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daß die Deckwache erschien und den Bengel Manuel mit einem Tauende verdrosch … – Übrigens hatte dieses ganze Elitegesindel vor dem weißen Kapitano jetzt einen ungeheuren Respekt. Zweimal brüllte dieser Kerl dem Koch von Deck einen Befehl zu, – das war alles, was wir während dieser Zeit von ihm hörten.

      Genug hiervon. Übergehen konnte ich diese Einzelheiten nicht. Noch weniger darf ich’s mit dem, was Gerda allein betrifft.

      Gerda, – – fragen durfte ich nichts … Und sie?! Von Stunde zu Stunde hoffte ich, daß sie den geheimnisvollen Schleier, der sie umgab und den ich beständig spürte, wenigstens etwas lüften würde … Nichts geschah. Und doch: Kleinigkeiten gaben mir noch mehr zu raten! Als ich einmal aus einer trüben Stimmung heraus sehr ernst die Befürchtung äußerte, Boche Boche sei von den Schwarzen erschlagen worden, brach Gerda in Tränen aus und wimmerte kaum verständlich: »Dann … will … auch ich … sterben …!« – »Du, Gerda, sterben …?! Boche Boche ist dir fremd, und die Jörnsens sind für dich Feinde, mithin auch eigentlich Boche Boche … Ich verstehe dich nicht …« – Schweigen ihrerseits … Sie beruhigte sich schnell. – Ein andermal wieder meinte ich, der Meutererkapitän müsse doch ein ganzer Kerl sein, wenn auch ein Lump. Da fuhr sie auf … »Der erbärmlichste Wicht ist’s – nie ein ganzer Kerl!!« Und das mit einem Haß, der mich fast erschreckte. – »Kennst du ihn denn so genau, Gerda?« – Ein Blick traf mich – ein Blick …!! Und – – nichts weiter, kein Wort … – – Dann wieder erwähnte ich meine flüchtige Begegnung mit dem Fremden mit dem scharfen Profil in Panama. Gerda nickte nur … Dieses Nicken konnte nur besagen, daß sie hiervon bereits unterrichtet war. – Rätsel – Rätsel … Unklarheiten … Widersprüche …! Ich kam mir vor wie ein Mensch, der sich in einem Irrgarten bewegt, den Ausgang sucht – wie ein Verzweifelter, und von einem schönen Phantom immer wieder in falsche Wege gelockt wird – – Wege, abseits vom Alltag! –

      Drei Tage … – Woher wir’s wußten, daß es gerade drei Tage waren, wo wir doch weder einen Lichtstrahl der Sonne sahen noch eine Uhr besaßen, als diese Gefangenschaft begann?! – Nun, zunächst konnten wir Tag und Nacht daran unterscheiden, ob es auf dem Kutter lebhaft oder ruhig war, – daraus auch, daß Freund Samuel nachts sein Konzert einstellte – – und an anderen einfachen Beobachtungen. Dann aber hatten wir auch in der einen Kiste in unserem Versteck zwei Dutzend billige Nickeltaschenuhren nebst anderem Kleinkram gefunden, – sicherlich alles Geschenke, die für die unzivilisierten Bewohner des südlichsten Südamerikas bestimmt waren. Diese Taschenuhren waren nicht schlecht und leisteten uns gute Dienste.

      Drei Tage …

      In der Nacht nach Ablauf des dritten Tages merkten wir, daß der Kutter offenbar in einen Kanal zwischen Inseln eingelaufen war. Der Torstensen fuhr nicht nur mit halber Kraft, sondern schwankte überhaupt nicht mehr. Das Klatschen der Wellen gegen Bug und Bordwand hatte völlig aufgehört. Es war etwa elf Uhr, als ich diese Beobachtung machte. Gerda schlief bereits, – Gerda in ihrem blauen Wollsweater mit rotem Rande, den blauen, hoch aufgekrempelten Seemannshosen, den wollenen Strümpfen und den Leinenschuhen, Größe 45 – kleinere waren nicht aufzutreiben gewesen … Das war ihr Kostüm jetzt. – Sie schlief … Und ich saß und horchte. Ich hatte berechnet, daß der Kutter in diesen drei Tagen, wenn er beständig südwärts gefahren, den von Samuel und Manuel so häufig erwähnten Adelaide-Archipel bereits erreicht haben konnte. Und ich zweifelte nicht, daß die Nigger irgendwie in Erfahrung gebracht hatten, daß diese Insel-Wildnis Holger Jörnsens Ziel gewesen.

