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glühte nur noch, und die trockenen langen Moospolster, die wir anstelle von Decken benutzten, waren kein Schutz gegen die empfindliche Kälte der Berge. Ich war derart durchgefroren, daß ich die Gefährten weckte, – wir hätten uns unweigerlich eine ernste Erkrankung zugezogen, denn die Kälte würde noch zunehmen. – Steenpool erlegte durch Steinwürfe ein Bergschaf, – zu schießen wagten wir nicht, das Feuer loderte hoch, und die zweite Mahlzeit hier im Chingan-Gebirge wurde durch das Jaulen einiger Tiger begleitet, die in der Nähe umherstrichen. – Gupa war verschwunden. Er kehrte erst im Morgengrauen zurück, beladen mit Decken, Sätteln und einem Sack Hirse sowie mehreren Platten Ziegeltee und einem Kochtopf. Er war in einem Mongolenlager gewesen und hatte die Sachen gegen Steenpools Pfundnoten eingehandelt.

      Unsere gemeinsame Beratung endete mit dem Ergebnis, daß die vier Wangs nach Osten zu in ihr Heimatdorf bei Kirin zurückwollten, wir anderen gedachten uns nordwärts zu wenden und am Amur ein Fahrzeug zu mieten, das uns wieder zur Küste brächte. Steenpool verfügte über reichlich Geld, und, wie ich schon betonte, die Melodie dieser Noten singt jeder gern, wir würden uns schon irgendwie durchschlagen.

      15. Kapitel

       Wera wußte es …

       Inhaltsverzeichnis

      … Der Pater Athomasius ruft mich zum Mittagessen.

      Mir ist der Kopf heiß geworden über meiner Schreiberei. Ich habe sehr flott geschrieben, aber ich habe dabei so manche Einzelheit übergangen, ich habe Freund Wrangel gänzlich vergessen, der sich auf dem Floß nicht minder tapfer benahm wie Gupa und die Bleibienchen anbellte und am Grabe des Doktors kläglich heulte. So allerlei ist übersehen worden, was mir erst einfiel, als ich nach dem Mittagessen – ich pflegte mit zwei Arifs, das sind vornehme, schriftkundige Mönche, die Mahlzeit einzunehmen, denn in St. Antonius gibt es keine gemeinsamen Mahlzeiten – die Seiten wieder überflog, die über Gowins und Chedees Tod berichten. Was aus deren Leichen geworden ist, weiß ich nicht.

      Ich rauche und sinne vor mich hin …

      Wollte ich unsere Fahrt den Amur hinab schildern, würde ich zu viel Papier und Tinte verschwenden. Es waren eintönige Tage. Wera hielt sich von uns Männern fern, sie war seelisch gebrochen, und ihr Gesicht erschien hager und gealtert.

      Erst als wir in Chabarowsk bei einem Freunde Gupas Quartier fanden und Steenpool die Fahrscheine bis Wladiwostok heimlich »hintenrum« besorgt hatte, fiel die Entscheidung über unseren ferneren Weg. Wir hatten zunächst bis Hongkong reisen wollen, wo wir unter den englischen Kanonen in Sicherheit waren.

      Ja – es war wirklich einer jener Zufälle, die nun einmal im Leben so vieler Menschen die Hauptrolle spielen, – ein Zufall, daß wir abends im Garten des Gastfreundes Gupas, eines seit vielen Jahren hier ansässigen Armeniers und Händlers (er hatte sicherlich gute Beziehungen zu den »armen Leuten«) in Abwesenheit Weras über »Sankt Antonius« und den »Mönch« sprachen, also über des Doktors letzte Worte.

      Der Armenier, ein älterer Mann mit listigen Zügen, horchte auf.

      »War der Fürst etwa ein Copte?« fragte er. »Ich meine, ein coptischer Christ, die in Ägypten mit am zahlreichsten vertreten sind, aber sogar in Rußland viele kleinen Gemeinden besaßen, in Armenien noch mehr: Ich bin selbst Copte!«

      Wir wußten noch immer nicht, wo er eigentlich mit diesen Bemerkungen hinauswollte.

      Dieser alte Gauner, zweifellos noch schlauer als Chinesen und Japaner und nur deshalb zu großem Reichtum gelangt, den er jedoch wohlweislich hinter einem sehr bescheidenen Lebenszuschnitt verbarg, – dieser ewig lächelnde Daseinskünstler nach asiatischem Muster fügte vertraulich hinzu: »Wir Copten sind alle sehr fanatische Gläubige wie die meisten Sektierer, wir sind anderseits freigebig und unterstützen die Stätten unserer religiösen Tradition nach Kräften …«

      Er sog an seiner Zigarre, blickte über den zierlichen Garten hin, schaute sich vorsichtig um und fügte hinzu:

      »Auf ägyptischem Gebiet nach dem Roten Meere zu liegen zwei Klöster, die ältesten der Christenheit, im ganzen wenig bekannt. Das eine, das allerälteste, nennen wir das Herz der Welt, weil es eben der älteste Sitz christlicher Frömmigkeit ist …«

      Jetzt wußte ich Bescheid.

