ТОП просматриваемых книг сайта:
Harald Harst Krimis: Über 70 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Buch. Walther Kabel
Читать онлайн.Название Harald Harst Krimis: Über 70 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Buch
Год выпуска 0
isbn 9788075831200
Автор произведения Walther Kabel
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
„Inzwischen also raubte er das Mädchen –“
„Ja – natürlich! So, jetzt wollen wir hier im Gasthof unsere Rechnung begleichen und abreisen.“
„Wohin?“
„Nach Berlin. Wohin sonst?!“ Aber ganz leise fügte er hinzu. „Nach Skien! Von dort gingen die Briefe ab!“
4. Kapitel
Abends bereits waren wir in Göteborg. Wir stiegen nicht wieder im Hotel Skandinavia, sondern in einem deutschen Fremdenheim ab, dessen Besitzerin Harald von früher her kannte.
Er zog diese Frau Merten ins Vertrauen, so daß wir nachts zwölf Uhr ihr Haus durch einen Seitenausgang verlassen konnten. Wir nahmen nur unsere Reisetaschen mit.
Die beiden Herren in englischer Aufmachung, die dann den Nachtzug nach Christiania um ein Uhr bestiegen, hatten mit Harst und Schraut nicht die geringste Ähnlichkeit und gehörten auch scheinbar gar nicht zusammen.
Ich saß in einem Abteil zweiter Klasse im dritten Wagen des D-Zuges; Harst im vierten in einem Abteil erster Klasse.
Die Strecke Göteborg-Christiania führt an Trollhätta vorüber. Auch die D-Züge halten hier. Ich hatte die eine Stunde bis Trollhätta in einer Art Halbschlaf zugebracht. Als die Station ausgerufen wurde, trat ich an das Gangfenster und blickte auf den Bahnsteig hinaus. Es stiegen hier ein paar Reisende aus und drei ein, darunter zwei Damen.
Dann gewahrte ich auf der Chaussee, die an den Bahnhofsgebäuden vorüberführt, die Scheinwerfer eines Autos, das sich in rasendem Tempo näherte.
Es hielt plötzlich. Ich sah, wie eine Dame mit wehendem Schleier heraussprang und mit einer Reisetasche auf die Sperre zulief.
Der Zug setzte sich in Bewegung. Ich ließ das Fenster herab und beugte mich hinaus, wollte feststellen, ob die Dame noch aufspringen würde.
Ein Beamter hielt sie jedoch zurück. Sie suchte sich loszureißen. Es war umsonst.
Dann geschah noch etwas.
Niemandem konnte dieser Vorgang auffallen, der nicht wie Harald und ich mit einer Verfolgung durch Ottmar Orstra rechnete.
Die Dame rannte dem Auto wieder zu, und gleichzeitig sprang aus dem vorletzten Wagen eine andere Dame ab, schlug lang hin, raffte sich wieder auf und lief zur Sperre.
Das war alles. Es war nichts von Bedeutung – für andere! Für uns ja!
Ich war überzeugt, daß die Dame mit dem wehenden Schleier Orstra gewesen sei, der uns in Göteborg beobachtet und dann mit dem Auto verfolgt hatte. Aber – wer war die andere, die hastig abgesprungen war?!
Ich schloß das Fenster.
Und – da sagte jemand leise hinter mir:
„Also ist doch alle Vorsicht zwecklos gewesen!“
Es war Harst – Harst als Engländer mit rotblondem Bart und Hornbrille.
„Wir können uns jetzt getrost zusammen in ein Abteil setzen,“ fuhr er fort. „Hier im Zuge sind wir sicher. Wenigstens bis Christiania. – Es fehlte nicht viel, und Orstra hätte den Zug noch erreicht.“
„Und die andere Frau?“ fragte ich.
„Kennst Du ebenfalls –“
Ich dachte nach. – „Etwa die Witwe Marnö?“
„Ja – ich denke, sie wird es sein. – Hole jetzt deine Reisetasche und komm’ in mein Abteil. Ich bin allein.“ –
Wir machten es uns jeder auf einer Bank bequem. Die Vorhänge hatten wir zugezogen und die Stoffhalbkugeln über die Lampe geklappt.
