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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger
Читать онлайн.Название Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band)
Год выпуска 0
isbn 9788075837325
Автор произведения Peter Rosegger
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Wie lebendig und lustig es im Dorfe auch gewesen ist, wo wir eingezogen: es wird bald still in den Gassen und öde auf den Feldern und Wiesen.
Der Roggen verdorrt, unser Weizen reift. – Aber wenn die Stunden der Begeisterung vorüber, so ist ein Dämon in mir, der mich abwenden will von dem heiligen Beruf. Ich habe diesen Dämon für den Teufel gehalten. Es wird aber was anderes gewesen sein. – Nicht wahr, jetzt kommt schon die Nacht?«
Fast verwirrt hat mich der Mann angeblickt, als hätte er von mir die Beantwortung seiner Frage erwartet.
»Die Nacht kann das noch nicht sein«, habe ich entgegnet, »der Nebel legt sich so über den Wald.«
»Ja, ja«, fährt der seltsame Erzähler wie träumend fort, »es kommt die Nacht. Junger Freund, Ihr werdet sehen, es kommt die finstere Nacht.«
Nun ist es eine Weile so still, daß man vermeint, den Nebel spinnen zu hören in dem Geäste der Tannen. Nachher erzählt der Mann weiter:
»In einem großen Dorfe ist es gewesen. Ich sitze noch spätabends im Beichtstuhl. Die Kirche ist endlich leer geworden, und die Ampel des Altars legt ihren Schein schon an die Wände. Ein einziger Mann steht noch neben dem Beichtstuhl und scheint unentschlossen, ob er sich nähern oder auch die Kirche verlassen soll.
Ich winke ihm. Er schrickt zusammen, tritt näher und sinkt auf die Knie vor dem Schuber des Beichtstuhles. Sein Bekreuzen ist ein krampfhaftes Zucken der rechten Hand über das Gesicht. Er sagt nicht das übliche Gebet; in wirren und hastigen Worten teilt er mir sein Bekenntnis mit. Dann faltet er die Hände so fest ineinander, daß sie zittern, und stammelt die Bitte um Lossprechung. – Ich will dem Geängstigten Worte des Trostes sagen. Aber unwirsch stoße ich mein eigen Herz zurück, denn die Satzung verlangt in diesem Falle unerbittliche Strenge.
Und wie er stumm so dakniet, entgegne ich in ruhiger Weise: das Unrecht könne ihm nicht verziehen werden vor Gott, solange es nicht gutgemacht.
– Gutmachen, das kann ich nicht mehr, versetzt er, mein Nachbar ist fortgegangen; ich weiß nicht, wohin. Er ist nicht zu finden.
– So wandert, ihn zu suchen; besser die Füße abgehen bis auf die Knie, als daß die Seele ewig verlorengehe.
– Aber mein Weib, meine Kinder! ruft er.
– Um so mehr Seelen stürzet Ihr mit Euch in das Verderben, wollt das Unrecht Ihr nicht sühnen!
– Ich will fasten, will Almosen geben zehnfach mehr, als was ich betrogen.
– Dem Betrogenen selbst müßt Ihr das unrechte Gut zurückgeben!
Da schreit er fiebernd: Ist der Herr nicht am Kreuz gestorben? Mord und Totschlag werden verziehen, und mir kann meine Verirrung nicht vergeben sein? Der Mann ist nimmer zu finden!
Sein Widerspruch bringt mich in eine Erregung. Strenge den Unbußfertigen! lehrt die Satzung.
– Mäkelt nicht mit dem gerechten Gott! rufe ich. Dreimal höher ist der Himmel, seit er durch das Kreuzopfer ist erkauft worden, und neunmal tiefer die Hölle, seitdem die Menschen drei Nägel geschlagen durch Christi Händ' und Füße.
Über diese meine Worte ist ein Aufstöhnen, dann ein Fluchwort. Ich höre den Schall der Tritte eines Davoneilenden. – Ich bin in der nächtigen Kirche allein.
Ich trete aus dem Beichtstuhl, knie hin vor den hochragenden Altar und bete für den Verstockten. Und wie ich so emporblicke zu dem Bilde der Königin der Beichtiger, da ist es mir, als trete sie plötzlich hervor aus der Nische – sie, mit dem Kinde in blutrotem Schein.
Der Türe eile ich zu. Siehe, da ist der Ausgang verschlossen.
Ich habe die Sperrstunde nicht wahrgenommen. Die Kirche ist entlegen vom Orte; das nächste Haus ist die Totenkammer. Da hört es keiner, wie man auch rufen mag.
Eingeschlossen in den düsteren Raum, in welchem ich von dem leidigen Teufel so oft gesprochen und von der ewigen Höllenpein. – Dort im Gezelt der ewige Gott; jetzo bist du mit ihm allein.