      »St. Antonius!« rief ich leise. »Ich habe von St. Antonius und St. Paulus gehört, – ich war einmal in Kairo, und ein Bekannter riet mir zu einem Besuch dieser Gebirgsklöster, da sich dort noch uralte technische Einrichtungen befänden, die mich als Ingenieur interessieren dürften. Daß ich auch nicht früher daran gedacht habe!! Vielleicht würde mir das Kloster St. Antonius doch mit der Zeit eingefallen sein, vielleicht würde auch ich schließlich dieselben Gedankengänge gefunden haben wie Sie! – Der Fürst muß Copte sein, und der Doktor, der nun droben im Chingan-Gebirge begraben liegt, war in dieser Beziehung gut unterrichtet. Zubanoff will nach St. Antonius und dort als Mönch sein Leben beschließen.«

      Der Armenier nickte. »Es gibt keine andere Deutung. – Sie erzählten mir, die Fürstin habe in Angora geheiratet. Auch dort hausen Copten. Fragen Sie sie, ob ein coptischer Priester ihre Ehe eingesegnet hat …«

      »Davon hat sie nie etwas erwähnt,« meinte ich etwas zerstreut.

      Wir Menschen sind nun einmal schamlose Egoisten, und mir lag nichts daran, daß Wera ihren Gatten wiederfände.

      Steenpool war besser unterrichtet.

      »Sie mag nichts davon erwähnt haben, aber – sie ist auch kirchlich getraut worden, – ich war in Angora, ich begnüge mich nie mit halben Ermittlungen. Sie …!! Es stimmt schon, Zubanoff ist Copte, und Frau Wera mußte eigentlich von selbst schon längst an das Kloster Sankt Antonius gedacht haben, denn es wäre seltsam, wenn der Fürst während der Brautzeit ihr gegenüber niemals diese beiden uralten Stätten der Sekte genannt haben sollte. Jedem Copten sind sie heilig, mehr noch, jeder Copte pflegt gerade in dem entlegenen St. Antonius etwa dasselbe zu sehen, wie dies die römischen Katholiken im Vatikan sehen: Den Mittelpunkt ihres Glaubens, – – das Herz der Welt! – Da – in Weras Zimmer brennt Licht, Abelsen … Ihr Schatten gleitet über die Fenstervorhänge, sie schreitet wieder ruhelos auf und ab, und was hinter ihrer schönen Stirn vorgeht, weiß nur sie selbst. Sie kommen ihr vielleicht ungelegen, Abelsen … Vielleicht deshalb, weil sie sich nur in der Absicht von uns fern hält, weil …«

      … Er hüstelte …

      »… weil sie eben bereits genau ihr Reiseziel kennt …«

      Gupa sagte mit Nachdruck: »Sie kennt ihr Ziel, Mr. Steenpool, denn sie ließ sich heute von mir ein englisches Reisehandbuch über Ägypten besorgen, – ich sollte darüber schweigen, bat sie, und ich habe in dieser elenden Stadt nur eine veraltete Ausgabe von Cooks Orientfahrten aufgetrieben, in der ein Abschnitt über Ägypten handelt.«

      »Nun also …« – Steenpools Lächeln reizte mich. Er blickte mich an, und ich spürte, daß er genau wußte, wie es um mich stand. »Gehen Sie, Olaf … Und lassen Sie sich durch die Waffen einer Frau nicht entwaffnen … Die berühmtesten Spioninnen des Weltkrieges waren Frauen, und natürlich blendend schöne Frauen …«

      »Das gehört wohl kaum hierher, Steenpool!« Und ich schritt durch den mehr im japanischen Geschmack angelegten Garten über hellen Kies und stieg die Treppe zur Veranda hinan. Meine Füße widerstrebten dem Willen des Hirns, und mein Herz bangte vor dieser Entscheidung. – Wie würde ich mich mit Wera dieserhalb ohne neue Entfremdung auseinandersetzen?!

      Die Tür ihres Zimmers ging auf die breite Veranda hinaus.

      Ich klopfte an …

      Sie hatte sich eingeschlossen, sie öffnete erst nach geraumer Zeit, sie stand im Lichte der großen Deckenlampe in derselben kühl-ablehnenden Haltung da wie all diese Tage …

      »Ich muß Sie sprechen, Wera.«

      Sie schrak sichtlich zusammen. Ich trat ein, drückte die Tür zu und meinte: »Haben Sie im Cook geblättert,

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