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schlüpfrig.

      Vor Jahren soll es gewesen sein. Da haben sie von den Almen einen Hirten herabgetragen, um ihn draußen auf dem Holdenschlager Kirchhof zur Ruhe zu bringen. Wie sie sich da oben an den schmalen Steigen der Miesenbachwände herauswinden, strauchelt einer der Träger und der Sarg rollt über den Hang und stürzt in den Abgrund, so daß nicht ein Splitterchen davon mehr gesehen worden ist.

      Das soll den Leuten sehr arg gewesen sein, und der Totengräber zu Holdenschlag hat doch bezahlt werden müssen.

      Wir Winkelsteger haben keinen Totengräber. Wir können ihn nicht ernähren. Wenn doch einmal einer stirbt, so tut er's nicht eher, als bis sein letzter Groschen vertan ist. So müssen eben ein paar Holzerburschen her und die Grube ausschaufeln. Sie verlangen nichts dafür, sie sind froh, wenn sie aus der Grube frisch und gesund wieder hervorkriechen mögen.

      Während der Totenmesse ist der Sarg ganz allein vor der Kirche auf der harten Erde gestanden. Da kommt ein Vöglein geflogen, hüpft auf den Sargdeckel und pickt und pickt, und flattert wieder davon.

      Der Rüpel hat es gesehen; und das sei, habe es ihn nicht betrogen, der Vogel gewesen, der alle tausend Jahr' einmal in den Wald kommt geflogen.

      Nach der Messe haben wir die Rußkath hinaufgetragen zum bereiteten Grab. Die Angehörigen blicken starr in die Grube.

      Nach der Einsegnung hat der Pfarrer eine kurze Rede gehalten. Ich habe mir nur davon gemerkt, daß wir durch den Tod der Unsern an Gleichmut gewinnen für die Widerwärtigkeiten dieses Lebens und einen ruhigen, ja vielleicht freudigen Hinblick auf unser eigenes Sterben. Jede Stunde sei ja ein Schritt dem Wiedersehen zu; und bis uns jene Pforte der Vereinigung wird aufgetan, leben unsere Heimgegangenen fort im heiligen Frieden unseres Herzens.

      Er kann's auslegen. Wie es unsereins wohl auch empfindet, aber man weiß die Worte nicht dazu. Er hat die Sach' nicht verlernt, und ist er gleich jahrelang oben im Felsental gewesen.

      Jetzt ist noch ein anderer gekommen. Der Rüpel schiebt sich sachte vor, da machen ihm die Leute Platz: »Schauen, was der Rüpel heut' weiß!«

      Und als der Waldsänger auf dem Erdhügel steht und den Spatenstiel als Stock in der Hand hält, daß er auf dem lockeren Grund nicht strauchelt, und als er einen Blick hinabtut auf den Schrein, da hebt er an zu reden, wie hier aufgeschrieben:

      »Geboren ist sie worden vor neunzig Jahren. Ihr Lebtag ist sie mit keinem Rößlein gefahren. Mit ihren Füßen ist sie gegangen talab und bergauf ihren ganzen mühseligen Lebenslauf. Sie ist beigesprungen den Leuten in Kummer und Nöten, und dabei hat sie hundert Paar Schuh' zertreten. Und andere hundert Paar Schuh' tat sie wagen, um ihren Kindern das Brot auf den Tisch zu tragen. Und weitere hundert Paar Schuh' sind zerrissen auf Schmerzenswegen, die sie hat wandeln müssen. Für Tanz und sonstige Lustbarkeiten fürwahr, tat' sie brauchen nicht ein einziges Paar. Dann hat sie angezogen die letzten Schuh' und ist fortgegangen in die ewige Ruh'. Die heiligen Engel taten ihre Seele führen wohl durch das Fegefeuer bis zu den himmlischen Türen. Und unter der Erde tut ruhen der arme Leib in seiner hölzernen Truhen. – Schlaf wohl, Kathrin, in deiner neuen Wiegen, wir werden bald an deiner Seite liegen; bis der Herr uns tut wecken zu seinen heiligen Scharen, auf daß wir mit Leib und Seel' in den Himmel mögen fahren!«

       »Der Rüpel wäre der Pfarrer für die Winkelsteger!« hat nun der Mann gesagt, den sie den Einspanig geheißen.

      Ja, wenn er nicht unter ihnen auf gewachsen wäre

      Als wir, der Pfarrer und ich, mit der Schaufel einige Erdschollen auf den Sarg geworfen, tritt der Rußbartelmei ganz betrübt zu uns und fragt, was uns seine Mutter denn getan habe, daß wir ihr noch in das Grab die Klötze nachschleuderten? Da haben wir es ihm dargelegt, daß Erde die einzige Gabe sei, die man einem Toten zulieb könne reichen.