Nein, ich habe es nicht vermocht, hinzublicken auf den Altar; das rote Licht schwebt auf mich zu. Ich verkrieche mich wieder in den Beichtstuhl.
So bin ich dagesessen mit erregten Sinnen. Jetzt und jetzt muß sich der Vorhang bewegen und eine kalte Hand hereinlangen. Aber es bleibt still.
Sonst knien sie da draußen vor dem Schuber, die armen Sünder, und erforschen das Gewissen; und jetzt erforscht es der Beichtiger selbst. Habe zurückgeblickt auf mein Leben. Wie ist es so bewegt, wie bin ich arm und einsam gewesen! Und so hart! – Und in dem Teiche ist ein Herz verloschen. – Das einzige, das mich liebgehabt in der weiten Welt... Was ist gemeint gewesen mit meinen hohlen Taten? – Wenn ich vor Gottes Richterstuhl stehe, wird auch nur eine Seele sein, die sagt: Er hat mich gerettet? –
Und als es in mir so schreit, da ist plötzlich ein Stöhnen vor dem Schuber des Beichtstuhles, als kniete jener Mann noch davor. Ich fahre empor, aber – still ist es, das Mondlicht rinnt durch das Fenster. –
An wem liegt die Schuld, als an mir? – Wie viele Jahre sind mir noch gegeben? O Gott, führe mich weg von deinem Altare, dem ich ein unwürdiger Diener gewesen. Und von den Menschen führe mich weg. Führe mich zu einer einsamen Stätte, wo ich mich selbst erlösen kann!
Diese Sehnsucht hat sich wie Tau gelegt auf mein Gemüt; ruhiger ist es geworden, und meine Augen sind gesunken.
Jetzt aber höre ich plötzlich von außen eine Stimme, die 'Pater Paulus!' ruft. Endlich befreit! denke ich und will mich erheben. In demselben Augenblick höre ich aufschreien: 'Jesus Maria! da ist er, da hängt er am Strick.'
Ich tue einen Schrei, der in dem Kirchenschiffe gellt und von dem ich selbst erschrocken bin. Da ist draußen noch ein Klageruf, und ich höre, wie sich die Leute eilig wieder davonmachen. Der Aufschrei in der Kirche, mein Hilferuf, hat sie verscheucht. Ich bin allein. Erregt, daß mir der Atem stockt. Mitternacht schlägt es. Und wie: Draußen hängt einer am Strick?
Auf mein Angesicht bin ich gefallen: Heiliger Gott, bewahre mich vor Selbstmord!
Aber jetzo steigt plötzlich eine Ahnung in mir auf. Wie, wenn es der Mann ist, dem ich zur späten Abendstunde die Lossprechung verweigert, den ich in die Verzweiflung zurückgestoßen habe? Wenn er hingegangen ist und sich das Leben genommen hat?! – In derselben Stunde habe ich Schreckliches ausgestanden. Der Selbstmörder, wie er mich angrinst mit starrem Auge! – Und aus den Tiefen des Teiches steigt ein Weib empor mit dem Kinde! Und all die unerlösten Seelen kommen, denen ich die Verdammung gepredigt. Und inmitten steht das hohe Kreuz, und eine Stimme höre ich rufen: Du hast den Heiland getötet in den Herzen, du hast ihnen das schwere Kreuz aufgebürdet, das Kreuz ohne Heiland – Gottesmörder!«
Ächzend ist der Mann hingesunken auf das Geäste des Baumes. Kaum habe ich es vermocht, ihn wieder aufzurichten. Nebelfeuchtes Wildfarnkraut reiße ich ab und lege es auf seine heiße Stirne.
»Erzählet ein andermal zu Ende«, sage ich, »und gehen wir heute in unsere Wohnungen, es kommt wahrhaftig schon die Nacht.«
Er hat sich aufgerichtet, ist mit den Zipfeln seines Mantels sich über die Augen gefahren.
»Heute ist der Frieden in mir«, sagt er hierauf ruhig, »aber sooft ich an dieselbe Stunde denke, stockt mein Blut. Nun, jetzo wird es schon besser. – Wie ich meine Augen wieder auftue, da schaut das Morgenrot zu den Fenstern herein. Wie ein gütiges Lächeln liegt es auf dem Altare und auf dem Bilde der Mutter Maria. – Ich habe ein Gelöbnis getan, und da ist mir gewesen, als müsse alles anders werden.
Bald danach haben die Schlüssel der Kirchentüre gerasselt; Leute kommen. Sie brechen in ein Frohlocken aus, als sie mich sehen, und führen mich an der Hand ins das Freie. Sie erzählen, wie sie mich gesucht, wie sie wohl einen Schrei gehört in der Kirche, wie sie aber gemeint hätten, es sei eine Geisterstimme. Sie führen mich abseits vom Kirchhofe, denn dort ist an einem eisernen