      Ich horchte … Ja, der Motor arbeitete nur mit zwei Zylindern. Und an Deck blieb es heute unruhig … Man lief dauernd hin und her. Kommandorufe … bisweilen Stoppen der Maschine, – vieles deutete darauf hin, daß der Torstensen sich in unbekanntem gefährlichen Fahrwasser bewegte.

      Eine leichte Erregung bemächtigte sich meiner. Ich fühlte geradezu, daß irgendeine Entscheidung nahe bevorstand.

      Diese Erregung hielt mich bis ein Uhr wach. Dann streckte ich mich auf meine Decken aus und schlummerte schließlich doch ein. Es war jetzt empfindlich kühl in unserem Versteck. Die sonnigen Gefilde Chiles lagen hinter uns. Wir mußten uns in der Region der eisigen Nebel, der eisigen Regengüsse und der gelegentlichen Schneefälle befinden: Ultima Thule! – Ich hatte mir die Wolldecke bis über die Ohren gezogen, und vielleicht schlief ich gerade in dieser Nacht besonders fest … Leider …

      Ich erwachte …

      Dunkelheit … Neben mir liegt die Taschenlampe. – Ich setze mich aufrecht, schalte die Lampe ein … Ziehe die Uhr …

      Acht Uhr morgens …

      Wende den Kopf, will sehend ob Gerda schon munter …

      Ihr Lager ist leer … Auf dem primitiven Kopfkissen (ein zusammengerolltes Segel) schimmert etwas Weißes …

      Papier …

      Ein besonderer Gedanke treibt mich hoch …

      Auf dem Zettel, einem rauhen Stück Einwickelpapier, steht mit Bleistift:

      Olaf, die Pflicht ruft mich. Wir werden uns wiedersehen. Und – – schweige!! – Gerda.

      10. Kapitel

       Das große Schweigen

       Inhaltsverzeichnis

      Ich hatte das Papier in der Rechten, in der Linken die Taschenlampe. Meine Gedanken flattern, kommen langsam zur Ruhe.

      Ruhe …

      Stille … Ja – jetzt wird’s mir erst bewußt, wie unheimlich still es auf dem Torstensen geworden. Totenstill. Auch nicht das geringste Geräusch … Nichts … nichts … Totenstille, so qualvoll, wie die Nächte im Zuchthaus in der Einzelzelle, wo nur Wanzen und Flöhe meine Gefährten waren …

      Unheimlich, diese Ruhe … Ich lausche, ich horche … Hitze kriecht mir in die Wangen, deren Stoppelbart mir so widerwärtig. Mein Herz beginnt zu hämmern … Und dieses dumpfe, rasche Pochen in der Brust ist der einzige Ton, der mein Ohr erreicht … Bis ein feines Klingen hinzukommt: mein Blut, – – Ohrensausen – Nerven!

      Das Hitzegefühl weicht plötzlich eisigen Schauern …

      Bitterkalt ist’s in der Kammer. Ich sehe den Hauch meines Mundes, den stoßweisen Atem …

      Dann nochmals ein Blick auf den Zettel …

      … Pflicht ruft …! – Pflicht ruft …?! Welche – – wohin?!

      Ich komme mir ohne Gerda so grenzenlos verlassen vor … Empfinde es nur zu deutlich …

      Bin ich noch Olaf Karl Abelsen, ein ganzer Kerl?! Hat Weibesnähe mir das Innerste verwandelt?! Hat Jörnsen, selbst ein ganzer Kerl, mich mal zu Unrecht so bezeichnet?!

      Kognak her …!! Diese Stille macht mich verrückt …

      Ich saufe – auf nüchternen Magen einen ganzen Aluminiumbecher …

      Oho – das sengt und brennt … Das ist das Wunderelixier der Starken, wenn sie mal schwach werden …

      Oho – – ich werde bald wissen, was auf dem Torstensen los ist! Dort liegen meine beiden Pistolen …

      Dann – Vorhang hoch, Tür nach dem Vorratsraum auf …

      Leise …!! Die Stille kann auch eine Falle sein …

      Die Vorratskammer ist leer, die Tür zur Kombüse steht weit offen … Da sitzt der Neger Samuel neben dem Herde, schläft, den Kopf auf die Brust gesunken, die Arme schlaff herabhängend … Und dort hockt in der Ecke neben der Treppe der Bengel Manuel – – schläft …

      Schlafen sie wirklich?!

      Ihre Körperhaltung macht mich mißtrauisch. Meine Augen werden kritischer …

      Ich sehe, daß Samuel das Maul halb offen hat, daß die Zunge über die Unterlippe hinabhängt … Und – – diese Augen?! Diese verdrehten Pupillen?!

      Vorhin

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