Harald gähnte und sagte dann: „Nun fährt Orstra mit der Marnö uns voraus nach Christiania. – Weshalb die Marnö wohl verreisen wollte?“ Der letzte Satz klang sehr nachdenklich.
„Hältst Du sie für eine Verbündete Orstras?“ meinte ich, schon halb im Schlaf, denn ich war hundemüde.
„Komische Frage, mein Alter! Sie hat ihr Grundstück in Trollhätta zu derselben Zeit erworben, als Olaf Aarström seine Baracke kaufte. Und Aarström und Orstra sind ein und dieselbe Person, – was Dir trotz Deiner Müdigkeit noch gegenwärtig sein dürfte, falls Du nicht –“
Er schwieg plötzlich, fragte dann, sich zu mir hinüberbeugend:
„Hörtest Du? Was war das?! Das klang wie – wie –“
Er vollendete den Satz nicht, stand auf und schlug die Stoffhalbkugeln der Lampe hoch.
Ich hatte mich aufgerichtet. „Was hörtest Du denn?“
Er blickte sich mißtrauisch um. „Ja – wenn ich das Geräusch genau beschreiben könnte!“
Er schwieg abermals. „Ich will doch lieber auf das Wagendach klettern,“ flüsterte er. „Sicher ist sicher! Das Geräusch war wie das Arbeiten eines Bohrers – eines großen Zentrumbohrers in hartem Holz.“
Er ließ das Fenster herunter und schwang sich mit jener Gewandtheit, die den trainierten Körper verriet, hinaus. Als letztes sah ich seine braunen Schuhe und die dunkelgrünen Sportstrümpfe nach oben verschwinden.
Ich beugte mich dann gleichfalls hinaus, drehte den Kopf und konnte so den Rand des Wagendaches beobachten.
Von Harald war nichts mehr zu sehen.
Aber – jetzt ein Schrei – ein gellender Schrei.
Der Zug donnerte gerade über eine Brücke. Unten glänzte silbern im Sternenschein des hellen nordischen Nachthimmels ein Fluß.
Und – dann flog ein Körper von oben herab, flog über das Geländer.
Ich schrie vor Entsetzen auf.
Es war Harst – Harst, den jemand in die Tiefe gestoßen hatte.
Bevor ich noch recht zur Besinnung kam – über mir ein Schuß.
Ganz dicht über mir.
Ein Zufall war’s, daß ich im selben Moment den Kopf zurückgebogen hatte. So pfiff denn die Kugel dicht an meinem rechten Ohr vorüber. – Dann ein Griff – ein Ruck. Die Notbremse löste sich.
Ein Kreischen – mißtönend, schrill. Die Bremsklötze preßten sich gegen die Räder.
Ich hatte schon die Clement gezogen, entsicherte sie, rannte den Gang entlang zur Wagentür, drückte mich seitlich an der Wand hin, faßte die Sprossen der kurzen Eisenleiter, die auf das Dach führte, klomm empor.
Der furchtbare Zugwind fegte über mein Gesicht hin. Ich schaute mich um. Die Wagendächer waren leer.
Da hielt der Zug schon – weit jenseits der eisernen Bogenbrücke; da kamen schon Beamte auf dem Bahndamm entlanggelaufen.
Ich rief ihnen zu, was geschehen, blieb oben, paßte auf, daß niemand den Zug verließ.
Der Name Harst wirkte auch hier Wunder. Der Lokomotivführer, ein besonders energischer Mann, befahl den Schaffnern, auf jeder Seite des Zuges die Wagentüren zu verschließen.
Bald erschienen dann zwei Herren, die sich als Kriminalbeamte aus Christiania auswiesen und uns helfen wollten, die Abteile zu durchsuchen. Zwei Schaffner und ein höherer Eisenbahnbeamter, der im Nebenabteil gesessen hatte, liefen nach der Brücke zurück.
Ich wußte von vornherein, daß die Durchsuchung des Zuges ergebnislos bleiben