. – –

      Choto ist einer der Durchgangsorte der Karawanen, die von Urga über Chana und den Gokiol-Paß nach Charbin oder Cirin unterwegs sind. Es ist nicht der gesuchteste Durchgangsort, besitzt immerhin ein öffentliches Rasthaus, das über saubere Räume, eiserne Feldbetten und manch andere Bequemlichkeit verfügt.

      Zur Zeit war es leer, und Gupa belegte dort für uns die drei besten Räume, in denen sonst nur die reichen Handelsherren und Herdenbesitzer untergebracht werden.

      Wera zog sich sofort in ihr Eckgemach zurück, Steenpool und ich nahmen den Nebenraum, und Gupa trug sein Sattelzeug und geringes Gepäck in den dritten. Ich war geistig und körperlich vollkommen erledigt, und auch dem doch weit weniger interessierten Steenpool ging es genau so. Wir warfen uns auf die Betten, – wenn ich die Augen schloß, drehte sich alles um mich her im tollen Wirbel, ich selbst mit, und ich schien kreisend in einen Abgrund zu versinken. Durch die nur mit Ölpapier beklebten Fenster sah ich die Tageshelle zunehmen … Was ich erlebt hatte, war wie etwas Spukhaft-Unwirkliches, die letzten Stunden waren dahingerast mit ihrer Überfülle von Geschehen wie tolle Rosse …

      Und jetzt – – war Totenstille ringsum …

      Diese Stille peinigte. Die überreizten Nerven verlangten nach einem allmählichen Abflauen dieser wehmütigen Szenen, die mich aufgepeitscht hatten bis zum Äußersten.

      Gupa schlich herein und trug ein Teebrett mit winzigen Tassen. Es war nicht Tee, es war Teeextrakt, und vielleicht werde ich nie mehr diesen echten Kanton-Tee trinken, der mit Handschuhen gepflückt wird, den man behandelt wie das zarteste Kindlein.

      Steenpool trank … Dann knipste sein Zigarettenetui. »Abelsen, ich werde wieder Mensch!«

      Er stützte den Kopf in die Linke.

      »Abelsen, was soll nun eigentlich werden – ich meine mit der Fürstin?« Er rieb ein Zündholz an … »Sie ist arm, auch Sie sind arm, – ich könnte für euch beide die Passage bis Europa bezahlen, aber …«

      »Ich danke verbindlichst, Steenpool … Europa sieht mich nicht wieder: Sie wissen: Der Steckbrief – – und auch sonst … – doch Wera …?!«

      Ich war ratlos.

      »Sie müßte nach Schweden zurück, oder ich beschaffe ihr in London eine Stellung,« sagte Steenpool nachdenklich. »Irgend etwas muß doch geschehen …«

      Gupa füllte uns wieder die Täßchen. Er meinte bescheiden: »Dein Freund Chi Api in San Franzisko ist auch ein Wang,« – dabei schaute er mich prüfend an. »Chi Api ist reich, und …«

      Ich winkte ab.

      »Wir werden wohl zunächst Weras Entschlüsse hören müssen …«

      Steenpool lachte ärgerlich auf. »Sie wird diesem großen Fragezeichen von Gatten doch hoffentlich nicht noch weiter nachrennen?! Das wäre ja geradezu Wahnsinn und … Herabwürdigung vor sich selbst!«

      Die Verbindungstür hatte nur zwei dicke Filzvorhänge. Wir hatten leise gesprochen, aber Wera meldete sich trotzdem, drückte die beiden Decken beiseite und lehnte sich an die Türfüllung. Sie war erschreckend bleich, aber ihre Stimme klang kühl und beherrscht.

      »Olaf, würden Sie auf die Lösung der Frage verzichten, weshalb Iwan Zubanoff mich so behandelt?!«

      »Nein!«

      »Nun also …!«

      »Gestatten Sie, Wera,« sagte ich rasch, »mein Nein hat Einschränkungen. Iwan, der zu Pferde ins Chingan-Gebirge flieht, ist nach menschlichem Ermessen nicht mehr aufzufinden. Der Fürst trug mir auf, Sie … auf Nimmerwiedersehen zu grüßen. Damit hat er sich von Ihnen losgesagt. Wenn ich nun eine Möglichkeit wüßte, ihn irgendwie zur Rede zu stellen, – ich täte es. Es gibt jedoch keine Möglichkeit, es sei denn, daß der bebrillte kleine Doktor ihn so genau kannte, daß der uns zu irgendeinem erfolgversprechenden Schritt raten könnte. Wir werden ihn fragen.«

