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mußten wir flüchten, und daß Gupa inzwischen dennoch erfahren hatte, daß der Fürst, Gowin und Chedee sich weiter westwärts gewandt hatten, war einer jener Glückszufälle, die nachher leider ihr wahres Antlitz enthüllen. –

      Ich drängte jetzt meinen zottigen Gaul näher an Wera heran.

      »Wir müssen rasten,« mahnte ich energisch. »Wir treiben die Pferde zwecklos bis zur Erschöpfung vorwärts, und falls es dann hart auf hart kommt, Fürstin, versagen sie.«

      Wera mochte einsehen, daß ich recht hatte. Sie hob sich im Sattel und blickte sich um. »Drüben ist Gesträuch, Olaf, – schlagen wir das Zelt auf …« Ihre Stimme klang matt und verzagt. Seit Charbin war sie völlig verändert. Bis dahin hatten ihre Nerven noch standgehalten, jetzt streikten auch ihre Kräfte.

      Wir erreichten die Büsche, es waren mannshohe Saxaulsträucher und stachelige Sulkhir-Zwergbäume, und in einer sandigen Mulde zwischen ihnen begrüßte uns das wütende Kläffen einiger Mongolenhunde. Das große Filzzelt sahen wir erst, als wir es rochen … Drei Kerle mit hohen Lammfellmützen und Kitteln und Schafwolle traten ins Freie, – der eine hielt eine eiserne Pfanne mit brennenden Zweigen empor, und die beiden anderen begrüßten uns durch eine Flut von fabelhaften Kraftworten, über die unser Gupa sich vor Lachen ausschüttete.

      Er verständigte sich dann schnell mit diesen schmierigen Landsleuten – es waren reinblütige Chalcha-Nomaden –, und gegen etwas Bargeld und Tabak gestatteten sie uns, neben der Jurte das Zelt zu errichten, das gerade nur für Wera ausreichte.

      Ich hatte bis dahin keine Jurte betreten, ich blieb auch nur kurze Zeit in dieser Hölle von Gestank und Qualm, ich sah zwölf Menschen in einer Ecke zusammengepfercht, den übrigen Raum nahmen ganz junge Lämmer ein, die man vor der Kälte schützen wollte. Eine der Frauen des Familienoberhauptes säuberte gerade den Kessel mit … getrocknetem Kamelmist, um für uns den Tee zu bereiten. – Ich flüchtete ins Freie zurück, Steenpool aber ließ sich zwischen den Nomaden nieder, und Gupa verhandelte mit einem der Söhne, – wahrscheinlich wollte er ihn für uns als Führer gewinnen.

      Der kalte Wind strich über die Mulde hinweg, ich breitete meine Decken wie immer vor Weras Zelteingang aus und hüllte mich ein und aß ein paar Stücke Hartzwieback. Im Zelte brannte noch Licht. Wera mußte mich gehört haben und kam heraus. »Ich koche Tee für uns, Olaf …« – Das Verhältnis zwischen uns hatte sich seit der Flucht aus Charbin etwas getrübt, da ich schon wiederholt der Fürstin unsinnige Eile bemängelt hatte.

      »Gut, daß Sie es tun, Wera, denn der Ziegeltee mit Hirsebrei, den uns die Chalchadamen vorsetzen würden – aus dem Kessel, ich danke!«

      Ich hatte mich aufrecht gesetzt, Wera kniete mit einem Male neben mir und legte mir den Arm um den Nacken. »Olaf, sind Sie mir böse?!«

      »Das nicht … Sie sind nur sehr unvernünftig, Wera … Wenn es irgend jemand mit Ihnen gut meint, bin ich es doch. Wir haben ein bestimmtes Reiseziel vor Augen, das Dorf Choto, wo wir die Gesuchten treffen werden, die nur einen Tag Vorsprung haben – oder hatten. Ihre Schuld wäre es, wenn wir dieser Chinesenhorde, die man uns auf die Fersen gehetzt hat, vorher in die Hände fielen.«

      Ihr Arm sank herab … Sie nahm neben mir Platz … »Olaf, … ich … begreife mich zuweilen selbst nicht mehr … der, den ich einst liebte, ist für mich ein verblaßtes Phantom geworden … eigentlich ein Fremder … Ich bin ja sein Weib nie gewesen, Olaf, – die Ehe ist doch nicht die papierne Bestätigung des gegenseitigen Willens zu innigster Gemeinschaft, diese Gemeinschaft muß auch hergestellt worden sein. Wäre dies geschehen, würde mir Iwan wohl seelisch noch näher gerückt sein … So aber …?! – Wenn ich an all diese Jahre zurückdenke, wenn ich ehrlich in mein Inneres schaue: Ich glaube, es war ein gut Teil Abenteurerlust bei diesem zähen Bemühen, Iwan zu finden. Zuletzt betrog ich mich wohl selbst, ich redete mir ein Gefühl ein, das längst nur ganz schwach flackerte … – Olaf, es ist eine trostlose Erkenntnis …!«

      »Dazu kann ich mich wirklich nicht äußern …« – und ich log, denn ich hätte rufen müssen: »Er ist deiner ja gar nicht wert, – wir beide gehören zusammen, Wera, nur wir beide!«

      Erriet sie meine Gedanken?!

