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Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band). Peter Rosegger
Читать онлайн.Название Peter Rosegger: Romane, Erzählungen & Gedichte (Über 570 Titel in einem Band)
Год выпуска 0
isbn 9788075837325
Автор произведения Peter Rosegger
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
So geht mir nun ein neues Leben auf; mein sittliches Gefühl, das mich sonst zurückgehalten, eifert mich jetzt an, daß ich all den verlangenden Sinnen meines Wesens Sättigung verschaffe. In Freude und Genuß Gott dem Herrn dienen – so gibt es keinen Zwiespalt mehr.
Mein Freund lächelt und läßt gewähren. Die Welt ist schön, wenn man jung, und auch gut, wenn man reich ist. Ich lasse sie mir sehr gut sein; ich will ihren Becher leeren, ehe ich am Altare den Kelch trinken soll.
Und nach wenigen Jahren habe ich den Freudenbecher geleert bis zum Bodensatz. Da ekelt mich, da bin ich satt und übersatt. Und die Welt langweilt mich.
Und nun, da ich mittlerweile auch großjährig geworden, hat mein Freund wieder ein Wort gesprochen, und auf seinen Rat habe ich mich entschlossen, dem Dienste Gottes und dem Heile der Menschen zu leben. Ich trete in den Orden der ›Glaubensväter‹ und tue das Gelübde. Mein Vermögen fällt dem Orden zu, und ich leiste das Gelöbnis des unbedingten Gehorsams.
Und nun – – da ist eines Tages ein Mädchen zu mir gekommen, das ich früher oft gesehen. Jetzt darf ich es nicht kennen. Es bittet mich, daß ich es mit dem Kinde nicht verlassen möge; es bittet um Gottes willen. Allein – ich bin bettelarm, darf mich auch für sie an niemand andern wenden, mich bindet der Gehorsam.
Wenige Tage danach ist das Mädchen als Leiche aus einem Teiche gezogen worden. Schmerzerfüllt klage ich an der Brust meines Freundes, dieser schiebt mich sanft von sich und sagt: Gott hat alles wohl gemacht!« –
Nach diesen Worten ist der Mann, den sie den Einspanig nennen, wie erschrocken zusammengefahren. Ein Häher ist über unseren Häuptern dahingeflattert. Hierauf greift der Einspanig rasch nach meiner Hand und ruft:
»Heute noch bin ich vermählt mit ihr. In jeder Nacht steht sie mit dem Kinde vor meinem Lager. Der Orden hat einen schönen Stern, das ist der Marienkult. Mancher Jüngling, der entsagen muß, blickt liebeglühend auf zu der Jungfrau mit dem Jesukinde. Mir aber wird das Bildnis zum Gespenst, ich sehe in demselben das betrogene Mädchen.
Ich bin zum Priester geweiht worden und habe statt meiner weltlichen Titel und Würden nichts als den Namen Paulus erhalten. Ich bin für den Orden vorbereitet worden, viel eher, als ich und mein Vater es geahnt haben.
Ich habe Natur und Vermögen geopfert und meinen eigenen Willen; und nur eines habe ich noch besessen, das Vaterland. Auch daran kommt die Reihe. Es wird unserem Orden vorgeworfen, er sei – möge er sich nennen wie immer – nichts als verkappter Jesuitismus. Und als solcher sei er nach dem bestehenden Gesetze des Bodens im Lande verlustig. Fast war ich zu schwach gewesen, meine Heimat und meinen betagten Vater zu verlassen; allein, da gibt es kein Auflehnen des Herzens. Wir sind Märtyrer zur Ehre Gottes; und so sehr bin ich Schwärmer, daß mir dieser Gedanke Entschlossenheit gibt, mich von allem loszureißen.
Wir sind nach Welschland gezogen. Zu Rom habe ich die Gräber der Apostel und Märtyrer besucht und habe gewähnt, in dem Lande ein still-beschauliches Leben führen zu können. Aber bald werden wir ausgesandt zur Arbeit. Ich weiß kaum mehr, durch welche Vermittlung, aber auf einmal sehe ich mich versetzt in eines der Länder, die gegen Abend liegen, an den Hof des Königs. Vielleicht ist es meine Abkunft, vielleicht die Erziehung, die ich genossen, vielleicht auch meine Gelehrsamkeit oder eine gewisse Klugheit, die ich mir nach und nach angeeignet, oder es kann meine Körpergestalt gewesen sein, die schön genannt war – oder all das zusammen oder noch ein anderes, was mich befördert hat, ich weiß es nicht.
Ich habe nach einiger Zeit ein einflußreiches Amt in der Staatskanzlei erhalten. Und mein Wahlspruch ist gewesen: Sei ein geheimes Rad im großen Werkskasten des Staates und leite das Volk nach den Absichten Gottes.
Geschmeidigkeit, Sanftmut, Heiterkeit und Duldsamkeit sind die Tugenden, deren ich mich zu befleißigen gehabt habe. So bin ich der Freund des Hofes geworden, der gerne gesehene Gesellschafter, der gesuchte Ratgeber; und wenn ich in der Schloßkapelle meine Messe gelesen habe, so sind die hohen Frauen vor dem Altare auf den Knien gelegen. Endlich bin ich Beichtvater des Königs geworden.