      Gupa hörte alles mit an. »Fürstin, er weiß etwas, der Doktor … Ich darf seinen Namen nicht nennen, denn auf seinen Kopf ist ein hoher Preis gesetzt, und er lebt zumeist unter den »armen Leuten« der Wüste.« Gupa flüsterte nur. »Wir müssen hier überhaupt sehr vorsichtig sein, denn die Bewohner von Choto sind zumeist Anhänger des Rebellengenerals und die Wangs unter ihnen haben ihre Zugehörigkeit zum Bunde bisher streng geheim gehalten. Das Dorf ist nun in zwei Parteien gespalten, und die uns feindlich Gesinnten befinden sich in der Übermacht. Ich wünschte, wir wären erst wieder in der offenen Steppe. Dieses Tal ist eine Mausefalle.«

      Des riesigen Mongolen Warnung war nur zu berechtigt. – Steenpool nickte mir verstohlen zu, wir verstanden uns, wir hatten beide bereits mit Feindseligkeiten der völlig unzuverlässigen, recht gemischten Bevölkerung gerechnet.

      Es gab eine Zeit, in der die Mongolen, insbesondere jene Nomadenvölker, die der große Eroberer Dschingis Chan bis tief nach Indien hineingeführt hatte, ein überaus tapferer, ehrlicher Menschenschlag waren. Jene Zeiten sind vorüber. Heute ist der durch die Zivilisation angekränkelte Nomade ein feiger, hinterlistiger, geldgieriger Schleicher geworden, – leicht bestechlich, hauptsächlich verdorben durch chinesische Einflüsse, weniger durch das Geld Rußlands, Englands und Japans, obwohl auch diese Großmächte ein Interesse daran haben, die Steppenvölker gegeneinander aufzuwiegeln und jede Einigkeit zu hintertreiben.

      Die Fürstin hatte während Gupas eindringlichen Worten den Kopf gesenkt und schien noch bedrückter als vorhin. Als sie nun mich anblickte, sah ich ein steinernes, kalt-zielbewußtes Gesicht.

      »Unter diesen Umständen,« sagte sie festen Tones, »müssen meine Interessen zurücktreten. Verlassen wir das Dorf – sofort …«

      Steenpool hatte durch einen der Risse des Ölpapiers der Fenster ins Freie gespäht. Das Rasthaus lag etwa in der Mitte des Dorfes, aber mehr nach der südlichen Talwand zu und dem Choto-See am nächsten. Bis zum Ufer waren es nur wenige Schritte, und als wir hierher kamen, hatte ich auf dem Wasser große Flöße von langen Fichten liegen sehen, die im Gebirge gefällt und über eine Rutschbahn ins Tal hinabgeschafft sein mußten.

      Steenpool drehte sich uns langsam wieder zu.

      »Es ist zu spät,« meinte er achselzuckend und holte seine Pistole hervor. »Drüben an der Talwand erkenne ich bewaffnete Leute, und der Weg zum Dorfe ist auch besetzt. Wir sind eingekreist.«

      »Und wir haben uns wie die Narren benommen!« entfuhr es mir. »Wir hätten unbedingt mit dieser Wendung der Dinge rechnen müssen!«

      In demselben Augenblick taten mir diese Sätze, die Wera nur auf sich beziehen konnte, wieder leid. Ihre Augen glitten mit einem Ausdruck peinvollen Erschreckens über mein gereiztes Gesicht.

      »Ich bin schuld daran,« sagte sie mit einer schwerfälligen Kopfbewegung nach den Fenstern hin. »Wir haben kostbare Stunden durch die nutzlose Jagd auf den Fürsten vergeudet … Ich werde Ihnen, meine Freunde, nicht länger lästig fallen. Mein Leben ist ohnedies zerbrochen … Ich werde …«

      Was sie beabsichtigte, hätte ich nie geduldet, – sie sprach es nicht aus, denn das Geknatter von Schüssen und gellende Schreie trieben uns unter das Vordach des Hauses. Im Morgengrauen sahen wir den kleinen Doktor mit einer Schar Wangs – mehr als vierzehn waren es nicht mehr – über

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