      Sie lehnte sich an mich, sie tastete nach meiner Hand …

      »Olaf …«

      Es war nur wie ein Hauch, aber es war auch ein verzweifeltes Schluchzen …

      »Olaf, – – wenn ich dich früher kennen gelernt hätte …!!«

      Ich saß da und regte mich nicht. Es war ein Kampf, wie ich ihn so schwer nie ausgefochten hatte.

      Und es war ein Glück, daß hinter uns im Zelte das Wasser zischend überkochte und gleichzeitig mein treuer Wrangel, der sich bereits mit den mageren Mongolenkötern angefreundet hatte, warnend knurrte. Ich war im Nu auf den Füßen, hatte die Büchse ergriffen und drängte mich hinter meinem Hunde durch die Büsche.

      Ich sah nichts Verdächtiges, aber Wrangel schaute mit gesträubtem Haar nach Osten hin, wo ich undeutlich ein paar nackte Felsen erkannte.

      Ich nahm ihn an die Leine, und vorsichtig schritt ich weiter. Wrangel zog und zerrte immer stärker an dem Riemen, und ich entsicherte die Büchse, duckte mich ganz tief und spähte mit halb zugekniffenen Augen in die Finsternis. Je näher wir den Felsen kamen, desto ungestümer benahm sich mein sonst so behutsamer Wrangel.

      Dann – aus einer Spalte des größten Felsens ein warnendes Kreischen, und blitzschnell turnten ein Dutzend mittelgroßer Affen noch höher empor und verschwanden.

      Ich hätte Wrangel das Fell gerben mögen! Deshalb diese ganze Aufregung! Affen, hier in der Nordmongolei nur in drei Arten vertreten, hatten mir bange Minuten bereitet. Ich hatte an die Chinesenhorde gedacht, ich hatte schon Kugeln pfeifen gehört, mein Herz hatte sich darauf gefreut, sein wildes Hämmern in nächtlichem Gefecht ersticken zu können, und dieses Herz pochte nur eines Weibes wegen so ruhelos.

      Ich riß Wrangel zurück, er widersetzte sich, – Steenpool kam mir entgegen, lachte mich noch aus, und dann saß ich verärgert in Weras Zelt und trank Tee, und Steenpools Schilderung des Innenlebens der Jurte fand ich witzlos und unfein, denn er kratzte sich andauernd hier und dort, und Wera lächelte dazu …

      Nachher lagen wir beide im Freien, den Sattel als Kopfkissen, – Gupa war in der Jurte geblieben, und Wrangel hatte ich zur Strafe bei den Pferden angebunden. Ich fror trotz der beiden Wolldecken, die Gräser waren feucht von Tau, die Blätter der Büsche tropften, am Tage hatten wir mindestens achtundzwanzig Grad Wärme gehabt. Die Nordostgobi ist kein Land für Rheumatiker.

      Steenpool schnarchte wie immer; von der Jurte kam der beißende Schafgestank herüber, und der Wind pfiff und säuselte, und die Pfeifhasen pfiffen noch ärger.

      Ich verfiel in einen unruhigen Halbschlaf. Die Pferde stampften und schüttelten sich, Nachtschwalben schossen blitzschnell um den Rauchfang der Jurte und fingen die durch den schwachen Lichtschein angelockten Insekten …

      Ich schrecke empor …

      Hatte ich geträumt?! Hatte ich nicht wirklich einen kurzen Schrei vernommen?

      Da – – Wrangels schrilles Bellen machte mich völlig munter … Der Hund hatte sich losgerissen und jagte in die Büsche hinein …

      Ich stand und lauschte …

      Wieder ein halberstickter Schrei – – und dumpfer Hufschlag …

      Ich riß den Zeltvorhang hoch.

      »Wera?!«

      Keine Antwort, – ich hinein, – nochmals …

      »Wera?!«

      Und dann zu den Pferden, – raus mit dem Pflock aus der Erde, hinauf auf den kahlen Rücken, – Hacken in die Weichen gehauen …

      »Steenpool, hallo, – Wera ist entführt worden!«

      Und schon sause ich durch die Sträucher, schon höre ich in der Ferne Wrangels helles, wütendes Kläffen, – ich habe

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