Die Welt lächelt, und mir gefällt ihr Lächeln wieder.
Leicht trage ich das Gelübde der Armut, denn ich wohne im Königspalast. Treu bleibe ich dem Gelübde der Entsagung, denn was ich genieße, das genieße ich Gott zuliebe.
Da bricht eine bewegte Zeit an. In der Welt wütet die Empörung; auch in unserem Lande gärt ein Aufruhr. öfter als sonst versammelt der König die Großen des Reiches um sich, und angelegentlicher wird die Beichte, die er an jedem dreißigsten Tag mir ablegt.
Da kommt eines Tages an mich ein Befehl; er ist mit großem Siegel verschlossen. Als ich ihn gelesen, lehnt sich etwas in mir auf. Nein, so kann ich nicht handeln, so mein Amt nicht mißbrauchen.
Zur selben Zeit erhalte ich die Nachricht von dem Tode meines Vaters. Das bringt mich zu mir selbst. Kindesliebe, Schmerz, Sehnsucht, Heimweh, Schuldbewußtsein und Reue graben in meinem Gehirne.
Da kommt plötzlich der Befehl, ich müßte mich einschiffen nach Ostindien!
Das schmettert mich vollends nieder. Anstatt ins Vaterland, soll ich in einen fernen Weltteil reisen, warum? Zu welchen Zwecken? Wer fragt? – Die erste Satzung des Ordens lautet: ›Blinder Gehorsam!‹«
Hier hat der Mann seine Erzählung unterbrochen. Mit den Fingern ist er sich über seine hageren Wangen gefahren bis herab zu den Bartstoppeln des Backens. Sein Auge, in welchem Unruhe und Müdigkeit gelegen, hat sich schwermütig empor zur Höhe gewendet. Da oben haben die finsteren Wolkenlasten nicht mehr hingejagt, sondern angefangen, sich an den Felswänden niederzusenken. Tiefe Stille und Dämmerung ist gelegen über dem Waldkessel der Wolfsgrube.
Und endlich fährt der Einspanig fort: »Vier ewige Sommer habe ich mit einigen Gefährten in dem heißen Indien verlebt. Die Beschwerden sind groß gewesen. Nur in der Erfüllung des Berufes habe ich einigen Trost gefunden. Nicht mehr für besondere Vorteile eines Bundes haben wir gearbeitet, sondern für die gemeinsame Sache der Menschen, die Gesittung. Wir haben den Hindus den Pflug gegeben, auf ihre Berghöhen haben wir das Kreuz gepflanzt. Wir predigen ihnen die Gotteslehre der Selbstaufopferung und Liebe. Anfangs haben sie Mißtrauen und Verfolgung gegen uns, endlich aber öffnen sie ihr Herz. Als Boten des Himmels haben sie uns verehrt.
Bereits haben wir in Dekan eine christliche Gemeinde zustande gebracht, da kommen abendländische Scharen, Engländer und Franken, bekriegen Teile des Landes und unterjochen sie. Da handelt es sich nicht mehr um die christliche Liebe, sondern um Reis und Gewürze. Und vorbei ist es gewesen mit dem Glauben der Hindus an unsere Lehre. Ermorden haben sie uns wollen. Auf ein fränkisches Schiff haben wir uns geflüchtet und sind zurückgekehrt nach Europa.
Nun sehe ich endlich mein Vaterland wieder. Eine andere Zeit ist. Das Volk ist lau und droht mit dem Abfalle. Wir werden planmäßig verteilt in Stadt und Land.
Da ich mich am Königshofe nicht bewährt habe, ich auch auf den Reisen verwildert und aus dem Gleise der gesellschaftlichen Verhältnisse gekommen bin, und da an mir ferner mehr Gewissensskrupel als Klugheit zu merken ist, so trifft mich das Los: ich werde den Volksmissionären zugeteilt. Kaum kann ich meine Geburtsstadt und das Grab meines Vaters besuchen, ehe ich fort muß in das Gebirge. Mit drei Genossen wandere ich von Gegend zu Gegend, um in bestimmten Pfarrkirchen sogenannte Missionen abzuhalten. Bei mächtigen Herren sind wir die Heiteren, Geschmeidigen, Duldsamen gewesen; bei den wilden Völkern die Apostel der Kultur, die strengen und liebevollen Lehrer des Christusglaubens. Hier aber, bei dem verknöcherten, trägen, leichtsinnigen und noch dazu durch neue Grundsätze verdorbenen Landvolke müssen wir erscheinen als Warner, als Richter der Sünde.
Anfangs, da kommen sie mit Übermut und Neugierde zur Kirche herein, um die Wanderprediger zu sehen; aber als sie die dumpfen Worte von der Not der Seelen, von der Gefahr der Welt, von der Sterbestunde und von dem schrecklichen Gericht hören, da heben sie an zu erbleichen. Bald liegen sie zerknirscht vor dem schwarzverhüllten Altare, drängen sich zu unseren Beichtstühlen.
Vor jeder Kirche haben wir ein hohes, kahles Kreuz aufgestellt. Christus ist für euch gekreuzigt worden,