      Darauf hebt der Bartelmei an und schaufelt Erde hinab, bis man keine Ecke mehr sieht von dem weißen Schrein und die Leute ihm die Schaufel aus der Hand nehmen, auf daß sie die Grube schließen.

      Nach dem Begräbnisse sind sie in das Wirtshaus des Grassteigers gegangen und haben sich mit Branntwein erfrischt... so wie auch die Alten ihren Toten haben nachgetrunken.

      Gott zählt seine Leute auch in Winkelsteg und da darf ihm keines fehlen.

      Kaum ist auf dem Friedhofe das Gräblein zugemacht, wird in der Kirche das Taufbecken aufgetan. Der erste Tote und der erste Täufling an einem Tage – aus einer Familie.

      Auf demselben Waldweg, den heran vor ein paar Stunden der Sarg ist geschwankt, haben zwei Weiber ein neugeborenes Kind herübergetragen aus den Lautergräben.

      Das Kind ist eine Enkelin der Rußkath und gehört der Anna Maria.

      Es klopft an die Kirchentür, tät' bitten um die Taufe und heißen möcht' es gern: Katharina.

      Wir haben alle Heiligen des Himmels zur Auswahl, und der Name der Großmutter wird ihm nicht versagt sein.

      Dritter Teil

       Inhaltsverzeichnis

      Im Jahre 1830. Zur Winterszeit

      Die sechzehn Jahre her, seit ich in den Winkelwäldern bin, weiß ich keinen solchen Schnee als in diesem Jahre. Schon seit Tagen kommt mir kein Einziges mehr in die Schule. Die Fenster meiner Stube sehen aus wie Schießscharten. Wenn es noch ein wenig so fortgeht, so sind wir allmiteinander verschneit. Zweimal des Tages wird von mir bis zum Pfarrhofe ein Pfad ausgeschaufelt, der an der Tür des Grassteigerhauses vorübergeht.

      In dem Grassteigerhause haben wir, der Pfarrer und ich, unser gemeinschaftliches Mittagsmahl. Das Frühstück bereitet sich jeder in seiner Wohnung. Am Abende kommen wir stets zusammen, entweder im Pfarrhofe oder bei mir im Schulhause.

      Wie es nur denen in den Gräben und Karwässern gehen wird! Da drüben ist ein Schneegestöber noch viel wüster als im Winkel. Es liegen um diese Zeit in den Häusern viele kranke Leute, und es werden sich keine Wege machen und erhalten lassen, daß sie einander beispringen könnten. Und über die Lauterhöhe zu kommen, ist schon gar eine Unmöglichkeit. Die Markstangen, die an den Steigen stecken, sehen kaum mehr aus dem Schnee hervor, die Lasten auf den Bäumen reißen die Äste ab und brechen die Stämme. Des Schneiens ist kein Ende. Keine Flocken fallen mehr, es ist ein schweres, undurchsichtiges Staubwirbeln. Und die Hauben der Geäste und Pfähle und die Dachgiebel bauen sich höher von Minute zu Minute.

      Wenn ein Wind kommt, so rettet das vielleicht den Wald, kann aber zu unserem Verderben sein. Eine Stunde Sturm über die lockeren Schneelehnen her, und wir sind eingedeckt.

      Der Pfarrer hat alle Waldarbeiter, denen nur beizukommen ist, gedungen, daß sie Pfade herstellen in die Lautergräben, Karwässer und daselbst von einer Hütte zur anderen. Einmal sind sie richtig hinübergekommen, aber die Rückkehr ist doch wieder die neue Mühe. Die verschneiten Leute drüben werden doch vorgesorgt sein; sie haben ihre Welt ja in ihren Hütten.

      In einer Klause des Karwasserschlages soll wohl schon seit fünf Tagen die Leiche eines alten Mannes liegen.

      Der Pfarrer hat sich heute Schneeleitern an die Füße gebunden, um bei den Kranken Besuche zu machen. Aber der Schnee ist zu locker, der Mann hat wieder umkehren müssen. Nun macht er Pakete zusammen, sie sind aus der Speisekammer unseres Wirtes und sollen durch kräftige Holzhauer in die Lautergräben zu den Kranken getragen werden.

      Das sind kurze Tage und doch so lang. Ich habe meine Zither, habe die neue Geige, die mir der Pfarrer zu meinem jüngstvergangenen Namenstage hat bringen lassen, ich habe andere Dinge, die mir sonsten Zerstreuung geboten haben. Aber jetzt mutet mich nichts an. Stundenlang gehe ich in der Stube auf und ab und denke nach, was dieser Winter noch für Folgen haben kann. Es gibt Hütten genug in den Gräben, wo die Leute mit ihren Schaufeln nicht gewesen sind. Wir wissen nicht, wie es in denselben aussieht.

      Auf daß ich mich von der drückenden Tatlosigkeit erlöse, habe ich heute die Lade unter der Ofenbank aufgemacht und meine alten Tagebuchblätter herausgenommen, um nachzuschlagen,

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